Auch wenn die Russische Mannschaftsmeisterschaft klar stärker besetzt war
als die deutsche Bundesliga, ist deren Eigenverständnis als "Stärkste Liga
der Welt" nicht in Gefahr. Die Russische Mannschaftsmeisterschaft wird
nämlich nicht im Ligasystem gespielt - mit regelmäßigen über eine Saison
verteilten Spieltagen - sondern als geschlossenes Mannschaftsturnier. Wie im
letzten Jahr war der Vorort von Sochi namens Dagomys und dort das Hotel
Dagomys Austragungsort bzw. Gastgeber. Das Hotel, 1977 erbaut, bietet eine
schöne Aussicht, aber keinen schönen Anblick. Den Hotelgästen, die mittels
eines hoteleigenen Fahrstuhls direkt zum Strand gelangen können, wird dies
vermutlich egal sein.

Hotel Dagomys

Am Strand liegend, den Hotelkomplex mit seinen 27 Etagen im Rücken, muss
man sich noch daran gewöhnen, dass eine Bahnstrecke den Strand säumt und
vorbeifahrende Züge gelegentlich die Idylle stören.

Wer abseits des Strandes umher streift, sieht einige industrielle Altlasten,
die mit moderner Urlaubsromantik ebenfalls noch nicht ganz im Einklang
stehen. Bis zum Beginn der Winter-Olympiade, die 2012 ja in Sochi
stattfinden wird, wird sich hier sicher noch einiges tun.

Unweit von Sochi, befindet sich in nördlicher Richtung mit Tuapse
übrigens der Geburtsort von Vladimir Kramnik. Sergei Tiviakov stammt aus dem
ebenfalls nicht weit entfernten Krasnodar.

Anders als in Deutschland oder anderen Ländern werden in Russland die
Mannschaftsmeisterschaften nicht von Vereinsmannschaften gespielt. Es
handelt sich stattdessen um Teams, die mit dem Namen eines Sponsors oder
einer Region versehen, nur für diesen Event und einen weiteren Event
zusammen gestellt werden. Der weitere Event ist der Europacup der
Vereinsmannschaften, für die sich vier Mannschaften qualifizieren. Es gibt
auch ein Auf- und Abstiegssystem, das mit der gleichzeitig stattfindenden
zweiten Liga korrespondiert. Außerdem findet parallel eine Meisterschaft der
Frauen statt. Bemerkenswert ist noch der Umstand, dass zwei Mannschaften des
gleichen Sponsors/Trägers im gleichen Turnier antreten dürfen. So spielten
aus Saratov die Mannschaften Economist 1 und Economist 2.
Der Zugang zu den Informationen zum Turnier ist für Nicht-Russen
schwierig, da der veranstaltende Verband Nachrichten nur in russischer
Sprache veröffentlicht. Russisch war bekanntlich Lingua franca bis 1990
zwischen Elbe und Behringstraße. Nach einigen Irritationen im
Selbstverständnis nach dem Zusammenbruch der UdSSR hat sich das russische
Selbstvertrauen unter Putin wieder deutlich erholt. Es ist schließlich nicht
der Fehler der Organisatoren, wenn einige Nicht-Russen etwas über das
Turnier wissen, aber kein Russisch lernen wollen. Auch die deutsche
Bundesliga publiziert schließlich nur in deutscher Sprache. Hauptsache der
lokale Sponsor kann es lesen.

Blick auf das abendliche Schwarze Meer
Gespielt wird mit sechs Spielern pro Mannschaft. In Russland gilt eine
Ausländerbeschränkung. Nur zwei Ausländer dürfen spielen. Die meisten Teams
bieten zwei Ersatzspieler auf. Mit Kortschnoj und Karpov traten auch zwei
echte Schachlegenden den Weg ans Schwarze Meer an. Am Ende hatte das
favorisierte Star-Team von Ural die Nase vorn. In der fünften Runde der
Meisterschaft kam es zu einem ungewöhnlichen Ergebnis: Titelverteidiger
Tomsk unterlag hoch mit 0,5:5,5 gegen TPS. In seinem Chessninja-Blog
berichtet Mig Greengard aus der russischen Gerüchteküche, es hätte
Schwierigkeiten mit dem Honorar gegeben und die Spieler wollten mit dem
Verlust den Sponsor an seine Verpflichtungen erinnern. Tatsächlich erhielt
Kharlov von der Turnierleitung sogar ein Strafgeld wegen unsportlichem
Verhalten. Der genaue Grund ist allerdings nicht bekannt. Loek van Wely
verweist jedoch die Gerüchte um fehlende Honorare ins Reich der Märchen. Man
habe schon Schwierigkeiten bei der Aufstellung der Mannschaft gehabt, weil
einige Wunschspieler ausgefallen sind. Zudem wurde Morozevich zu Anfang
krank, er selbst und Timofeev waren ohne Form. Honorarschwierigkeiten hätte
es keine gegeben. Sogar er sei trotz seiner miserablen Leistung ohne
Umstände bezahlt worden.
Russische Mannschaftsmeisterschaft
2.-13.April 2008, Sochi-Dagomys
Endstand |
1 |
Ural |
Yekaterinburg |
17 |
39.5 |
2 |
Economist 1 |
Saratov |
15 |
37.0 |
3 |
TPS Saransk |
Saransk |
14 |
37.0 |
4 |
Finek Gazprom |
Sankt Petersburg |
14 |
35.5 |
5 |
Spasio-Swiss |
Moscow |
12 |
34.4 |
6 |
Shatar Metropole |
Buryatia |
12 |
34.0 |
7 |
64 |
Moscow |
11 |
32.0 |
8 |
SHSM |
Moscow |
10 |
33.5 |
9 |
Tomsk 400 |
Tomsk |
10 |
31.0 |
10 |
Politekhnik |
Nizhny Tagil |
9 |
31.0 |
11 |
South Ural |
Chelyabinsk |
5 |
27.5 |
12 |
Economist 2 |
Saratov |
3 |
23.5 |
Alle
Partien...

Peter Svidler (Finec)

Alexei Shirov (Ural)

Alexey Dreev (Ural)

Ural vs Sounth Ural

T. Radjabov (Ural)

Sergey Karjakin (Tomsk-400)

Loek van Wely (Tomsk-400)

Bu (Shatar)

Pavel Tregubov (Shatar)

Aleksei Aleksandrov (Spasio)

Boris Gelfand (64)

Vassily Ivanchuk, Konstantin Sakaev, Andrei Volokitin (TPS)

Andrei Volokitin (TPS)

Emil Sutovsky (TPS)

South Ural

Viktor Kortschnoj, Igor Kurnosov (South Ural)

Gelfand zur Hälfte, Ian Nepomniaschij, Pentala Harikrishna, Wang Hao (64)

Vadim Zvjaginsev (Finec)

Sergei Movsesian (Finec)

Wang Hao (64)

Pentala Harikrishna (64)

Boris Gelfand, Sergei Rublevsky (64)

Ekaterina Korbut (Finec-1)

Viktoria Cmilyte (Finec-1)

Anna Ushenina (Economist-1)

Baira Kovanova (Economist-1)

Katerina Lahno (Sounth Ural)

Anna Muzychuk (AVS)

Natalia Pogonina (AVS)

Xu Yuhua (Spartak)

Zhao Xue (Spartak)

Finec-1 – Ekaterina Korbut, Vladimir Bykov, Viktoria Cmilyte, Natalia
Zhukova, Irina Turova, Julia Demina

Meisterpaar: Aleksander Grischuk (Ural) and Natalia Zhukova (Finec-1)


Artem Iljin (Polytechnik-2)
André Schulz
Fotos: Irina Sudakova, Anna Ushenina, Julia Gromova, Sergei Tiviakov