Rückblick auf Wijk
Von André Schulz
Bilder: Elisebth Pähtz und Joachim Schulze
Abschlusstabellen
und Partien...
Bei der Betrachtung der Schlusstabelle des Tata-Steel A-Turniers fällt auf,
dass sie auf auffällige Weise in zwei Teile zerfällt - in die Hälfte mit den Elo-Gewinnern
und in die Hälfte der Elo-Verlierer - mit zwei kleinen Ausnahmen.
Sechs der sieben Elo-Zugewinner belegen die Plätze der oberen Tabellenhälfte.
Magnus Carlsen, Weltranglistenerster, hat einen Punkte verloren, gehört also
streng genommen zur Gruppe der Elo-Verlierer. In Wirklichkeit hat er aber um den
Turniersieg mitgespielt und konnte auch einen Sieg gegen den späteren
Turniergewinner Levon Aronian verbuchen. Carlsens Eröffnungsrepertoire ist leicht
zu beschreiben. Er spielt "alles". Allerdings sind seine Varianten nicht dazu
angelegt - oder nicht vielleicht auch nicht geeignet-, den Gegner von Anfang an unter Druck zu
setzten. So wich Carlsen in der Partie gegen Caruana jeder theoretischen
Diskussion in der Königsindischen Verteidigung aus und spielte mit 5.Lg5 eine
eher seltene Nebenvariante, Später ging der Norweger mit einem positionellen
Qualitätsopfer einiges Risiko - am Ende ging die Partie remis aus. Dies ist ein
Beispiel von mehreren, in denen der 22-jährige riskant und teilweise sehr
spekulativ zu Werke ging, um auf dem Brett ein Ungleichgewicht zu schaffen.
Manchmal hat das gut funktioniert, manchmal rettete er aber am Ende so gerade
nur das Remis,
gegen Karjakin ging es schief. Carlsens Gegner, besonders mit den schwarzen
Steinen, legen es auch nicht unbedingt darauf an, eine spannenden Partie zu
bekommen. Im Gegenteil: wenn möglich wird getauscht und der Ball flach gehalten.
Am Ende reichte es für Carlsen zu einen geteilten zweiten Platz.
Magnus Carlsen beim Fußball
Auch beim Kicker stark
Magnus Carlsen mit Elisabeth Pähtz auf dem Abschlussbankett
Noch besser: Magnus Carlsen mit Tania Sachdev und Elisabeth Pähtz auf dem
Abschlussbankett
Noch besser als Magnus Carlsen war Levon Aronian. Der Armenier gewann nicht
weniger als sieben Partien und überkompensierte damit seine zwei Niederlagen -
gegen Carlsen und ausgerechnet gegen den formschwachen David Navara. Seine
Eloleistung von 2891 bringt ihm 15 Punkte ein und in der Live-Eloliste bis auf
11 Punkte an den führenden Carlsen heran. Aronian pflegt einen ganz anderen Stil
als Magnus Carlsen - vielleicht könnte man diesen am ehesten als druckvoll
positionell bezeichnen. Gegen Nakamura gab er Turm und Läufer gegen Dame,
kassierte mit seinen Offizieren noch zwei Bauern und führte dieses Material zum
Gewinn. Beeindruckende Siege feierte er gegen Anish Giri und Boris Gelfand, wo
er beides mal sein Abgelehntes Damengambit mit Schwarz zum Sieg führte. Gegen Giri sorgte
ein positionelles Qualitätsopfer für anhaltende Probleme im weißen Lager. Im
April wird Aronian einen Wettkampf gegen Kramnik spielen - erstmals in der
Geschichte des Schachs treffen zwei Spieler mit 2800 Elo oder mehr aufeinander.
Anders herum...
Carslen freut sich über seinen zweiten Preis
Caoili und Aronian
Teimour Radjabov und Fabiano Caruana belegen zusammen mit Carlsen die Plätze
zwei bis vier. Der Aseri verlor als Einziger keine Partie und gewann drei mal -
gegen Navara, Karjakin und Gashimov.
Radjabov mit Begleitung
Radjabov gewann weitere 11 Punkte und liegt
nun noch dichter hinter Anand auf Platz fünf der Live-Weltrangliste. Manchmal
hat man aber den Eindruck, Radjabov könnte noch mehr erreichen,
wenn er auch mal etwas riskieren würde.
Fabianao Caruana ist der Überflieger der letzten Monate. In Wijk aan Zee gewann
er 19 Punkte hinzu. Zuvor hatte er auch schon in Reggio Emilia Punkte gesammelt.
In der Live-Liste liegt der beste Italiener aller Zeiten auf Platz zehn und hat
sich um sieben Plätze verbessert. In Wijk gewann Caruana vier Partien und verlor
einmal - gegen Aronian. Einen sehr starken Eindruck hinterließ sein Sieg gegen
Giri. Den Niederländer schob er chancenlos zusammen.
Caruana mit seinem Preis von Johan van Hulst
Johan van Hulst ist 101 Jahre alt
Vassily Ivanchuk gehört ebenfalls zu den Elo-Gewinnern. Mal verliert der
Ukrainer - mal gewinnt er. Aber immer gehört er zum Kreis der Weltspitze. Gegen
Loek van Wely verpasste der bald 40-Jährige einen Sieg. Das bekam die Tür im
Pressezentrum zu spüren, die seine Enttäuschung in Form eines wuchtigen Tritts
entgegen zu nehmen hatte. Allerdings war ein Teil der Tür aus Glas und wies dann ein
großes Loch auf. Ivanchuk gewann gegen Gashimov, Giri und Navara, verlor aber gegen
Gelfand.
Auf die gleiche Punktzahl wie Ivanchuk kam Hikaru Nakamura. Der US-Amerikaner
hatte das Turnier im Vorjahr im großen Stil gewonnen und sich endgültig in der
Weltspitze etabliert. Diesmal kam er aus Reggio Emilia, wo er von Giri noch als
Turniersieger abgefangen wurde. Mit Nakamura kommt immer frischer Wind in ein
Turnier. Der Amerikaner spielt ganz andere Eröffnungen und experimentiert auch
mal. Regelmäßig greif er z.B. zur Holländischen Verteidigung in verschiedenen
Variationen. Das hat dann sogar Carlsen dazu animiert, diese Verteidigung eimal zu
probieren.
Der letzte Elo-Gewinner ist Gata Kamsky. Der Amerikaner, inzwischen wieder nach
Moskau umgezogen, holte sieben Punkte und gewann neun Elopunkte hinzu. Er gewann
drei Partien, u.a. gegen seinen mehrfachen Matchgegner aus Kandidatenwettkämpfen Topalov und verlor
zweimal.
Damit erreichen wir die zweite Turnierhälfte, angeführt von Sergey Karjakin.
Karjakin beim Fototermin
Der gebürtige Ukrainer, inzwischen in den russischen Verband
gewechselt, ist genauso alt wie Magnus Carlsen, geriet aber schon etwas
früher in die Schachschlagzeilen, nämlich als 12-jähriger Sekundant von Ruslan
Ponomariov bei dessen Gewinn der FIDE-Weltmeisterschaft. Seitdem hat das
"Wunderkind" seinem einstigen "Chef" den Rang abgelaufen und sich unter den Top
Ten etabliert, derzeit auf Platz sieben.
Alexander Motylev nimmt Maß
Mit 6,5 Punkten hat Karjakin genau 50% erreicht, allerdings
auf spektakuläre Art und Weise - zehn seiner Partien wurden entschieden. Fünfmal
verließ der russische Großmeister als Sieger den Tisch, und einer der Besiegten
war Magnus Carlsen. Dabei ist Sergey Karjakin eher als besonnener Spieler
bekannt, der es nicht unbedingt auf "Krawall" anlegt. Vielleicht zwangen ihn die
Umstände: Er startete mit zwei Niederlagen, glich danach aus, und musste dann
zwei weitere Niederlagen quittieren.
Loek Van Wely ist der zweite Spieler, der sich in der falschen Hälfte
platzierte. Mit 5,5 Punkten erzielte er als "Elo Underdog" - der Holländer war
der einzige Spieler unter 2700 im A-Feld - einen kleinen Elozugewinn.
Normalerweise will der Tilsiter beim Schach Spaß haben und spiet taktisch
riskant. Diesmal achtete er aber doch auch sehr auf das Ergebnis und wurde mit
11 Punkteteilungen Remiskönig.
Ein schlechtes Turnier verzeichnete Boris Gelfand. Man darf wohl vermuten, dass
der Herausforderer sich angesichts des kommenden WM-Kampfes im Mai in Moskau
versteckt hat und so manches Ergebnis seiner Eröffnungsarbeit für diesen
Zeitpunkt aufspart.
Veselin Topalov ist gegenüber seinen früheren Auftritten in Wijk aan Zee (z.B.:
2006: Zweiter mit einer Elo-Leistung von 2850, 2007: Zweiter/ 2823) nicht wieder
zu erkennen. Er gewann eine Partie und verlor viermal. Seine für seine
Verhältnisse magere Eloleistung von 2672 kostet ihn 18 Elopunkte und sieben
Plätze in der Elo-Liveliste.
Auch Vugar Gashimov wird nicht zufrieden sein. Er machte das gleiche Ergebnis
wie Topalov (5 Punkte) und verlor vor allem gegen die Spieler der oberen Hälfte.
Das könnte auch an Gashimovs Stil liegen, der sehr taktisch geprägt und
spekulativ ist aber bei den ganz starken Spielern vielleicht nicht zum Erfolg
führt.
Das Tabellenende zieren David Navara und Anish Giri. Der
Tscheche kam niemals richtig ins Turnier, kann aber für sich verbuchen,
ausgerechnet gegen Turniersieger Aronian gepunktet zu haben. Anish Giri, reiste
mit dem Turniersieg von Reggio Emilia in der Tasche an, startete ordentlich,
brach aber in der zweiten Turnierhälfte ein.
Das B-Turnier gewann Pentala Harikrishna, der sich damit für das nächste
A-Turnier qualifiziert hat.
Harikrishna
Hariskrishna mit Elisabeth Pähtz
Die drei Frauen im Turnier - Lahno, Cmilyte und Harika,
platzierten sich am Tabellenende und verloren allesamt Elopunkte.
Im C-Turnier setzt sich souverän Maxim Turov durch,
Maxim Turov, li.
... knapp vor Hans Tikkanen. Der Schwede hatte zuletzt viele
starke Ergebnisse. Von den Frauen hielten Pähtz und Sachdev ihr Niveau,
Shopping in Amsterdam
ebenso die jungen Niederländerinnen Haast und Schut, während
Danielian ebenfalls einige Elopunkte verlor.
Die Tafel der Meister
Zum Ende gab es das traditionelle Abschlussbankett mit der berühmten Wijker
Erbsensuppe. Zwischendurch Ansprachen und Siegerehrung, danach Gelegenheit zum "Meet
and Greet"
Kamsky Begleitung, li., neben Batschimeg
Sahaj Grover neben Tochter und Mutter Harika
Elisabeth Pähtz und Tania Sachdev im Partnerlook
Funkenmariechen?
Nach dem Turnier in Wijk aan Zee reisten Anish Giri, Sergey
Tiviakov und Sergey Karjakin weiter nach Den Haag und gaben dort im "Stadhuis"
ein Simultan gegen je vierzig Spieler.
Den Haag
Karjakin freut sich