Rückblick auf Tata Steel 2023 mit Analysen von Giri, Van Foreest, Praggnanandhaa, Donchenko u.v.a. „Special“ zu Anthony Miles. Kasimdzhanov, Marin und Zwirs zeigen neue Eröffnungsideen aus Wijk im Video. 11 Eröffnungsartikel mit Repertoireideen u.v.m.
Roven Vogel untersucht 1.Sf3 d5 2.g3 b6!?
Seit November letzten Jahres fiel mir ein Trend ins Auge, den ich in diesem Artikel gern einmal etwas näher beleuchten möchte. Ich bemerkte, dass zunehmend mehr Spieler nach 1.Sf3 d5 2.g3 das etwas merkwürdig scheinende 2...b6!? wählten.
Die offensichtliche Idee besteht darin, den Lg2 durch einen Gegenpart auf b7 zu neutralisieren. Gleichermaßen möchte sich Schwarz aber noch offenhalten, mittels ...c5 oder ...Sd7/...e5 im Zentrum zu expandieren, was nach der klassischen Fortsetzung mit 2...c6 fast nie möglich ist. Der Artikel gliedert sich hauptsächlich in zwei Richtungen:
1) Weiß zieht früh c4 und leitet in katalanische Stellungstypen über
2) Weiß ignoriert Schwarz und baut sich nach Belieben auf
Bevor ich die beiden Richtungen etwas näher vorstelle, noch etwas Allgemeines. Die meisten Weißspieler dürften mit diesem zweiten Zug noch wenig vertraut sein. Entweder kam er ihnen selber noch gar nicht unter oder sie erachten es als unnötig, sich mit diesem kleinen Zug theoretisch zu beschäftigen. Diese Unerfahrenheit der sonst so erfahrenen Reti-Spieler spielt "uns" in die Karten. Aber selbst wenn dieser Überraschungseffekt irgendwann verpuffen sollte, muss man sich keine Sorgen machen, dass ein klarer Weg zu weißem Vorteil etabliert wird. Weiß kann einiges versuchen, aber mehr als eine ganz leichte Initiative oder unklare Stellungen konnte ich nicht finden. Somit sollte diese Variante auch zu mehr als nur zur Überraschungswaffe taugen. Kommen wir nun zum Inhaltlichen.
Hier bieten Levin,F - Bluebaum,M 0-1und Santos Latasa,J - Alekseenko,K ½-½ einen ersten Eindruck, wie Partien verlaufen können, wenn Weiß zwar zunächst scheinbar energisch mit c4 spielt, danach aber keinen Plan findet und eine eher harmlose Aufstellung folgender Art einnimmt:
Doch Weiß kann natürlich auch den d-Bauern nach d4 ziehen und so in katalanische Strukturen überleiten. Dass diese Strategie auch keinen Vorteil verspricht, sieht man in Kourkoulos Arditis,S - Mastrovasilis,A 0-1
Grandelius,N - Predke,A ½-½ zeigt eine weitere wichtige Idee für Weiß. Nach frühem c4 dxc4 kann Weiß auch versuchen den c4-Bauern durch Sa3 zurückzuerobern.
Nicht nur, dass die Dame hier nicht unter Beschuss gerät, auch der Einfluss im Zentrum (Se5-Ideen) soll gestärkt werden.
Zuletzt möchte ich in diesem Abschnitt noch eine Struktur besprechen, die entstehen kann, wenn Schwarz nach c4 dxc4/Sa3 schon zu ...Lxa3 bereit ist.
Diese Struktur verspricht einen interessanten strategischen Kampf und kam zum Beispiel in der "klassischen" Partie Romanishin,O - Beliavsky,A ½-½ aufs Brett.
Im zweiten Abschnitt möchte ich nun all die möglichen "Nebenvarianten" vorstellen. Duda,J - Wojtaszek,R 0-1 zeigt, dass Schwarz nicht immer zu diesem klassischen Aufbau mit ...e6/...Le7 gezwungen ist, sondern auch zu ...g6/...Lg7 greifen kann, sollte sich Weiß so gar nicht um das Zentrum bemühen.
Eine weitere wichtige Stellung, mit der Sie sich etwas näher befassen sollten, stellt folgende dar:
Hier kann Schwarz zwischen zwei Alternativen wählen, entweder 5...Sf6 oder 5...Sd7. 5...Sf6 hat den Nachteil, dass 6.Se5
gefolgt von c4 möglich wird, wie in der Partie Svane,R - Bluebaum,M ½-½ geschehen.
Der Vorteil von 5...Sf6 gegenüber 5...Sd7 wiederum ist, dass es e4 verhindert. In Efimenko,Z - Eljanov,P 0-1 bespreche ich, dass nach 5...Sd7 6.e4!?
zwar kein großes Problem darstellt, sich aber trotzdem als etwas lästig erweisen kann. Welcher Zug nun präferiert werden sollte, kann ich nicht abschließend beantworten. Es hängt vielmehr vom eigenen Geschmack ab. Objektiv sind beide ok.
Zum Abschluss beschäftige ich mich noch etwas mit der Frage, wie man einem möglichen Königsindischen Angriff entgegnen sollte. Ich komme zu dem Schluss, dass besonders zwei Spielweisen sinnvoll sind. Entweder man fährt eine Wartestrategie wie Schachlegende Leko in Venkatesh,M - Leko,P 0-1, welche sich in Stellungen wie dieser ausdrückt.
Schwarz wartet darauf, dass Weiß frühzeitig mit e5 das Zentrum abschließt, um dann noch lang zu rochieren.
Oder man wählt einen völlig anderen Aufbau der folgenden Art
wie in Efimenko,Z - Eljanov,P 0-1. Beide Wege versprechen Schwarz gutes Spiel gegen den gefürchteten Königsindischen Angriff.
Fazit: Es bleibt spannend zu sehen, wie Weiß in Zukunft versuchen wird, gegen 2...b6!? Vorteil zu erlangen. Bis jetzt sehe ich nicht, in welcher Richtung Schwarz wirklich Probleme haben sollte, und kann daher diese kleine Nebenvariante zumindest als Zweitidee für das eigene Repertoire gegen 1.Sf3 wärmstens empfehlen.
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Rustam Kasimdzhanov: Spanisch
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 Sf6 5.0-0 Le7 6.Te1 b5 7.Lb3 0-0 8.a4 b4 9.a5
Mihail Marin: Evans-Gambit
1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lc4 Lc5 4.b4 Lxb4 5.c3 La5 6.d4 d6 7.Db3 Dd7 8.0-0 Lb6 9.Sbd2
Nico Zwirs: Damengambit Abtauschvariante
1.d4 d5 2.c4 e6 3.Sc3 Sf6 4.cxd5 exd5 5.Lg5 Le7 6.e3 h6 7.Lh4 Lg4
Von Reti bis Königsindisch – das ChessBase Magazin #212 bietet 11 Eröffnungsartikel mit neuen Ideen für Ihr Repertoire!
Vogel: Reti-Eröffnung 1.Sf3 d5 2.g3 b6
Kuzmin: Englisch 1.c4 e5 2.Sc3 Sf6 3.Sf3 e4 4.Sg5 c6
Sumets: Caro-Kann Abtausch 4.c4 Sf6 5.Sc3 e6
Papp: Najdorf 6.Lg5 e6 7.f4 h6 8.Lh4 Db6 9.a3
Santiago: Französisch 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sc3 a6!?
Schandorff: Schottisch mit 4...Lc5 und 7...a5!?
Ris: Italienisch Ulvestad-Variante 5...b5!?
Srinath: Offener Spanier Teil II
Postny: Nimzo-Indisch 4.Sf3 0-0 5.Lg5 c5 6.Tc1
Grigoriants: Katalanisch 6...dxc4 7.Dc2 b5 8.a4
Szabo: Königsindisch 5.Le2 0-0 6.Le3 e5 7.d5
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