Rezension: Damenindische Duelle

von ChessBase
08.01.2016 – Als besonders solide Verteidigung gegen 1.d4 gilt die Nimzowitschindische Verteidigung mit 3.Sc3 Lb4. Wenn Weiß die Fesselung mit 3.Sf3 vermeidet, dann ist die Damenindische Verteidigung mit 3...b6 eine gute Wahl. Auf ihrer DVD "Damenindische Duelle" empfehlen Thomas Luther und Jürgen Jordan die klassische Spielweise. Mehr...

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Rezension

Luther/Jordan - Damenindische Duelle

Von Christian Höthe


Was spielt man, wenn Weiß nach den Zügen 1.d4 Sf6 2.c4 e6 der Einladung zum geliebten Nimzoinder mittels 3. Sf3 ausweicht? In einer Zeit, in der 3.Sf3 beliebter ist als jemals zuvor, muss man sich dieser Frage irgendwann stellen.

3.Sf3 ist durch Monographien wie Avrukhs "1.d4", Band 1, der wohl zur Zeit populärste Zug nach 1.d4 Sf6 2.c4 e6. Es vergeht kaum ein Turnier, in dem nicht einmal wieder die katalanische Folter auf dem Brett steht. Man mag es doch kaum noch sehen, wie die Schwarzspieler wie von einer Python langsam, aber unaufhaltsam in die Mangel genommen werden! ;-)

3.Sf3 ist der Grund, warum die Nachziehenden in jüngerer Zeit wieder zu fast vergessenen Eröffnungen wie Bogo-Indisch, dem Blumfeld-Gambit oder der Ragozin-Verteidigung gegriffen haben. Kramnik griff ab und zu zur verbesserten Tarrasch-Verteidigung, andere zum orthodoxen Damengambit bzw. ließen sich auf Katalanisch ein - wie zum Beispiel Adams mit relativem Misserfolg.

Währenddessen geriet eine der ältesten und bewährtesten Spielweisen fast in totale Vergessenheit - der Dameninder!

Ursprünglich eines von Nimzowitschs vielen gedanklichen Kindern ist der Dameninder aus der modernen Theorie einfach nicht wegzudenken, so rar er sich aktuell auch gemacht hat. Kaum ein Weltmeister, der den Dameninder nicht wenigstens temporär in seinem Repertoire hatte - Capablanca, Aljechin, Euwe, Botwinnik, Smyslov, Petrosian, Spassky, Karpow, Kasparow, Kramnik, Anand, Carlsen. Ein besseres Zeugnis für die Verlässlichkeit einer Eröffnung gibt es nicht, als wenn Weltmeister sie praktizieren!

Die Idee der Autoren, die DVD mit der Auswahl einiger damenindischer Klassiker zu beginnen, um den Appetit des Interessenten zu stimulieren, finde ich dabei sehr gelungen. Wobei mir der damenindische Klassiker schlechthin leider gefehlt hat: Nämlich Nimzowitschs "Unsterbliche Zugzwangpartie", die immer wieder gut anzusehen ist:
 

Sämisch - Nimzowitsch
Copenhagen 1923

1. d4 Nf6 2. c4 e6 3. Nf3 b6 4. g3 Bb7 5. Bg2 Be7 6. Nc3 0-0 7. 0-0 d5 8. Ne5 c6 9. cxd5 cxd5 10. Bf4 a6 11. Rc1 b5 12. Qb3 Nc6 13. Nxc6 Bxc6 14. h3 Qd7 15. Kh2 Nh5 16. Bd2 f5 17. Qd1 b4 18. Nb1 Bb5 19. Rg1 Bd6 20. e4 fxe4 21. Qxh5 Rxf2 22. Qg5 Raf8 23. Kh1 R8f5 24. Qe3 Bd3 25. Rce1 h6 0-1


Die Auswahl der Partien finde ich überaus gelungen. Hier finden sich solch große Namen wie Kramnik, Eljanov, Carlsen, Tiviakov und Grischuk, die die schwarzen Steine verteidigen.

Der Dameninder ist keine strategisch einfache Eröffnung - wenn es denn so etwas überhaupt gibt. Der Nachziehende muss in der Lage sein, mit den unterschiedlichsten Bauernstrukturen spielen zu können - hängende Bauern hier, isolierte Bauern da - und daher schon eine Menge Ahnung von der richtigen Handhabung dieser Strukturen haben.

Die solide Damenindische Verteidigung ist eine scheinbar ewig junge Eröffnung und kann auf vielerlei Arten interpretiert werden, was sie für Spieler aller Klassen so attraktiv macht. Womöglich hagelt es nicht Neuerungen am Fließband, die die Bewertungen kompletter Varianten auf den Kopf stellen, wie das etwa beim Königs- oder Grünfeld-Inder der Fall sein kann. Aber es gab in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten durchaus beachtliche Entwicklungen auch im Dameninder.

Bei dem Versuch, das Gewinnpotenzial des früher oft als Remiseröffnung verpönten Dameninders zu erhöhen, kristallisierten sich im Laufe der letzten Jahre neue Ideen heraus, unter anderem der Trend, den Königsläufer zu fianchettieren in Abspielen, in denen er "früher" ganz selbstverständlich nach e7 gestellt wurde!

Ein erster Trend dazu fand sich unter anderem in

Kasparow - Kortschnoi
1983

1.d4 Nf6 2.c4 e6 3.Nf3 b6 4.Nc3 Bb7 5.a3 d5 6.cxd5 Nxd5 7.e3 g6 8.Bb5+ c6 9.Bd3 Bg7 10.e4 Nxc3 11.bxc3 c5 12.Bg5 Qd6 und 0-1 nach 52 Zügen.

Dieser Trend wurde von Großmeister Adorjan in seinem "Black is okay" aufgegriffen und ausführlich analysiert. Später wurden ähnliche Strukturen auch auf andere Systeme im Dameninder übertragen, was zu einer Dynamisierung dieser Eröffnung führte und auch Kasparow dazu brachte, die schwarzen Steine zu verteidigen:

Gelfand - Kasparow
Novgorod 1997

1.d4 Nf6 2.c4 e6 3.Nf3 b6 4.a3 c5 5.d5 Ba6 6.Qc2 exd5 7.cxd5 g6 8.Nc3 Bg7 9.g3 0-0 10.Bg2 d6 11.0-0 Re8 12.Re1 Nbd7 13.h3 b5 14.e4 Qc8 15.Bf4 b4 16.Na4 b3 17.Qxb3 Nxe4 18.Qc2 Ndf6 19.g4 Qd7 20.g5 Nh5 21.Bh2 f5 22.Nc3 Rab8 23.Rab1 Bxc3 24.bxc3 Rxb1 25.Rxb1 Bc4 26.Nd2 Nxd2 27.Qxd2 f4 28.Re1 Re5 29.Re4 Rxe4 30.Bxe4 Qxh3 31.Bg2 Qg4 32.Qe1 Ng7 33.f3 Qxg5 34.Qb1 Nf5 35.Qb8+ Kg7 36.Qxa7+ Kh6 37.Qf7 Bf1 38.Kxf1 Ne3+ 39.Ke1 Qh4+ 40.Ke2 Qxh2 41.Kd3 Nf5 0-1

Das Autoren-Team mit Großmeister Thomas Luther und Jürgen Jordan beschäftigt sich recht ausführlich mit dieser noch recht frischen Idee und überlässt dem Käufer die Wahl, sich zwischen den klassischen Spielweisen mit Le7 oder modernen Abspiele mit der Läuferentwicklung ins Königsfianchetto zu entscheiden! Als eine der modernen Hauptvarianten des Dameninders hat sich die Zugfolge 4.g3 Lb7 5.Lg2 g6!? 6.0-0 Lg7 herauskristallisiert, die zu inhaltsreichem Spiel führt.

Letzteres bringt es mit sich, dass sich die Bandbreite der möglichen Bauernstrukturen um Grünfeldindische und Benoni-artige erweitert, ebenso wie das Eröffnungsrepertoire des Anwenders, der seine Gegner mit der Wahl der jeweiligen Variante überraschen kann und damit weniger leicht auszurechnen ist!

Gut gefallen hat mir auch die Behandlung der Nebenvarianten 4. Lg5, 4. Lf4 und 4. e3, wobei die Autoren dem Käufer einen Bonus mitgeben, indem sie auch den Versuch des frühen Katalanen mittels 1.d4 Sf6 2.c4 e6 3.g3 - damals der normale Weg, die Katalanische Eröffnung zu erreichen - besprechen, der es unmöglich macht, den Dameninder zu erreichen. Hier empfehlen Luther und Jordan den Bogoindischen Zug 3. ...Lb4+, dem Carlsen und Eljanov ihr Vertrauen ausgesprochen haben.

20 Testfragen runden die DVD "Damenindische Duelle" zu einem wundervollen Gesamtpaket ab, deren Laufzeit fast 5 Stunden beträgt! Da kann man sich nur auf die nächste DVD der beiden freuen. 

Fazit: Luther und Jordan gelingt es vorbildlich, den Dameninder aus einem relativen Schattendasein heraus zu führen! Eine tolle DVD zum Thema Damenindisch, die in naher Zukunft inhaltlich nicht zu toppen ist!

 

 

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