Rezension: Robert Ris: Extreme Calculation Training

von Melik Kramer
03.01.2019 – "Was für den Ausdauersportler Kondition bedeutet, ist bei Schachspielern die Variantenberechnung", meint Melik Kramer in seiner Rezension zu Robert Ris' DVD "Extreme Calculation Training" und stellt einige wirklich hübsche Beispiele daraus vor.

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Robert Ris: Extreme Calculation Training

Was Kondition bei Ausdauersportlern ist, ist Variantenberechnung bei Schachspielern. Ohne sie geht nichts. Und sehr oft kommt man in der häuslichen Analyse einer Partie mit Hilfe des Computers zu der Erkenntnis, dass man eine taktische Wendung nicht gesehen, bzw. in einer Stellung zu wenig weit gerechnet hat. Dem will der holländische IM Robert Ris mit seiner zweiten DVD zum Thema Variantenberechnung Abhilfe schaffen. Ris gliedert seine DVD in zwei Teile. Der erste umfasst den theoretischen Teil, der zweite bietet 50 interaktive Übungen.

Bereits in „Calculation Training“ legt Ris großen Wert auf das Thema der erzwungenen Züge (forcing moves). Damit meint der Autor Züge, die dem Gegner nur eine bestimmte Art zu antworten erlauben und sich deshalb auch gut zur Variantenberechnung eignen . Beispielsweise wenn man Schach gibt und der Kontrahent darauf nur die Schach bietende Figur schlagen kann. Solche forcierten Varianten sollten laut Ris eigentlich immer berechnet werden. Sehr lehrreich finde ich sowohl im Theorie- als auch im Übungsteil, dass immer auch Partien des Autors verwendet werden. Hier beschreibt er sehr ausführlich und kritisch den Denk- und Entscheidungsprozess, den er während des Wettkampfs durchlebt hat. Mal mit positivem Ausgang für ihn, mal für den Gegner.

Danach widmet er sich dem Thema Zwischenzug. Darunter fallen z.B. Gegendrohungen, das Schlagen anderer Figuren oder ein Zwischenschach. Diese Zwischenzüge können das Geschehen komplett auf den Kopf stellen. Oft nimmt man ja automatisch, wenn der Gegner einen Bauern oder eine Figur geschlagen hat, zurück. Vielleicht sollte man es sich zur Gewohnheit machen und kurz 30 Sekunden nochmals die Stellung betrachten, bevor man zurückschlägt. Dabei gilt es natürlich immer auch die Zwischenzüge des Gegenübers auf der Rechnung zu haben.

Sehr beeindruckt hat mich das Thema der „stillen Züge“. Was darunter zu verstehen ist schauen wir uns am besten anhand der Partie Morozevich-Aronian, Linares 2007 an. Auch hier beginnt alles mit erzwungenen Zügen. Aber der eigentliche Todesstoß ist der stille Zug 41. Kh4, der eigentlich jeglicher Schachlogik widerspricht, erlaubt er doch dem Schwarzen eine Figur mit Schachgebot zu schlagen.

 

39. Dd8+ (in der Partie geschah 39.fxg6) 39....Kg7 40.f6+ Kh6 und nun 41. Kh4!!

Und wahrscheinlich nicht nur für mich ist das Nonplusultra der stillen Züge der Zug 44. Kg1 in der Partie Khismatullin – Eljanov, Jerusalem 2015. Jeder, der sich 2015 für Schach interessierte, ist schon mal über diesen Zug gestolpert.

 

44.Kg1!! Dieser stillste aller stillen Züge ging wie ein Paukenschlag durch die Schachwelt! Weiß nahm den Turm, doch der weiße König wird mit Hilfe des Bauern f4 von der Dame matt gesetzt: 44...Dxd1+ 45.Kh2 Txc6 46.De7+ Kh6 47.Df8+ Kg5 48.Dxf7! Rf6 49.f4+ Kh6 50.Dxf6 De2 51.Df8+ Kh5 52.Dg7 h6 53.De5+ Kh4 54.Df6+ Kh5 55.f5 gxf5 56.Dxf5+ Kh4 57.Dg6 1-0

Eine wichtige Ressource im Repertoire eines Schachspielers sollte neben all den aktiven Angriffsbemühungen auch immer die Verteidigung sein. Wie aber auch die aktiv gestaltet werden kann, zeigt Ris anhand einer Partie des dänischen Weltklassespielers Bent Larsen.

 

Anstatt mit dem wirklich schwer zu findenden stillen Zug 33.Dg7 den Punkt einzufahren, spielte Weiß 33.Sxf7+. Genießen Sie die Verteidigung von Larsen!

33.Sxf7+ Kg4 34.Txd2 Txd2 35.f3+ Kh3 36.Dc8+ Dg4 37.Sg5+ Txg5 38.fxg4 Tg2+ 39.Kh1 Tc5 40.Dd8 Txh2+ 41.Kg1 g5 42.Tb1 0-1

In der DVD wird noch das Erkennen von Mattmotiven besprochen, das man am besten auch mit Hilfe von Taktikaufgaben und Studien einüben kann. Immer wieder gibt der Autor praktische Tipps, die ihm in seinen Partien oder seinem Training helfen.

Im anschließenden Trainingsteil bekommt man 50 interaktive Aufgaben serviert. Gut finde ich, dass man nicht weiß, um welches Thema es geht. Soll verteidigt, angegriffen, oder ein stiller Zug gefunden werden. Aber eins ist sicher: Gerechnet werden muss auf jeden Fall. Und Ideen für die Variantenberechnung bekommt man genug geliefert.

Abschließen möchte ich diesen Beitrag zum Thema "hätte-hätte-Fahrradkette":

Welches taktische Feuerwerk man bei der letzten Schach-WM hätte erleben können, zeigte Vishy Anand in seiner Partie gegen Caruana beim Sinquefield Cup 2017.

 

In der Ausgangsstellung spielte Anand 22.exf6. Danach folgten einige erzwungene Züge 22….Txe2 23.f7+ Kf8 24.Lxg7+ Kxg7 25.Dc3+ Te5 und nun der stille Hammer 26.Dd4!!, um den Tc2 zu aktivieren. In der Partie geschah noch 26…Dg5 27.Tc5 Txd4 28.f8D+ Kg6 29. Df7+ Kh6 30.Tf6+ und 1-0.

Insgesamt ein sehr instruktiver und unterhaltsamer Beitrag zum Thema Variantenberechnung.

Extreme Calculation Training

Zwischenzüge, ruhige Züge, Opfer auf leeren Feldern, Mattmuster, das Ignorieren einer Drohung, Berechnung in der Verteidigung und die Methode des Vergleichens werden besprochen. Danach warten 50 interaktive Aufgaben zum Testen auf Sie.

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Melik Kramer, spielt seit seinem 12-ten Lebensjahr Schach. Lebt seit 2017 auf Teneriffa und sitzt dort für den Club Ebano Casa Venezuela in der 1. Liga am Brett.

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