ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
„Strategie und die Kunst zu leben – Von einem Schachgenie lernen“
Nichts für Manager, für Schachspieler
dagegen eine Fundgrube
Kasparows neues Buch, vorgestellt von Hartmut Metz
Garry Kasparow hat schon immer gewusst, was richtig und falsch ist – zumindest
nach seinem früheren Selbstverständnis. Auf dem Brett mit den 64 schwarzen und
weißen Feldern traf dies meist zu. Der beste Schachspieler der Welt verfiel
dadurch dem Irrglauben, seine Analysekunst gelte für alle Bereiche des Lebens.
In dem unterliefen dem 44-Jährigen aber zu viele Patzer im Vergleich zu seiner
Kunst, die kleinen Holzfiguren zu dirigieren. Der neue Buchtitel des Russen,
„Strategie und die Kunst zu leben – Von einem Schachgenie lernen“, ließ schlimme
Plattitüden befürchten. Auch, weil das Werk mit „Von Garry Kasparow lernen
heißt: Siegen lernen“ beworben wurde. Abgesehen davon, dass der alte sowjetische
Kommunistenjargon überhaupt nicht zu ihm passt und deshalb kaum von ihm selbst
stammen kann, verspricht der schlecht übersetzte US-amerikanische Originaltitel
„How chess imitates life“ dem Käufer deutlich weniger. Ungeachtet dessen hat der
Piper Verlag Kasparows Möchtegern- Ratgeber mit einer äußerst ambitionierten
Auflage von 30 000 Exemplaren auf den deutschsprachigen Markt geworfen. Mit
einer kleinen Werbetour in Zürich, auf der Leipziger Buchmesse, auf der Lit.
Cologne und in Berlin samt nachgeholtem ARD-Auftritt bei Quasseltante Sabine
Christiansen kurbelte der Werbeprofi in eigener Sache die Nachfrage
gekonnt an. Lohnt die Ausgabe von 19,90 Euro für ein Buch, das
bedauerlicherweise in alter deutscher Rechtschreibung verfasst wurde?
Die Kundschaft, die begeistert und die, die enttäuscht sein wird, ist leicht
einzuteilen: Manager lassen besser die Finger davon. Dass Talent allein in ihrem
Job nicht reicht und Entscheidungsfreude sowie Logik von ihnen gefordert werden,
haben sie vielleicht schon irgendwann mal zuvor mitbekommen. Oder dass eigene
Schwachstellen zu erkennen und auszumerzen sind. „Sich seiner selbst bewusst zu
sein, ist absolut unerlässlich, wenn man Wissen, Erfahrung und Talent zur
bestmöglichen Leistung zusammenführen will“, heißt es etwa auf Seite 22.
Auf derlei Banales kann selbst der mit oberen Firmenkreisen nicht vertraute
Schachfan gut verzichten. Für ihn wird sich, so er Kasparow-Anhänger ist, die
Lektüre dennoch lohnen. Der zwei Jahrzehnte lang dominierende Großmeister
verklärt zwar weiter hie und da die Geschichte; beispielsweise bei seinem
abgebrochenen ersten WM-Match gegen Anatoli Karpow. Sich selbst erhöht der Autor
weiter zum „Rebellen“ gegen das System, während sein Widerpart zum
„Kollaborateur“ degradiert wurde. Von seiner starken Unterstützung durch die
aserbaidschanische KP liest man dagegen nichts auf den zusammen mit seinem
US-Hofschreiber Michael „Mig“ Greengard verfassten 384 Seiten. Die Verklärung
und falsche Berichterstattung setzt sich beim Thema Computerschach und Kasparows
unrühmlicher Schlappe gegen Deep Blue fort. In solchen Momenten ist auch der
Schachbegeisterte geneigt, das Buch für alle Zeiten beiseite zu legen und im
Regal vor sich hinstauben zu lassen. Das werden im Übrigen Manager spätestens
dann machen, wenn Kasparow unter „Der Teufelskreis der Zeitnot“ ab Seite 69
ausführlich über seine legendäre Partie gegen Veselin Topalov in Wijk aan Zee
schreibt. Für Laien sind diese Ausführungen fruchtlos und langweilig. Den
Schachspieler mag es animieren, das Duell aus der Datenbank zu fischen und
nochmals Revue passieren zu lassen.
Wer trotz der Allgemeinplazets zu den Manager-Erfordernissen durchhält, wird
mit immerhin einigen neuen, interessanten Details aus der Schachszene belohnt.
Damit sind nicht die farblich unterlegten Kästen gemeint, in denen Kasparow kurz
und prägnant das Schaffen der Weltmeister und einiger herausragender
Protagonisten wie Dr. Siegbert Tarrasch zusammenfasst. Amüsant fällt die
Stilbeschreibung von Tigran Petrosjan aus: „Für mich ist Petrosjan ein
Held der Untätigkeit“, formuliert der 13. Weltmeister der Schachgeschichte und
lässt auf der nächsten Seite ein Bonmot von Boris Spasski folgen. Vor einem
Duell mit Petrosjan in Jugoslawien riet ihm der 11. Weltmeister zu „stetigem
Druck auf kleiner Flamme. Nie werde ich Spasskis Formulierung vergessen: ,Pack
ihn an den Eiern, aber greif dir immer nur eins, nie beide auf einmal.’“
Gelegentlich erlaubt der 44-Jährige auch private Einblicke zu seinem Sohn und
welche Computer-Spiele dieser gegen seinen Herrn Papa bestreitet. Nur wenigen
dürfte auch bekannt sein, dass Kasparow die Bücher von Winston Churchill zu
„meiner absoluten Lieblingslektüre“ zählt. Selbst Karpow und sein WM-Bezwinger
bekommen, nach früheren Tiraden, nun gelegentlich ein dickes Lob gezollt! Und,
man glaubt es bei dem Mann mit dem übergroßen Ego kaum, nach dem Ende seiner
sportlichen Karriere scheint sich auch bei ihm die Erkenntnis Bahn gebrochen zu
haben, dass man als Ausnahmekönner kaum in einem zweiten Metier ähnlich
herausragend agiert. „Natürlich sagen manche Schachspieler, eine Schachbegabung
deute auf große Intelligenz, ja Genie hin. Leider spricht wenig für diese
Theorie“, räumt das Schach-Genie ein und mit der Verklärung auf, die Großmeister
besäßen Hirne mit überwältigenden Speichern. Weitere Sätze wie „Leider stellen
wir mit zunehmendem Alter unsere Ressourcen immer seltener auf die Probe und
entdecken keine weiteren Begabungen“, beweisen zumindest eines: Kasparow selbst
hat Nutzen aus dem Buch gezogen und neue Erkenntnisse gewonnen. Mancher Leser
kann es ihm vielleicht doch gleichtun.
Strategie und die Kunst zu leben – Von einem Schachgenie lernen;
Garri Kasparow/ Mig Greengard
© Piper Verlag, 384 Seiten,
19,90 Euro; ISBN: 9783492047852.