Rezension zu Mihail Marin: French Structures Vol. 2

von ChessBase
12.08.2022 – Im zweiten Band von Mihail Marins interaktivem Fritztrainer zu den Strukturen der Französischen Verteidigung stehen die typischen Strategien im Vordergrund. Im Diagramm aktiviert Schwarz auf überzeugende Weise das französische Sorgenkind, den weißfeldrigen Läufer. Philipp Hillebrand hat sich auch diese DVD angesehen.

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Von Philipp Hillebrand

Rezension zum Fritztrainer French Structures, Tactics and Plans Vol. 2 von GM Mihail Marin

Eine generelle Einleitung zum vorliegenden Fritztrainerduo habe ich bereits unter Vol. 1 gegeben. Hier aber dennoch einmal in Kürze das Wesentliche: Der erste Teil beschäftigt sich weitestgehend mit den wichtigsten taktischen Motiven um diverse Figurenopfer mit dem Ziel den gegnerischen König zu attackieren. Die technische Neuheit liegt darin, dass die neuesten Produkte aus dem Hause ChessBase nunmehr in Form des Streamings angeschaut werden können. Das bedeutet, dass man nach Kauf eines Produktes lediglich noch einen Browser benötigt, um sich seine Käufe anzuschauen. Das ist für eine kleine Pause in der Schule, der Uni oder einer Zugfahrt Gold richtig, um seine Zeit sinnvoll zu nutzen!

Die Französische Verteidigung - Strukturen, Taktik und Pläne Band 2

Dieser Videokurs ist als taktischer Leitfaden für Schwarz gedacht und zeigt die typischen Kombinationen für Strukturen in der Französischen Verteidigung.

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Der zweite Band widmet sich inhaltlich folgerichtig den eher strategisch angehauchten Elementen und Opferwendungen. Dies geschieht oft in Form eines Figurenopfers im Zentrum, wodurch meist eine langfristige Initiative entsteht. Wesentliche Ideen der Kompensation liegen darin begründet, dass die gegnerischen Figuren in diesen Momenten schlecht koordiniert sind und eine Bauernlawine nicht selten einen Gegenspieler erdrücken kann. Folglich ist dieser Fritztrainer sehr übersichtlich gegliedert in die folgenden Themenkomplexe:

1. Einschläge/ Opfer in die Bauernkette e6-d5-c4

2. Einschläge/ Opfer in die Bauernkette e5-d4-c3-b2

3. Der „französische Läufer“ Lc8 und

4. Der „französische Isolani“

Was ich wiederum beachtlich finde ist die Tatsache, dass der eloquente GM aus Rumänien Beispiele gewählt hat, welche nicht wirklich bekannt sein dürften, sind doch in den meisten Übungsbeispielen Spieler beteiligten, welche weder Elitespieler noch Großmeister sind, was bedeutet, der Autor hat viel Material gesichtet und ausgewertet um ansprechendes Material zusammenzustellen. Freilich werden aber auch Beispiele der besten Spieler der Welt behandelt:

 

Diese Stellung stammt aus der Partie Almasi, Z – Knaak, R, ½ (41), Altensteig 1993.

Die eben angesprochene Koordination scheint bei den schwarzen Figuren aktuell nicht gegeben zu sein. Aufgrund der gesunden Struktur des Nachziehenden sollte der Anziehende jedoch beherzt zu Werke gehen, was er auch tat mit Hilfe eines Figurenopfers. Zunächst bekommt der Anziehende lediglich zwei Bauern nach dem Einschlag auf c4, allerdings sind insbesondere das Feld d6 der Schlüssel für die weiße Kompensation.

Die Stellung ist sehr komplex, sodass auch die beiden beteiligten Großmeister sich irrten. Die Erläuterungen des Autors tragen jedoch dazu bei, dass man als Zuschauer dank gut gestellter Fragen und Hinweise den Kern der Stellung erfassen kann. Daraus lässt sich bereits ableiten, dass Opfer dieser Art nicht wirklich „bis zum Ende“ berechnen lassen. Oft ist es bereits ausreichend, ein gutes Gespür für die Möglichkeiten zu entwickeln (sprich worin liegt die Kompensation nach einem langfristigen Opfer), und dafür bietet sich das Analysieren von einprägsamen Beispielen bei. Allerdings gibt es keine Patentrezepte im Schach und konkrete Berechnung ist immer hilfreich:

 

Diese Stellung stammt aus der Partie Hug, W – Portisch, L, 0-1 (44) Petropolis 1973.

Der Anziehende hat sich gemäß der „Faustformel“ zu einem Springeropfer auf d5 hinreißen lassen. Auf den ersten Blick sieht es auch vielversprechend aus wegen der Drohungen gegen den Punkt f7 und der Nc4 ist auch noch in Gefahr. Allerdings erlaubte es der Konter 19…Le6! Dem Nachziehenden das Heft des Handelns selbst in die Hand zu nehmen. Das Zwischenfazit lautet also, dass intuitive Opfer zwar oft, aber nicht immer ausreichend sind.

Ein weiteres Beispiel zum Thema Koordination sieht man hier:

 

In der Partie Kortschnoj, V – Udovcic, M, 1-0 (31), UdSSR 1967.

Aufgrund der Tatsache, dass der Nachziehende nicht rochiert hat, ergeben sich schöne Motive und sogar Mattbilder. Die Legende setzte an dieser Stelle mit 24. Sxg5!? fort, wobei eine schöne Pointe in 24…Ke8 25.Lb5+ Ld7 26.Sxe6 bestand. Die Annahme der Dame führt zum Matt und nach 26…fxe6 führte das Heranführen der Reserve 27.Dh5+ Kf8 28.Tc3 zum Erfolg. Ob Viktor der Schreckliche alles berechnet hat bis zu einem klaren Gewinn, vermag ich nicht zu sagen und der Autor gibt dazu auch keine Einschätzung, aber das Betrachten der aktiven weißen Figuren und die prekäre Lage des schwarzen Monarchen regen dazu an, solche Opferwendungen zu betrachten.

Im zweiten Teil dieses Fritztrainers werden dann die Opfereinschläge des Nachziehenden entlang der besagten Bauernkette betrachtet:

 

Diese Stellung entstammt der Partie Reshevsky, S – Vaganian, R, 0-1 (28), Skopje 1976. Die Stellung des weißen Regenten lässt bereits nichts Gutes erahnen und der damals junge Großmeister aus Armenien, welcher später in der deutschen Bundesliga zum Urgestein wurde, setzt hier mittels 14…e5 zur Königshatz an und hatte damit Erfolg dank wunderschöner Wendungen. Diese Partie ist meines Erachtens ein „Klassiker“ und sollte in voller Länger von jedem Anhänger der Französischen Verteidigung mindestens einmal betrachtet werden.

Auch in Endspielen sind Erschütterungen der weißen Bauernkette möglich, wobei die Aktivität der restlichen Figuren wiederum ausschlaggebend ist für eine erfolgreiche Operation:

 

Hier hat der Autor in der Partie De Rosa, M – Marin, M, 0-1 (50), Capri 2018, mittels 36…Sxb2! 37.Sxb2 Dxc3 zunächst nur zwei Bauern für die geopferte Figur erhalten, aber die Figuren der Anziehenden waren sehr unglücklich postiert und bald hatte der Autor dieses Fritztrainers vier Bauern für die geopferte Figur und schickte einen Davon auf die Reise zur gegnerischen Grundreihe.

Im dritten Teil wird das notorische Sorgenkinde der Französischen Verteidigung unter die Lupe genommen.

Hierfür präsentiert der Autor sechs Beispiele, wovon fünf die Entwickelung des Läufers über das Feld e8 beinhalten:

 

In der Begegnung zwischen Spassky, B – Kortschnoj, V, 0-1, (41) Kandidatenturnier 1976 sah es aus aktueller Brettstellung nicht danach aus, als hätte der Ld7 eine rosige Zukunft, aber die hatte er dank der geschickten Führung durch den Nachziehenden. Oft soll der Läufer via e8 nach h5 gelangen, um bei Bedarf einen Sf3 zu nehmen, wodurch der Nachziehende seinen Einfluss auf den schwarzen Feldern erhöhte. Es kann aber auch angebracht sein, den L nach g6 zu überführen, wo der sowohl defensive Aufgaben bekommt (Deckung des Punktes h7) oder auch aktiv in dem Kampf um die Diagonale b1-h7 eingesetzt wird, beispielsweise um das Eindringen eines Turmes auf c2 voranzubringen oder sogar um in einem Endspiel den weißen Damenflügel Bauern mittels …Lb1 in den Rücken zu fallen.

Das andere Beispiel betrachtet die Aktivierung des Läufers über die Diagonale f1-a6, welche zwar auch wichtig ist zu kennen, jedoch nicht ganz so effektiv wie die Aktivierung via e8 erscheint.

Eine Verbindung zum ersten Teil bietet das Folgende Beispiel:

 

In der Partie zwischen Kovalev, V – Lupulescu, C, 0-1 (38), Batumi 2019 hatte der Nachziehende bereits sehr elegant umgruppiert und setzt nun mit dem aus dem ersten Teil bekannten Schlag 17…g7-g5! fort. Der schwarze Le8 erwacht zum Leben die sich öffnenden Linien gegen die weiße Königsstellung versprachen dem jungen GM aus Rumänen das deutlich bessere Spiel.

Der vierte und letzte Teil beinhaltet laut GM Marin dessen Lieblingsthema, den isolierten schwarzen Bauern auf d5. Er Mag diese Stellungen deshalb, weil sie dem Nachziehenden aktives Figurenspiel versprechen und oft Angriffe auf den weißen König ermöglichen. Meist entsteht ein Isolani aus der Abtauschvariante (1.e4 e6 2.d4 d5 3.exd5 exd5 und später …c7-c5) oder der sog. Tarraschvariante (1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 c5):

 

In der Partie zwischen Simacek, P – Jobaava, B, 0-1 (24), Legnica 2013 demonstrierte der kreative Angriffskünstler aus Georgien, wie bedrohlich die schwarzen Figuren bereits postiert sind und mittels eines Figurenopfers bereits der entscheidende Angriff erfolgte. Die Dame des Nachziehenden vollführte dabei eine beeindruckte Reise in kleinen Schritten auf den Feldern d6-e6-e5-f5 mit dem Ziel die weiße Dame zu erobern! Ein schachlicher Leckerbissen wie die Partie Von Rafael Vaganian gegen Samy Reshevsky.

Die scheinbare Schwäche des schwarzen Bauern d5 verleitet einen Anziehenden mitunter zu einer falschen strategischen Entscheidung mit Fatalen Folgen:

 

Der Autor bemüht hier ein weiteres Schaffen aus seiner Hand, was ich aber mehr als gerechtfertigt finde, denn dies zeigt zum Einen, dass der spielt was er einem Schachlernenden nahelegt und zum anderen, weil er so die Gedankengänge explizit wiedergeben kann. In seiner Partie gegen Guillermo Baches Garcia tauschte der erfahrene GM auf d4 einen Springer mit einer diabolischen Absicht. Wenn man als Anziehender in dieser Struktur keine Gefahr für die eigene Stellung vermutet, dürfte das Zurückschlagen mit dem eigenen Springer nicht viel „Rechenarbeit“ erfordert und aus allgemeiner Erwägung heraus führt man den Zug 13.Sxd4 aus, wonach das Qualitätsopfer auf e2 einer sehr kalten Dusche gleichkommt. Dem Anziehenden gelang es nicht, sich sinnvoll aus der Fesselung zu befreien, was einen entscheidenden Materialvorteil am Ende des Tages für den Nachziehenden bedeutete.

Andere Beispiele haben weitere Französisch Experten wie Wolfgang Uhlmann oder Vereslav Eingorn als Protagonisten und bieten wiederum dank der sehr guten didaktischen Fragen des Autors hervorragendes Trainingsmaterial!

Die Französische Verteidigung - Strukturen, Taktik und Pläne Band 2

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Die Französische Verteidigung - Strukturen, Taktik und Pläne Band 1 & 2 plus Powerbook/base

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Fazit:

Wie der erste Teil der Serie setzten die sorgfältig ausgewählten Beispiele und didaktisch hervorragend aufbereiteten Erläuterungen und Fragestellungen einen Leser dazu in die Lage, die Französische Verteidigung aus einem vertieften Blickwinkel zu betrachten. Viele Spieler empfinden diese Verteidigung als reizvoll, integrieren sie aber vermutlich nicht in ihr Repertoire wegen der Abtauschvariante. Nach dem Studium des Materials kann ich mir vorstellen, dass viele Schachfreunde dann anders denken werden und sich sogar freuen, wenn sie 3.exd5 präsentiert bekommen. Der Titel der Serie hält definitiv das, was er verspricht und die Themen um taktische Motive, Bauernketten, typische Manöver u.v.m. werden ausführlich vom Autor besprochen.

Auch dieser Fritztrainer hat 27 ausgewählte Stellungen, welche man gegen eine Engine ausspielen kann, damit man seine erlernten Fertigkeiten und Kenntnisse überprüfen kann.

Ohne Einschränkungen kann ich eine Kaufempfehlung aussprechen.

 


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