Robert Fischer 1970 (IV): Doch nicht so einfach

von Günther Langhanke
11.09.2019 – Der Bericht über das wiederentdeckte Simultan von Robert Fischer 1970 bei Caissa Münster hat bei einigen, die damals dabei waren, Erinnerungen geweckt. Günther Langhanke hatte den kommenden Weltmeister damals abgeholt. Ganz so einfach war es aber nicht, ihn nach Münster zu bringen.

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Der Artikel von André Schulz über Bobby Fischers Simultan in Münster 1970 hat alte Erinnerungen in mir wach gerufen, war ich doch derjenige, der Fischer in Siegen abgeholt und am nächsten Tag auch wieder zurückgebracht hat. 

Ich war damals 22 Jahre alt und Student der Betriebswirtschaft in Münster. Bei der Schacholympiade in Siegen war ich als Helfer beteiligt (Otto Borik, Chefredakteur von Schachmagazin 64 übrigens auch). Unsere Aufgabe war es, für leserliche Notationen der gespielten Partien zu sorgen, die dann noch in der Nacht für das Bulletin gedruckt wurden.

Weil ich gerade von einem Englandaufenthalt zurückgekommen war, galten meine Englischkenntnisse als ausreichend und unser Vorsitzender Norbert Rauch bat mich, Fischer am 27. September 1970 in seinem Hotel abzuholen und dann mit dem Zug nach Münster zu bringen. Diese Aufgabe gestaltete sich nicht so einfach, wie vielleicht gedacht. Deshalb möchte ich noch den wirklichen Ablauf ergänzen.

Beinahe hätte es nämlich nicht geklappt.

Ich traf um die Mittagszeit in Fischers Hotel in Siegen ein. Das Personal im Hotel hat um diese Zeit nicht etwa gezögert, Fischer auf seinem Zimmer anzurufen. Der Rezeptionist hat den Anruf beim exzentrischen Amerikaner schlichtweg verweigert.

Immerhin hat er mir Fischers Zimmernummer gegeben und mir den Telefonhörer in die Hand gedrückt, so dass ich mein Anliegen unter der Erwähnung des Namens "Hort" vorbringen konnte. Fischer versprach gleich unten zu sein und ich bat den Rezeptionisten ein Taxi zum Bahnhof zu bestellen.

Nach 10 Minuten war Fischer immer noch nicht aufgetaucht. Ich saß auf heißen Kohlen und startete unter den missbilligenden Blicken des Rezeptionisten einen zweiten Versuch, in dem ich auf den bald abfahrenden Zug hinwies. Wieder versprach Fischer gleich zu kommen. Tatsächlich erschien er keine zwei Minuten später mit einem Schachinformator in der Hand als einzigem Utensil.

Nun stellte sich heraus, dass das Taxi keineswegs vom Personal bestellt wurde. Man hielt das offensichtlich für überflüssig, da niemand dort damit rechnete, dass Fischer seine Zusage einhalten würde. 

Glücklicherweise war inzwischen ein amerikanischer Schachenthusiast aufgetaucht, der die Gelegenheit nutzte und uns anbot, uns mit seinem Auto nach Münster zu bringen. Das wollte Fischer aber nicht. So überredete ich den Amerikaner uns wenigstens zum Bahnhof zu bringen, wo ich auch noch die Fahrkarten  kaufen musste. Den Zug haben wir dann auf den letzten Drücker erreicht, aber ich war ganz schön ins Schwitzen gekommen.

Während der Fahrt zeigte sich Fischer sehr gesprächig und erkundigte sich immer wieder nach deutschen Radiogeräten und deren technischen Details. Die Partie Uhlmann - Spassky wurde mit Hilfe seines Brieftaschenschachspiels analysiert, wobei er einen möglichen Gewinn für Uhlmann nachzuweisen versuchte (die Partie endete remis). Ich hatte diese Partie für das Bulletin mitgeschrieben und auch die anschließende Analyse der beiden Spieler aufmerksam verfolgt, so dass ich auch etwas zu Fischers Analyse beitragen konnte.

Günther Langhanke, links von Robert Fischer, rechts Norbert Rauch

Auch nach der Simultanveranstaltung zeigte Fischer sich sehr umgänglich. Nach dem Simultan gingen wir gemeinsam zusammen mit einigen anderen Teilnehmern (ich weiß nicht mehr alle Namen) noch in ein chinesisches Restaurant essen. 

Auf die Frage, wer der wohl der stärkste Gegner gewesen sei, nannte er den Gegner seiner Remispartie, Ulrich Nehmert. Seine Einschätzung traf zu, denn Ullrich Nehmert war tatsächlich unser stärkster Spieler zu jener Zeit. 

Vor allem hat Fischer offensichtlich gefallen, dass wir alle jünger waren als er. Bis auf Norbert Rauch waren wir alle Studenten - und dementsprechend locker gingen wir mit ihm um. Es waren einfach nicht die üblichen "Honoratioren" anwesend, die er wohl von seinen sonstigen Veranstaltungen kannte.

Nachdem ich ihn am nächsten Tag heil in das Hotel in Siegen zurückgebracht hatte, bedankte er sich bei mir und schenkte mir sein Brieftaschenschachspiel aus argentinischem Leder. Dieses ließ ich mir signieren und es ist noch heute in meinem Besitz.

Mit Norbert Rauch habe ich schon sein Jahrzehnten keinen Kontakt mehr (er hatte sich vom Schach ganz zurückgezogen und war Zahnarzt geworden), aber es ist schön, dass er die Unterlagen so lange aufbewahrt hat.

Günther Langhanke am Brett gegen Fischer (2. Spieler von rechts, 1.e4 c5 2.Sf3 a6 ist geschehen)

Ich füge hier die Kopie des Originals meiner Partie mit der korrekten Zugfolge bei, Fischer hat nämlich sehr wohl im 22. Zug Lg4 gespielt. 

In meiner Partie hat Fischer die Qualität einfach eingestellt. Ich ging davon aus, dass er weiterspielen würde, aber nach meinem nächsten Zug reichte er mir die Hand und gab die Partie auf. Das war seine einzige erkennbare Reaktion, vielleicht wollte er sich mehr den anderen Partien widmen

Alle Partien zum Nachspielen (mit Korrektur):

 

 

Günther Langhanke heute

Zusätzlich lege ich noch eine Kopie meines Artikels aus einer Schrift zum dritten Internationalen Blitzturnier des SC Caissa Münster im Juni 1971 bei.

 


Günther Langhanke spielt seit seinem zehnten Lebensjahr Schach, war bei Caissa Münster aktiv und danach beim SK Münster, dort mit der Mannschaft in der NRW-Liga und in der viergeteilten Bundesliga. Seit 1978 spielte er beim SC Klein-Berlin Rheine. Günther Langhanke war 1970 bei der Schacholympiade in Siegen als Helfer dabei und hatte das Glück, bei einem Simultan bei Caissa Münster gegen Robert Fischer spielen zu dürfen - und konnte den späteren Weltmeister sogar schlagen.

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