Rezension zum Ris-Bundle "Taimanov-Sizilianer" und "Anti-Sicilians"
Jeder, der auf der Suche nach einer passenden Antwort auf 1. e4 ist, wird früher oder später einmal beim Sizilianer landen! Davon bin ich überzeugt! Warum? Ganz einfach: Der Sizilianer lässt keine störenden, da vereinfachenden Abtauschvarianten zu, ermöglicht seinem Anwender schon allein durch die Asymmetrie der zentralen Bauernstruktur jedoch ein kämpferisches Spiel auf den ganzen Punkt. Ideale Voraussetzungen also - gäbe es da nicht die vermeintlichen Unmengen an Eröffnungstheorie zu lernen, die insbesondere die so überaus scharfe Drachen- oder Najdorf-Variante auszeichnen.
Für all diejenigen, die ihr Spiel lieber auf Verständnis als Auswendiglernen ganzer Variantenbäume aufbauen möchten, hat der Internationale Meister Robert Ris ganz aktuell ein Bundle bestehend aus zwei Fritz-Trainern herausgebracht, das das Beste aus den sizilianischen Welten vereint:
Sein erster Fritztrainer "The flexible Taimanov Sicilian" thematisiert eine der statistisch besten Varianten der sizilianischen Verteidigung für Schwarz, die sich zudem im Repertoire vieler Top 100-Grossmeister findet. Dies stellt dieser Variante definitiv eine Prädikatsauszeichnung aus!
In satten 9 Stunden Spielzeit (!) weiht Sie IM Ris in die Geheimnisse des Taimanov-Sizilianers ein, der sich gleichermaßen durch Flexibilität wie gesunde Solidität auszeichnet. Dabei ist es IM Ris gelungen, ein wirklich beeindruckendes Repertoire zusammenzustellen, das keine Wünsche offen lässt!
Nach den eingängigen Zügen 1.e4 c5 2.Nf3 e6 3.d4 cxd4 4.Nxd4 Nc6 haben wir die erste Weichenstellung des Taimanov-Sizilianers erreicht.
Ris bespricht zuerst die eher seltenen Abspiele wie 5.Nxc6, 5.Be3, das Fianchetto 5.g3, 5.c4, bevor es dann an Abspiele geht, die in den 70er und 80er Jahren mehr als heute in Mode waren, wie 5.Nb5 d6 6.Bf4, 5.Nb5 d6 6.c4 - man denke an die berühmte Partie Karpow-Kasparow! - und 5.Bf4.
Anschließend führt Ris souverän durch sowohl sämtliche modernen wie auch älteren Hauptabspiele nach 1.e4 c5 2.Nf3 e6 3.d4 cxd4 4.Nxd4 Nc6 5.Nc3 Qc7: da wären das interessante 6.Ndb5!?, das ebenso überraschende wie moderne 6.Ncb5 und der spannende Damenausflug auf die dritte Reihe 6.Qd3!?.
In der Fianchetto-Variante behandelt Ris das Abspiel mit 6.g3 a6 7.Bg2 Nf6 8.0-0 Nxd4 9.Qxd4 Bc5 10.Bf4 d6 11.Qd2 h6 12.Rad1 e5 13.Be3 Bxe3, das Schwarz einen recht guten Score verspricht.
Analog starke Empfehlungen für den Nachziehenden finden sich in den Varianten 6.f4 - dank John Nunn´s "Beating the Sicilian" früher "in", heute wieder auf dem Vormarsch - 6.Be3 a6 mit 7. Le2 b5, 7.a3, 7.Bd3 und natürlich dem Trend 7.Qd2 Nf6 mit 8.f4!? sowie 7.Qd2 Nf6 8.0-0-0 Be7 in den Hauptabspielen.
Natürlich beschäftigt sich Ris auch ausführlich mit dem häufig gespielten und in einigen Repertoire-Büchern für Weiß empfohlenen 7.Qf3!?, woraufhin zu 7. ... h5!? geraten wird.
Die aktuellen Trends 6.g4 & 6.Be3 a6 7.g4 sind in den folgenden Videoclips ebenso Thema wie das immer wieder zeitgemäße und ewig klassische 6.Be2.
Das dazu passende Äquivalent, Ris´ zweiter Fritztrainer "A complete Guide for black against the Anti-Sicilian", ist nach meinem Dafürhalten das Beste, das ich bisher an Repertoire-Training von ChessBase gesehen habe!
Hier thematisiert IM Ris auf 7 Stunden Spielzeit wirklich jeden Anti-Sizilianer, den sich Weiß ausdenken kann, um den Hauptvarianten und insbesondere natürlich der Taimanov-Variante zu umgehen:
Hier finden sich 1. e4 c5 2.Nf3 e6 - natürlich! Als Einleitung zum Taimanov-Sizi - und jetzt im Maroczy-Stil 3.c4, der verzögerte Rossolimo mit 3.Nc3 Nc6 4.Bb5, 3.g3 d5 4.exd5 exd5 5.Bg2/d4, der Königsindische Angriff 3.d3 Nc6 4.g3 d5 5.Nbd2 als auch das interessante 3.b3!?
Eine sehr willkommene Abwechslung von den herkömmlichen Empfehlungen gegen den Alapin-Sizilianer gibt es im entsprechenden Kapitel zu 2. c3. Sehen die meisten Autoren wie Sweschnikow, Aagaard, Kotronias und Rogozenko den Zug 2. ...Sf6 als den einzig ausgleichenden an, bricht IM Ris - wie zuvor Adorjan und Palliser - eine Lanze für den skandinavischen Konter 2. ...d5!?
Anwender der Empfehlungen von Ris dürften den Überraschungsfaktor dabei auf ihrer Seite haben! Nach 2. c3 d5 ergeben sich die folgenden Hauptabspiele, die dem Nachziehenden in Summe ein gutes Spiel zu geben scheinen: 1.e4 c5 2.c3 d5 3.exd5 Qxd5 4.d4 Nf6 5.Nf3 e6 mit 6.Na3 a6 7.Nc4 Nbd7, sowie die Alternativen im sechsten Zug 6.Bd3, 6.Be3 und 6.Be2.
Die Einleitung zum geschlossenen Sizilianer nach 2. Sc3 befähigt den Nachziehenden nach der praktischen Empfehlung à la Taimanov mit 2. ...e6 eine Menge an Eröffnungstheorie einzusparen - ein weiteres Argument für diesen Fritz-Trainer! Selbstverständlich vergisst es Ris dabei auch nicht, Empfehlungen gegen das trickreiche 3. Sge2!? oder das im Internet-Schach überraschend geläufige 3.Bc4 bzw. 3.Nf3 Nc6 4.Bc4 zu geben.
Aus seinen Ratschlägen gegen Züge wie 1.e4 c5 2.f4, das Morra-Gambit 2.d4!?, 2.g3, 2.b3, das Flügelgambit 2.b4, das vorbereitende 2.a3!?, 2.Na3 und 2.c4 möchte ich besonders seine originelle Empfehlung gegen das von IM Souleidis häufig angewandte 2. Le2!? hervorheben, das von "anti-sizilianischen" Autoren gern übersehen wird: 2. ...Sc6, 3. f4 g6, 4. Sf3 d5, 5. d3 Sf6!?, 6. e5 Sh5!?, 7. O-O Lh6!? wurde so auch schon erfolgreich u.a. von GM Johan-Sebastian Christiansen gespielt.
Sämtliche Empfehlungen von Ris sind dabei selbstverständlich "engine-sicher" und enthalten eine Unmenge an theoretischen Neuerungen, von denen ich geradezu begeistert bin! Abspiele, die mir in der Vergangenheit immer wieder Probleme bereitet haben, erhoffe ich mir mittlerweile geradezu am Brett, um die theoretischen Empfehlungen von Ris in die Praxis umsetzen zu können!
Fazit: Ein exzellentes Bundle zum Taimanov-Sizilianer sowie zu sämtlichen Anti-Sizilianern, das Seinesgleichen sucht! Sehr empfehlenswert!