28.07.2016 – Zum 10. Jubiläum des "Leiden Chess Tournaments" hatte man keinen Geringeren als Lokalmatador Loek van Wely zur Teilnahme eingeladen. Aber auch wenn "König Loek" eigentlich der stärkste Spieler im Feld war, so war es am Ende GM Roeland Pruijssers, der das Turnier gewinnen konnte. Sagar Shahs reich bebilderter Bericht liefert die Details. Mehr...
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Roeland Pruijssers gewinnt das 10. "Leiden Open"
Aus Leiden berichten Sagar Shah und Amruta Mokal
Auf diesem Foto von Lubomir Kavalek verfolgt Boris Spassky eine Partie zwischen Mikhail Botvinnik and Jan Hein Donner - dies war das letzte Turnier in der Karriere von Ex-Weltmeister Botvinnik. Das Rundenturnier mit vier Durchgängen fand 1970 statt; Teilnehmer waren, neben Botvinnik, der zu jener Zeit amtierende Weltmeister Boris Spassky, der "Turnierexperte" Bent Larsen und der stärkste niederländische Spieler Jan Hein Donner. Erraten Sie, in welcher Stadt das Turnier veranstaltet wurde?
Larsen, Donner, Botvinnik und Spassky - 1970 maßen sie ihre Kräfte in Leiden!
Die Stadt Leiden, auf einem künstlichen Hügel an den Flüssen Oude Rijn und Nieuwe Rijn gelegen, hat eine reiche und lange Schachtradition
Die Universität Leiden ist die älteste in den Niederlanden. Mit ihren sieben Fakultäten genießt sie international gesehen einen herausragenden Ruf
Das Turnier mit Spassky, Botvinnik, Larsen und Donner war ein einmaliges Ereignis in Leiden. Um die Schachszene in der Stadt richtig entwickeln zu können, brauchte man aber ein starkes Turnier, das regelmäßig wiederkehrend stattfinden würde.
Dieses wurde 2007 von Jan Bey und seinen Freunden ins Leben gerufen
Der Entschlossenheit von Jan Bey und seinem Organisationsteam ist es zu verdanken, dass das Turnier in Leiden fortan jedes Jahr durchgeführt wurde und 2016 schließlich seine 10. Auflage erreichte. Die Bedeutung des Turniers ist hoch: In einer Stadt mit ca. 120.000 Einwohnern ist dieses Ereignis bestens für die Entdeckung und Förderung junger Talente geeignet.
Die Teilnahme der niederländischen Legenden Loek van Wely and Peng Zhaoqin sollte die 10. Auflage des Leiden Opens unvergesslich machen
Nach unserer Teilnahme am Turnier in Porticcio auf Korsika reisten Amruta und ich nach Leiden, das man vom Amsterdamer Flughafen Schiphol in 15 min mit dem Zug erreichen kann.
Wir trafen bereits eine Woche vor Turnierbeginn ein und hatten so ausreichend Zeit uns zu akklimatisieren - an den Ort ebenso wie an das Wetter. An einem Samstagvormittag trafen Amruta und ich auf dem lebhaften Markt von Leiden einen Mann in seinen Fünfzigern in Begleitung seiner Frau. Ich hatte ihn irgendwo schon einmal gesehen, hatte wohl sogar bereits einen Bericht über ihn geschrieben - dann fiel es mir ein: Predrag Nikolic! Es war eine große Freude, diesem berühmten Großmeister einfach so im "wirklichen Leben" zu begegnen!
Der Start des "Leiden Chess Tournament" war erst in fünf Tagen, doch wir hatten bereits einen extrem starken Schachspieler in den Straßen der Stadt getroffen! Predrag Nikolic hat nahezu jeden Spitzenspieler schon einmal geschlagen: Karpov, Anand, Topalov, Kamsky usw. Er lebt in Leiderdorp in Leiden.
Das 10. "Leiden Chess Tournament" fand vom 15. bis 25. Juli statt. Gespielt wurden 9 Runden nach Schweizer System; in der "Kategorie A" (> 1900) beteiligten sich 64 Spieler. Daneben wurde ein Turnier der "Kategorie B" für Spieler mit Elo < 1950 veranstaltet. Die Zeitplanung mit täglich nur einer Runde sowie einem Ruhetag nach der fünften Runde war für die Spieler sehr angenehm. Die Bedenkzeitregelung sah 90 min für 40 Züge sowie noch einmal 30 min für den Rest der Partie vor; für jeden Zug gab es eine Zeitgutschrift von 30 sek. Insgesamt nahmen Spieler aus 14 Ländern teil, darunter 8 Großmeister und 8 Internationale Meister. Der Preisfonds der Kategorie A betrug €5,500; der Turniersieg war mit €1,750 dotiert.
Loek van Wely und sein sechs Wochen alter Sohn Nicholas
"König Loek" war der Favorit auf den Turniersieg. Mit seinen 2662 Elopunkten war er mit einigem Abstand der stärkste Teilnehmer. Loek kam mit seiner Frau und seinem Sohn – für die Familie war es fast wie ein Urlaub. Bei höchster Konzentration hätte van Wely das Turnier zweifellos gewinnen können, doch andererseits wäre es sicher hart für ihn gewesen, seinen sechs Wochen alten Sohn eine Weile nicht zu sehen! Berücksichtigt man dies alles, dann lief es in der ersten Hälfte es Turniers sehr gut für van Wely. Er hatte 4.0/5; seine Partien gegen den Zweiten und Dritten der Setzliste (Evgeny Postny and Sandipan Chanda) hatte er jeweils remisiert. Die sechste Runde war dann ein Wendepunkt für van Wely: In einer komplizierten Auseinandersetzung verlor er gegen den talentierten achtzehnjährigen Niederländer Thomas Beerdsen.
Ebenso unterhaltsames wie furchtloses Spiel: Thomas Beerdsen
Loek van Wely spricht über seine Leistung beim Leiden Open, wie es sich anfühlt, Vater zu sein, wie sich sein Leben dadurch verändert hat, und über die Chancen der Niederlande bei der diesjährigen Schacholympiade.
In der letzten Runde traf van Wely auf Roeland Pruijssers. Ein Sieg hätte van Wely den Turniersieg gebracht, doch Pruijssers erreichte ein Remis und wurde dadurch mit 7.0/9 selber zum Gesamtsieger.
Roeland Pruijssers war – nach 2009 - zum zweiten Mal in Leiden dabei. Beide Male gewann er!
Nach seiner besten Partie im Turnier gefragt anwortete Pruijssers: “Ich würde den Lesern von ChessBase gerne meine Partie gegen van Wely zeigen, mit der ich den Turniersieg sicherstellen konnte. Es war allerdings nicht meine beste Partie – das wäre mein Weißsieg gegen Evgeny Postny gewesen. Loek ist mehrfacher niederländischer Meister und hat gegen alle Topspieler der Welt gespielt. Auf das Remis mit Schwarz in der entscheidenden letzten Runde bin ich deswegen sehr stolz.”
Roeland Pruijssers gewann im Laufe des Turniers gegen GM Evgeny Postny, IM Eric Rosin und FM Hugo Ten Hertog. Er habe zu keinem Zeitpunkt ernsthaft damit gerechnet, das Turnier zu gewinnen, weil er kürzlich seine Laufbahn als Profischachspieler beendet und ein Psychologiestudium an der Universität Leiden aufgenommen habe. Aber Schach belohnt Spieler, die in der Vergangenheit hart gearbeitet haben, auch dann einmal, wenn sie nicht mehr damit rechnen! Hier ist Roelands Sieg gegen Evgeny Postny:
Der Sieger der A-Gruppe, Roeland Pruijssers, Hauptsponsor Roel Piket, CEO von "Adhoc Solide", and Adrian Mensing, Sieger der B-Gruppe
Die israelische Mannschaft wird bei der Olympiade ohne ihre Spitzenspieler antreten, insbesondere Boris Gelfand ist hier zu nennen. Evgeny Postny (Foto) hingegen wird in Baku für sein Land dabei sein. Mit dem Turnier in Leiden und seinem nächsten Auftritt in Kavala, Griechenland, wollte er sich die richtige Form für die Olympiade holen, doch in Leiden lief es noch nicht so gut für ihn: 6.0/9 reichten nur für Platz 7.
Evgeny Postnys (Jahrgang 1981) beste Elozahl betrug 2674. Seit 2001 hat er für das Chessbase Magazin ein Vielzahl von Artikeln über die unterschiedlichsten Eröffnungsvarianten verfasst.
Die Entdeckung des Turniers: Hugo ten Hertog. Mit 7.0/9 wurde er Co-Sieger und landete nur wegen der "tiebreak rules" auf dem zweiten Platz.
Hugo schlug GM Peng Zhaoqin, GM Milos Pavlovic und FM Thomas Beerdsen, gegen Postny und Ikonnikov gelangen ihm Unentschieden - das reichte für eine GM-Norm. Einzig aufgrund seiner Niederlage gegen Roeland Pruijssers musste er sich schließlich mit dem zweiten Platz begnügen. Hier ist Hugos schöner Sieg gegen Milos Pavlovic.
Robby Kevlishvili wurde mit 6.5/9 Fünfter
Robbys Sieg gegen GM Sandipan Chanda war sehr beeindruckend. Er dominierte das Spiel von Beginn an und beendete es blitzsauber.
GM Sandipan Chanda aus Indien war Dritter des Setzliste ebenso wie in der Endabrechnung
Obgleich Chanda eine überraschende Niederlage gegen Kevlishvili hinnehmen musste, ließ er sich nicht unterkriegen und gewann die wichtige Partie in der letzten Runde gegen den Ungarn Csaba Horvath. Dank dieses Sieges kam Chanda noch auf 6.5/9. Außer Roeland Pruijssers war Chanda der einzige Großmeister, der in Leiden Elopunkte hinzugewinnen konnte.
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Sagar ShahSagar Shah ist ein junger Internationaler Meister aus Indien. Er ist zugleich ausgebildeter Wirtschaftsprüfer und würde gerne der erste indische Wirtschaftsprüfer sein, der Großmeister wird. Sagar berichtet leidenschaftlich gerne über Schachturniere, denn so begreift er das Spiel, das er so liebt, besser. Aus Leidenschaft für das Schach betreibt er auch einen eigenen Schachblog.
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