Rumänische Mannschaftsmeisterschaft in Brasov

von ChessBase
20.10.2011 – Die rumänische Stadt Brasov in Siebenbürgen war eigentlich eine Gründung des Deutschritterordens, Anfang des 13. Jahrhunderts, und hieß lange Kronstadt. Später musste der Orden seine Komturei verlassen und verlegte sein Betätigungsfeld ins Baltikum. Stattdessen machten nun Leute wie Vlad Tepes von sich reden. Vlad III. stammte eigentlich aus dem nahe gelegenen Schäßburg. Unter seinem Beinamen Draculea ging er in die Literatur ein. Hollywood und die englischen Hammer-Studios müssten jedem Schäßburger aus Dankbarkeit auf ewig eine Rente zahlen. Dennoch möchten die Rumänen nicht gerne ständig auf ihren größten literarischen Helden reduziert werden. Alina L'Ami berichtet von anderen kulturellen Errungenschaften und lädt zu einer Entdeckungstour durch die alten und z.T. nur 80 cm breiten Gassen Brasovs ein. Natürlich berichtet sie auch von den Mannschaftsmeisterschaften, schließlich gehört sie zum Siegerteam bei den Frauen. Das Männerturnier gewann AEM Luxten Timisoara mit Gata Kamsky an Brett 1. Turnierseite...Bericht, Bilder, alle Partien...

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Gewinnen in Brasov
Von Alina L'Ami

Brasov – “Wahrscheinlich die beste Stadt der Welt” – wenn Sie ein aufmerksamer Leser der ChessBase-Nachrichten sind, dann erinnern Sie sich wahrscheinlich vage an meinen vorherigen Bericht aus dieser wunderschönen rumänischen Stadt mit ihrem stolzen Motto. Ich bin nicht ganz sicher, was das Wort ‘beste’ betrifft, aber für manche von uns ist sie zumindest im Moment wirklich die beste!

 

Der Hauptgrund für die gute Stimmung, in der ich im Moment in Bezug auf Brasov bin, ist die Goldmedaille, die unsere Damenmannschaft Politehnica Iasi in der Mannschaftsmeisterschaft geholt hat! Ich weiß, es klingt nicht sehr bescheiden, aber nach einem langen und anstrengenden Rundenturnier mit 10 Mannschaften konnten wir die Erinnerungen an die Niederlagen der Vergangenheit hinter uns lassen und uns mit unserer geliebten Caissa aussöhnen...und unsere Mannschaft ist jetzt offiziell glücklich:)


Unser Team: Politehnica Iasi




Links: Die größten Rivalinnen: Aem Luxten Timisoara: Pia Cramling,
Cristina Foisor und ihre Tochter Veronica Foisor.

 

 

Vom 8. bis zum 16. Oktober spielte in Brasov die rumänische Liga, die dieses Jahr so interessant war wie selten zuvor. Das Wort ‘interessant’ hat so viele Bedeutungen, dass ich mich hier auf ein paar wenige beschränken möchte.
 

Zunächst einmal war die Liga stärker besetzt als je zuvor. Namen wie Gata Kamsky, Baduur Jobava, Andrei Volokitin oder Pia Cramling und Anna Muzychuk (alle Nichtgenannten, die eine Nennung verdienen, bitte ich um Verzeihung) waren in aller Munde und gaben dem Turnier einen professionellen Anstrich und weckten bei den Medien vor Ort Interesse.

 


Sie müssen nicht vorgestellt werden: Gata Kamsky und Pia Cramling

 


Mit unserem bekannten GM: Mihai Suba.
 

Gespräche mit Suba sind sehr unterhaltsam, da er wie in seinen Büchern immer jede Menge witziger Bemerkungen macht: "Schach ist ein Glücksspiel"; "Frauen und Schach..." – und den Rest überlasse ich Ihnen:)

 

Es ist schön zu sehen, wie die Schachbewegung in unserem Land immer größer wird, und ich hoffe, es geht so weiter, nachdem wir die ‘Schwergewichte’ in Aktion gesehen haben, was inspiriert, sich selber höhere Ziele zu setzen und bessere Ergebnisse anzustreben.
 

Ein anderer Grund, warum ich dieses Turnier so reizvoll finde, ist einfach der, dass dies ein Mannschaftswettbewerb ist. In solchen Turnieren, in denen die Einzelnen und ihre Egos eine Mannschaft bilden, gibt es schnell Gefühle, Stress, Frustrationen, Neid und alle möglichen größeren oder kleineren ‘Probleme’. Ganz zu schweigen von dem Wechselbad der Gefühle – von begeistert bis zu Tode betrübt – das die ‘armen’ Trainer oder Mannschaftskapitäne durchlaufen. Je nach Situation raufen sie sich entweder die Haare oder umarmen ihre Schützlinge. Es ist schwer, gelassen zu bleiben, es ist schwer, eine wichtige Partie zu vergessen, die man verloren hat, vor allem, wenn einem die Mannschaft im Stillen (oder auch nicht so still!) dafür verantwortlich macht. Ich bin sicher, für einen objektiven Beobachter wäre das ein interessanter Anblick – ein Mikrokosmos des Schachs, der das Leben wie ein Spiegel reflektiert.

 


Die Mannschaftskollegen verfolgen das Geschehen aufmerksam

 

 

Eine Besonderheit der Rumänischen Liga besteht darin, dass wir in zwei Gruppen spielen, wie Sie vielleicht schon bemerkt haben: sechs Bretter bei den Männern und drei Bretter bei den Frauen, jeweils mit zusätzlichen Reservebrettern. In beiden Gruppen ist ein Jugendbrett Vorschrift, das heißt, dort muss jemand spielen, der unter 20 ist. In der Vergangenheit sind wir dem Vorbild der Bundesliga und der Holländischen Liga gefolgt und haben am Wochenende gespielt. Doch am Ende sind wir wieder zum 9-rundigen Turnierformat zurückgekehrt, das für unser Land besser geeignet ist und mit dem sich Kosten einsparen lassen, was in Zeiten der Finanzkrise wichtig ist.

 

 

Aber schauen wir uns an, was in Brasov passiert ist:

 


Pokals und Medaillen


Mit einem überragenden Team gewann AEM Luxten Timisoara bei den Männern die Goldmedaille, wobei nur einer ihrer 9 Kämpfe Unentschieden endete! Mit Gata Kamsky an Brett 1, Andrei Volokitin an Brett 2 sowie den aufstrebenden rumänischen Stars Constantin Lupulescu und Mircea Parligras blieb die Mannschaft ungeschlagen und gewann das Turnier überzeugend. Außerdem gewann sie fast an allen sechs Brettern den Preis für das beste Einzelergebnis!

 

Mehr Spannung herrschte dagegen bei den Frauen! Wir spielten nur an drei Brettern, und wenn eine Spielerin stolperte, betraf das gleich das ganze Team. Die Entscheidung über den Titel fiel erst im letzten Moment, aber Ende gut, alles gut und unsere Mannschaft – Irina Bulmaga, Smaranda Padurariu und die Autorin dieser Zeilen (ohne Reservebrett) – holte für Iasi den so lang ersehnten Titel!

 


Meine Mannschaftskolleginnen und Freundinnen: Smaranda Padurariu und
Irina Bulmaga. Beide gewannen einen Brettpreis!

 

Gespielt wurde mit einer Bedenkzeit, die in den letzten Jahren sehr beliebt geworden ist: 90 Minuten für 40 Züge, plus 30 Minuten für den Rest der Partie sowie einem Zeitaufschlag von 30 Sekunden für jeden Zug. Das scheint viel Zeit zu sein, aber glauben Sie mir, sie vergeht unglaublich schnell! Und ich habe festgestellt, dass ich die Uhren unerträglich finde, bei denen der Countdown beginnt, wenn man nur noch 20 Minuten hat. Man kann beinahe spüren, wie die Sekunden vergehen: 59, 58, 57….3, 2, 1…manche von uns, verfallen ohne Grund in Panik. Meiner Meinung kann man viel entspannter spielen, wenn die Uhr „freundlich“ ist und einen erst dann warnt, wenn man weniger als fünf Minuten Zeit hat.

 


Noch keine Zeitnot, alles unter Kontrolle.
Hier spiele ich gegen Luminita Cosma.

 


Schokolade ist immer gut:) Im Analyseraum mit Dorian Rogozenco und Mihail Marin.

 


Ein glückliches frisch verheiratetes Paar: Salome Melia mit ihrem Ehemann

 

Dies war unser Schachabenteuer auf rumänischem Boden, im Herzen Transsylvaniens, das Ihnen gewiss ein Begriff ist. Mit Sicherheit haben Sie zumindest von einem Vampir gehört, der aus den wilden Wäldern des dunklen und unheimlichen Transsylvaniens stammt…


Brasov, eine Stadt, die von wunderschönen Bergen umgeben ist, hat eine lange Geschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht, ist ein sehr guter Ausgangspunkt, um das Land zu erkunden. Und das ist Grund genug ‘Cäsar zu geben, was Cäsar gehört’. Die Stadt ist einfach phantastisch, obwohl ich nicht weiß, wie sehr die ausländischen Spieler das genossen haben.





Ich glaube, in beinahe jedem Touristenführer der Welt bin ich auf folgendes Klischee gestoßen: 'ein Land/eine Stadt voller Gegensätze' – und das kann man problemlos auch über Brasov sagen.
Hier gibt es diese grotesken Bauten aus kommunistischer Zeit, aber auch die Altstadt, die wie durch ein Wunder erhalten ist. Außerdem kann der Wetterwechsel dramatisch sein: herrschten eben noch 28 Grad, so kam unmittelbar danach der Winter mit Schnee und Minusgraden!

 


 
Da ich ein großer Fan von Brasov bin, habe ich lange Zeit voll heimlichem Stolz gedacht, die Stadt hätte die engste Straße Europas, wie der Touristenführer behauptet. Aber wie eine kurze Prüfung ergab, ist diese Behauptung falsch. Trotzdem, die Strada Sforii (”Seilstraße”) ist wirklich klein und bietet gute Fotomotive. Sie liegt in der Altstadt von Brasov und diente im 15. Jahrhundert ursprünglich als Korridor für die Feuerwehr, aber erst im 17. Jahrhundert wird sie urkundlich erwähnt. Sie ist zwischen 111 und 135 Zentimeter (ja, cm!) breit und 80 Meter lang.

 

Das rumänische Leben ist immer noch geprägt vom Herzen des Landes, wo Pferdekarren, die asphaltierte Straßen (oft voller Löcher) überqueren, Schafherden und andere Tiere, die auf der Weide stehen, immer noch weit verbreitet sind. Doch eine Sache vermisse ich besonders, wenn ich auf Turnieren in aller Welt unterwegs bin: den einzigartigen Geschmack unserer traditionellen Küche.

 

Wenn Ihr Wissen über Rumänien bei Dracula beginnt und bei Nadia Comaneci oder Gheorghe Hagi endet, dann sollten Sie wissen, dass dies bei weitem nicht alles ist. Da gibt es zum Beispiel auch noch unser leckeres Essen, Gerichte wie 'mamaliga' (siehe Bild oben, das Essen ist fast fertig.) Wahrscheinlich finden Ausländer das ziemlich fade oder geschmacklos, aber wir lieben dieses goldene Brot (das aus Maismehl gemacht ist), das wir als Ergänzung zum aus Weizen gemachten Brot verwenden.

 


 

Die beste Möglichkeit, 'mamaliga' zu genießen, besteht darin, es mit dem einheimischen Käse zu kombinieren, der in Märkten unter freiem Himmel angeboten wird, oder das Brot zusammen mit Schweinefleisch zu essen ('Schwein ist das beste Gemüse' – Worte mehr oder weniger großer Weisheit in unserer Kultur).


Und wenn von Gemüse die Rede ist, dann sehe ich mich gezwungen zu sagen, dass wir, die Rumänen, ein Geheimnis haben: die Dorfbewohner und ihre gesunden Erzeugnisse. Das ist wirklich Bio, Öko, und sind unglaublich gute, frische Produkte und ich hoffe, sie werden nie von großen Supermarktketten verschlungen...

 


Rumänische Töpferarbeiten
 

Und dann ist da noch die Sache mit Dracula. Hätten die Spieler nicht die Gelegenheit gehabt, die transsylvanischen Schlösser und die hübschen sächsischen Städte wie Sighisoara zu besuchen, wo der ‘wirkliche Dracula’ (Vlad Ţepeş) seine Zähne wachsen ließ, dann könnten sie doch ein paar blutrünstige Geschichten über ihre Partien erzählen. :)

 

Zehn Tage ließ die rumänische Liga mit ihren spannenden Wettkämpfen einigen Leuten das Blut in den Adern gefrieren. Aber wie süß ist für einige von uns der Geschmack des Sieges!


Endstand:

Rk. Team 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 TB1 TB2 TB3
1 C.S AEM LUXTEN TIMISOARA * 3 5 4 4 4 17 0 40.0
2 A.C.S DE SAH APA NOVA BUCURESTI 3 * 4 4 4 5 15 0 34.0
3 C.S STUDENTESC MEDICINA TIMISOARA 1 * 4 4 14 0 32.0
4 C.S POLITEHNICA IASI 2 2 * 5 3 4 11 0 29.0
5 C.S UNIVERSITAR PLOIESTI 2 2 * 10 0 26.5
6 CLUBUL DE SAH AL MUN. BAIA MARE ½ 2 * 3 3 8 0 24.0
7 C.S VICTORIA TECHIRGHIOL 2 2 2 * 4 4 23.0
8 C.S.M LUGOJ ½ 1 3 * 3 4 1 21.0
9 C.S MUNCITORUL RESITA ½ ½ 3 3 * 4 1 19.5
10 C.S CONPET PLOIESTI 1 2 3 * 3 0 21.0

 

 

Frauenturnier:

Rk. Team 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 TB1 TB2 TB3
1 C.S POLITEHNICA IASI * 2 2 3 3 3 3 16 2 21.5
2 C.S AEM LUXTEN TIMISOARA 1 * 3 3 3 16 0 22.5
3 C.S.M BUCURESTI ½ * 3 3 3 2 3 15 0 21.0
4 C.S STUDENTESC MEDICINA TIMISOARA 1 ½ ½ * 2 2 2 12 0 15.5
5 C.S.M LUGOJ 0 ½ ½ 1 * 2 2 2 3 9 0 12.5
6 A.C.S DE SAH APA NOVA BUCURESTI ½ 0 1 * 2 0 2 8 0 11.0
7 C.S SICILIANA EFORIE ½ ½ 0 ½ 1 1 * 3 2 2 6 0 10.5
8 CLUBUL CENTRAL DE SAH 0 0 0 ½ 1 3 0 * 3 5 0 9.0
9 C.S.M CRAIOVA 0 0 1 ½ 1 ½ 1 * 3 0 8.0
10 C.S.U ARAD 0 0 0 1 0 1 1 0 ½ * 0 0 3.5

 

 


 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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