Russlands Frauen dürfen nicht zur Olympiade

von ChessBase
17.07.2014 – Die Organisatoren der Olympiade haben die FIDE informiert, dass Verbände, die die Frist zur Meldung ihrer Mannschaften nicht eingehalten haben, von der Olympiade ausgeschlossen wurden. Das betrifft auch die Frauenmannschaft Russlands. FIDE-Vizepräsident Israel Gelfer hat Garry Kasparov mitverantwortlich gemacht und überlegt, die Olympiade abzusagen. Mehr...

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Die Frauenmannschaft Russlands darf nicht bei der Olympiade spielen

Es sieht so aus, als ob die Frauenmannschaft Russlands, Goldmedaillengewinnerinnen der beiden vorhergehenden Olympiaden 2012 und 2010, bei der Olympiade in Tromsø nicht dabei sein könnte, weil der Russische Schachverband die Mannschaftsaufstellung nicht vor Ablauf der von der FIDE gesetzten Frist eingereicht hat. Der Weltschachverband hat Protest eingelegt und sogar in Betracht gezogen, die Olympiade abzusagen. Der Russische Schachverband droht, die Organisatoren der Olympiade zu verklagen und vor Gericht zu bringen.

Die russische Frauenmannschaft gewann 2010 und 2012 Gold

Natürlich hat all das in der Schachwelt für großen Aufruhr und Bestürzung gesorgt und die Frage ist, wie und warum das geschehen konnte. Die Regularien, um eine Mannschaft für die Olympiade zu melden, sind einschließlich der Regelung der Fristen weder neu noch kompliziert. So hat der Russische Schachverband erklärt, dass er in voller Übereinstimmung mit Absatz 3.6.1 der Regularien der Schacholympiade noch vor dem 1. April 2014 die Herren- und die Frauenmannschaften zur Olympiateilnahme angemeldet hätte. Doch das ist nur der erste notwendige Schritt, damit eine Mannschaft am Turnier teilnehmen kann.

Der nächste Schritt, dessen Frist für den 1. Juni angesetzt war, besteht darin, den Organisatoren eine Liste der Spieler und Delegationsteilnehmer zu schicken, die das jeweilige Land vertreten. Für die russische Männermannschaft geschah das in vollem Umfang, bei der Frauenmannschaft allerdings nicht, und am 16. Juli teilten die Organisatoren der Schacholympiade dem Russischen Schachverband mit, dass die Frauenmannschaft nicht zur Olympiade zugelassen wird, weil die letzte Frist, der 1. Juni, um die Liste zu schicken, nicht eingehalten worden war.

Der offene Brief, in dem die Organisatoren ihre Entscheidung bekanntgeben

Der Russische Schachverband wies seinerseits daraufhin hin, dass nicht geregelt ist, welche Sanktionen verhängt werden, wenn man gegen Paragraph 3.6.1 verstößt. Darüberhinaus heißt es in Paragraph 3.7.2, dass verspätete Meldungen von Spielern oder Delegationsteilnehmern bis 20 Stunden vor Turnierbeginn zulässig sind. In diesem Fall ist eine Säumnisgebühr von 100 Euro für jeden Spieler oder jedes Delegationsmitglied zu zahlen. Es ist allerdings nicht unmittelbar deutlich, ob die erwähnte Nachmeldung dazu dienen soll, einen Spieler zu ersetzen oder noch einen weiteren Spieler aufstellen zu können.

Darüberhinaus stellte das Organisationskomitee dem Russischen Schachverband am 7. Juli 2014 für die Registrierung von zehn Spielern, zwei Mannschaftskapitänen, zwei Trainern und dem Delegationsleiter (insgesamt 17 Personen) den Betrag von 13.600 Euro in Rechnung. Dieser Betrag wurde vom Russischen Schachverband umgehend bezahlt und von den Organisatoren erhalten. Infolgedessen vertritt der Russische Schachverband die Ansicht, dass das Organisationskomitee keinerlei juristische Grundlage hat, um die Russische Frauenmannschaft von der Teilnahme an der Olympiade in Tromsø auszuschließen.

In Bergamo, beim ACP Golden Classic Turnier, kommentierte FIDE-Vizepräsident Israel Gelfer, die Ereignisse mit deutlichen Worten:

Im Video erklärt FIDE-Vizepräsident Israel Gelfer:

"Die Organisatoren in Tromsø enttäuschen sehr, sie bereiten der FIDE und der gesamten Schachwelt jede Menge Probleme. Leider wird das Organisationskomitee von Leuten beeinflußt, die für Garry Kasparov arbeiten; sie nutzen das für ihre Wahlziele; die verweigern Visa, sie verweigern Einladungen; sie respektieren die Entscheidungen des FIDE-Präsidenten, die in den Regularien eindeutig geregelt sind, nicht. FIDE muss jetzt sehr, sehr strikte oder drastische Maßnahmen gegen sie in Betracht ziehen. Wir überlegen noch, wie das weitere Vorgehen aussehen wird. Aber wir sind über ihr Verhalten und die Art und Weise, wie sie im Vorfeld agieren, sehr enttäuscht."

Die Vorwürfe gegen Garry Kasparov sind ernst, aber zugleich seltsam. Denn was könnte der Ex-Weltmeister überhaupt dadurch gewinnen, dass er die Russische Frauenmannschaft daran hindert, bei der Olympiade anzutreten? Als wir das Wahlkampfteam Kasparovs zu der Erklärung befragt haben, wirkten sie tatsächlich verblüfft und fragten uns im Gegenzug, doch mögliche Gründe für ein Engagement Kasparovs zu nennen. Außerdem forderten sie uns auf, zu überlegen, warum der Russische Schachverband die Frist nicht eingehalten hat - was wir getan haben, siehe unten.

Der Verweis auf den mangelnden Respekt für die Entscheidungen des FIDE-Präsidenten bezieht sich auf Artikel 6.1 in den Regularien, der dem FIDE-Präsidenten das Recht zur letztendlichen Entscheidung über alle Dinge, die die Olympiade in ihrer Gesamtheit betreffen, einräumt. Dies ist ein Punkt, mit dem die norwegischen Organisatoren nicht einverstanden sind, wie sie im offenen Brief erklären:

Wenn der FIDE-Präsident der Ansicht ist, dass Punkt 6.1 der Olympischen Regularien ihm die Generalvollmacht gibt, drei Wochen vor Beginn der Olympiade Regularien im Alleingang zu ändern, dann protestieren wir nachdrücklich. Mehr noch, wir protestieren gegen eine solche Auslegung, wenn deren Ziel darin besteht, die Teilnahme einer Mannschaft seines eigenen Verbands zu sichern.

Der Russische Schachverband hat seine Bereitschaft erklärt, die Entscheidung des Organisationskomitees vor Gericht anzufechten.

Die Organisatoren haben den offenen Brief alle unterschrieben, und das geschah, wie man uns erklärt hat, nach einer einstimmigen Abstimmung, zu der man nach monatelangen Gesprächen mit dem Russischen Schachverband, der FIDE und internen Gesprächen gekommen ist. Der Brief an die FIDE erwähnt das Russische Frauenteam nicht (außer im Zusammenhang damit, dass die FIDE sie diesbezüglich unter Druck setzt), sondern erklärt lediglich, dass alle Mannschaften, die die Frist nicht eingehalten haben, nicht spielen können. Ausnahmen für einen einzigen großen Verband zu machen, sei offensichtlich unmöglich.

Im obigen Videointerview erklärt Gelfer weiter:

"Wir wurden gerade erst informiert, dass sie etlichen Verbänden, die sich verspätet angemeldet haben, die Teilnahme verweigert haben, obwohl der Präsident sie zugelassen hat - entsprechend der Olympischen Regularien Artikel 6.1 liegt das in der Hand des FIDE-Präsidenten - sie haben seine Schreiben ignoriert, und die FIDE erwägt jetzt sehr starke Maßnahmen - juristische Maßnahmen. Ich hätte sogar vorgeschlagen, die Olympiade abzusagen, wenn es nötig sein sollte, denn ihr Verhalten ist inakzeptabel."

Der Lagno-Bezug

Die Frage, die sich stellt, lautet natürlich, warum der Russische Schachverband die Frist hat verstreichen lassen, ohne die Frauenmannschaft zu melden, während die Herrenmannschaft pünktlich gemeldet wurde. Nun, es ist ein offenes Geheimnis, dass die Russen versucht haben, ihr Frauenteam mit GM Kateryna Lagno zu verstärken, zur Zeit auf Rang sieben der Frauenweltrangliste, vor allen russischen Spielerinnen. Doch Katya stammt aus der Ukraine und der Schachverband dieses Landes hat bei der FIDE Protest eingelegt:

Der Schachverband der Ukraine ist sich bewusst, dass der Russische Schachverband einen illegalen Versuch unternommen hat, die ukrainische Schachspielerin Ms. Lagno für die Teilnahme an der Schacholympiade 2014 in Tromso als Mitglied der Mannschaft des Russischen Schachverbands zu melden. Außerdem sind wir uns des Drucks bewusst, den der Exekutivdirektor der FIDE, Mr. Freeman, ausgeübt hat, um die Verschiebung der Frist [1. Juli 2014] zu unterstützen, die eine solche Meldung möglich macht.

Kateryna Lagno, ein ehemaliges Wunderkind, gewann bei der Olympiade in Istanbul mit der Mannschaft der Ukraine die Bronzemedaille. Sie war kurz mit dem französischen GM Robert Fontaine verheiratet, zog nach der Trennung nach Russland und beantragte die Mitgliedschaft im Russischen Schachverband. "Ich möchte betonen, dass mein Wunsch nach einem Verbandswechsel in keiner Weise mit der politischen Situation in der Ukraine in Verbindung steht", erklärte, "und ich habe und hatte nie irgendwelche Konflikte mit dem ukrainischen Schachverband. Niemand hat mich zu irgendetwas gedrängt oder genötigt, und der Umstand, dass ich zusammen mit der Änderung meines Wohnorts meinen Verband wechseln möchte, ist schon seit Jahren bekannt."

Die Dringlichkeit, Lagno in die russische Frauenmannschaft aufzunehmen, wird durch den Umstand betont, dass zwei der stärksten russischen Schachspielerinnen, GMs Nadezhda und Tatiana Kosintseva, sich weigern in der Mannschaft zu spielen. So weit wir wissen, stehen sie für die Olympiade in Tromsø nicht zur Verfügung.

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