Rybka 4 ist da!
Freitag Nachmittag, Thomas Mayer nimmt eine Palette Rybka 4 in Empfang
"Rybka 4 versteht Königsangriffe sehr viel besser!"
Interview mit Vasik Rajlich
Wieviel stärker ist
Rybka 4 verglichen mit Rybka 3? Welche Bereiche wurden speziell verbessert? Ist
es möglich, die Elo von Rybka 4 zu schätzen?
Rybka 4 ist in vielen
Bereichen verbessert. Die Suche ist schneller und effizienter, und die Bewertung
ist genauer. Ich habe an fast jedem Bereich ein wenig gearbeitet. Eine
wesentliche Verbesserung liegt im Verständnis von Königsangriffen.
Was die Elozahl angeht -
das ist eine Frage für die Tester. Die exakte Zahl wird von den gewählten
Testbedingungen abhängen.
Wie gehen Sie bei
der Weiterentwicklung von Rybka vor?
Normalerweise nehme ich
mir einen Bereich vor und erprobe darin Dutzende von kleinen Veränderungen, die
ich dann jeweils entweder verwerfe oder übernehme, basierend auf den Ergebnissen
eines automatisierten Testverfahrens, das ich im Lauf der letzten Jahre Schritt
für Schritt entwickelt habe.
Der Prozess ist sehr
inkrementell - seit Rybka 3 hat es mehr als 3000 einzigartige Rybka-Versionen
gegeben, und jede Version spielt anders.
Wie sehr verbessert
sich Rybka, wenn mehrere Prozessoren parallel eingesetzt werden?
Eine gute Faustregel
lautet, wenn man die Anzahl der Prozessoren verdoppelt, dann erhöht sich Rybkas
'Geschwindigkeit' um einen Faktor von 1,7.
Wie würden Sie
Rybkas Spielstil beschreiben? Ist Rybka in bestimmten Eröfnungen oder
Stellungstypen besonders stark? Empfehlen Sie ein spezielles Eröffnungsbuch für
Rybka 4?
Rybkas Stil entwickelt
sich immer weiter, und ich selbst kann das wahrscheinlich nicht am besten
beurteilen. Was ich aber sagen kann, ist, dass Rybka mit der Zeit aggressiver
geworden ist und taktischer. Rybka-Versionen bis zu Rybka 2.3.2 waren im
Vergleich zu anderen Spitzenprogramm taktisch eigentlich relativ schwach, und
das ist auch vielen Großmeistern aufgefallen. Was Computerschach angeht, gibt es
bei GMs meiner Erfahrung nach meist eine interessante Mischung aus Ignoranz
bezüglich technischer Fragen und einem ziemlich cleveren Blick für die
Schwachstellen jedes Programms.
Die Verbesserung der
taktischen Wachsamkeit war jedenfalls ein wichtiger Schwerpunkt für mich in den
letzten paar Jahren.
Zum Eröffnungsbuch: Autor
des Rybka 4-Eröffnungsbuches ist Jiri Dufek. Er hat für die Analyse und das
Testen den von Lukas Cimiotti aufgebauten Cluster eingesetzt. Wir nennen
ihn kurz "Lukas-Cluster" - er hat 40 Kerne. Das Buch ist wesentlich tiefer und
genauer als jedes andere, was momentan erhältlich ist. Dabei ist aber anzumerken,
dass dies Buch 'objektiv' ist. Jiri war daran gelegen, die Wahrheit zu finden
und nicht etwa Varianten, die Rybka liegen. Dies ist eine absichtliche
Entscheidung von unserem Team. Unser Ziel ist es, objektive Analysewerkzeuge zu
schaffen. Das ist es, was Anwender wollen, und außerdem macht es Jiris Leben
etwas einfacher, da er sich nicht etwa darum kümmern muss, wie Rybka sich
entwickelt.
Wie ist die
Relation zwischen Suche und Wissen in Rybka 4?
Wissen leitet die Suche -
Rybka prüft jene Dinge, von denen ihm seine Heuristiken sagen, sie seien wichtig.
Haben die Figuren
immer fixierte Materialwerte, oder ändert sich das mit ihrer Platzierung bzw.
ihrem Einfluss auf die gegebene Stellung? Erhält zum Beispiel das Läuferpaar
einen speziellen Bonus? Wenn ja, wie groß ist er?
Es gibt keine wirklichen
Einschränkungen bei Rybkas Heuristiken und deren Art der Formulierung; sie
hängen auf die Weise zusammen, die ich für die beste halte.
Wenn ich meine, dass eine
Heuristik funkioniereren wird, teste ich sie, und wenn es klappt, behalte ich
sie.
Das Läuferpaar ist
natürlich ein wichtiger Punkt, alle möglichen Heuristiken sind damit verknüpft.
Im Schnitt scheint das Läuferpaar etwa einen halben Bauern wert zu sein. Der
exakte Wert hängt von Dingen ab wie zum Beispiel, ob die Stellung offen oder
geschlossen ist, wieviele Figuren noch auf dem Brett sind und wieviele
Leichtfiguren der Gegner hat. Läuferpaare mögen ein offenes Brett, und sie mögen
keine opponierenden Leichtfiguren. Nichts davon ist irgendein Geheimnis, das
könnte einem jeder Großmeister (oder auch FIDE-Meister) sagen.
Hat Rybka
verschiedene Bewertungsfunktionen für Mittelspiel und Endspiel?
Ja, natürlich, aber der
Übergang ist fließend. Abrupte Übergänge sind sehr schwer zu formulieren und
später beizubehalten - meist schaffen sie unerwartete Probleme. Situationen mit
abrupten Übergängen sind schwierig für Computer.
Wurde viel
spezielles Endspielwissen implementiert?
Einiges schon, aber
wirkliche Sonderfälle versuche ich zu vermeiden. Ich suche nach Heuristiken,
welche, sagen wir, zumindest bei einer von tausend Stellungen in etwa greifen.
Das Problem ist natürlich,
dass es in Endspielen vor Sonderfällen wimmelt. Dieser Bereich erfordert noch
viel Arbeit.
Hilft es,
Endspiel-Tablebases zu benutzen? Wenn nicht, wann sollte man diese bei der
Endspielanalyse einsetzen?
Klar, Tablebases helfen.
Ohne wird Rybka eine Menge Tablebase-Stellungen falsch einschätzen. Ich halte es
für am besten, sie immer zu benutzen - es spricht nichts dagegen, und sie werden
sogar manchmal bei der Analyse von Mittelspielstellungen einbezogen.
Ist Rybka gut in
der Bewertung und Behandlung von Turmendspielen, oder unterschätzt Rybka oft die
Remistendenz?
Definitiv letzteres. Ich
habe ein bisschen daran gearbeitet, aber in diesem Bereich gibt es noch viele
Ideen für weitere Verbesserungen.
Wie sehen Sie die
Zukunft des Computerschachs?
Für die nächsten zwei
oder drei Jahre plane ich, mich auf die Spielstärke zu konzentrien. Dies ist im
Moment noch immer der wichtigste Punkt. Trotz hoher Elozahlen ist Rybka in
vielen Stellungen noch zu blind. Gemeinsam mit ChessBase und anderen Verlagen
werden wir während dieser Zeit außerdem verschiedene einfache Funktionen für die
Partieanalyse hinzufügen. Im Moment ist unser Hauptkriterium für
Analyse-Features, dass sie intuitiv, unaufdringlich und dauerhaft sichtbar sein
sollen. Die meisten Anwender haben in der Regel sehr wenig Geduld für versteckte
Features, die eine steile Lernkurve erfordern, und schon gar nicht, wenn diese
Funktionen andere Aufgaben erschweren.
Danach werden wir uns auf
das wirkliche Schachtraining konzentrieren. Wir werden versuchen, bessere Wege
zu finden, dem Anwender das Schachwissen von der Engine zu vermitteln. Ein
Computerprogramm genauso gut darin sein, einen Menschen zu trainieren, wie darin,
eine Turnierpartie zu spielen. Natürlich wird Computertraining immer relative
Stärken und Schwächen haben - ein Computerprogramm hat graphische Fähigkeiten,
bei denen kein menschlicher Trainer mithalten kann, dafür wird der sprachliche
Ausdruck bei Maschinen wahrscheinlich noch lange Zeit holprig sein. Außerdem
gibt es natürlich auch Bereiche (zum Beispiel die Psychologie des praktischen
Spiels), die für einen Computer relativ schwer zu begreifen sind.
Vielen Dank für das Interview.