Savielly Tartakower, zum 50sten Todestag

von ChessBase
05.02.2006 – Am 5. Februar 1956 starb mit Savielly Taratakower einer der geistreichsten Meister des 20 Jahrhunderts. 1887 in Rostow am Don als Sohn eines Österreichers und einer Polin geboren, verlor er mit 12 Jahren seine Eltern, die bei einem antijüdischen Progrom umgebrachte wurden. Er ging in die Schweiz, studierte In Genf und promovierte als Dr. jur in Wien. Den ersten Weltkrieg erlebte er als Infanterist in  der Österreichischen Armee. 1924 übersiedelte er nach Paris und war während des Zweiten Weltkriegs Mitglied der Résistance. In den 20er Jahren war Tartakower einer der weltbesten Spieler. Mit seinem Werk "Die hypermoderne Schachpartie" hat er die Entwicklung der Schachtheorie nachhaltig beeinflusst. Berühmt geworden ist er aber vor allem durch seine zahlreichen Tartakowerismen, die auch heute noch gerne zitiert werden. Mario Tal hat diesen anlässlich des 50sten Todestages des Meisters in der jungen Welt einen Artikel gewidmet. Einige Tartakowerismen in der jungen Welt...Nachdruck...

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Der Beitrag erschien in der Wochenendausgabe der jungen Welt, am 4./5.-Februar 2006. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Einige Tartakowerismen
Schachgroßmeister und Résistance-Kämpfer: Am 5. Februar 1956 starb Savielly Grigorievitsch Tartakower
Von Mario Tal

»Durch Aufgeben hat noch niemand eine Partie gewonnen.« Dieser Satz ist als einer jener Tartakowerismen berühmt geworden, die von naseweisen Schachspielern gerne zitiert werden. Weniger bekannt ist, daß deren Urheber, Savielly Grigorievitsch Tartakower, damit weit über die 64 Felder des Schachbretts hinauswies. So erwarb der einstige Schachgroßmeister später auch als Résistance-Kämpfer Verdienste. Insofern wußte er auch, daß »Taktik ist, was man tun muß, wenn etwas zu tun ist. Strategie ist, was man tun muß, wenn nichts zu tun ist.« Vergleichbar ist er hinsichtlich der Kombination aus schachlicher Spitzenklasse und aktivem antifaschistischen Widerstand nur mit dem serbischen Großmeister Svetozar Gligoric, der im Zweiten Weltkrieg unter Tito als Partisan kämpfte und von 1955 bis 1960 als zweitbester Spieler außerhalb der Sowjetunion zum jugoslawischen Volkshelden wurde.

Die Mutter Polin, der Vater Österreicher, kam Tartakower 1887 in Rußland zur Welt. Mit zwölf Jahren floh er zunächst in die Schweiz, nachdem seine jüdischen Eltern bei einem Pogrom ermordet worden waren. In Wien besuchte er dann die Universität und lebte seit 1924 in Paris. Bei Schacholympiaden spielte er zunächst für Polen, bis er 1950 für Frankreich antrat. Lange Zeit gehörte Tartakower zu den Top-Ten-Spielern. Man sagt ihm nach, daß er auch das Zeug zum Weltmeister gehabt hätte, hätte er sich allein auf das Spiel konzentriert. Seine größten Erfolge feierte er in den 1920er Jahren, als er einige hochkarätig besetzte Turniere gewann. Zu seinen Schülern gehörte der Meister Miguel Najdorf, der 1939 wegen seiner jüdischen Herkunft vor den Nazis nach Argentinien floh und zeitweise zu den weltweit besten zehn Spielern gehörte.


Akiba Rubinstein, Salo Landau, Edgar Colle und Savielly Tartakower

Überliefert ist, wie die Großmeister Tartakower und Bogoljubow einmal in einem Gästebuch ihre Liebe zum Schachspiel begründeten. Bogoljubow: »Ich liebe das Schachspiel, weil es so logisch ist.« Tartakower las dies und konnte der Verlockung nicht widerstehen: »Ich liebe das Schachspiel, weil es so unlogisch ist.« Hintergrund der Anekdote ist, daß Tartakower zu den sogenannten Hypermodernen gehörte, die das Schachspiel zu ihrer Zeit stilistisch revolutionierten. In seinem Buch »Die hypermoderne Schachpartie«
faßt er, so der Schachhistoriker Ernst Strouhal, »die schwierigen positionellen Leitsätze von Nimzowitschs System in der dadaistischen Losung ?Credo quia absurdum? zusammen: Die Hypermoderne sei die pure Antilogik im Schach«. Nicht zufällig gehörte auch der dadaistische Künstler Marcel Duchamp, der 1925 französischer Meister war und Frankreich bei drei Schacholympiaden vertrat, zu den Vertretern der Hypermodernen.


Tartakower beim Interview mit dem jungen Paul Keres, AVRO 1938


Einige Tartakowerismen mögen, für sich genommen, zunächst absurd erscheinen. »Der vorletzte Fehler gewinnt!«, »Der zweitbeste Zug ist oft der einzig richtige«, »Ein Teil des Fehlers ist immer korrekt«, »Nur ein wirklich starker Spieler weiß, wie schwach er spielt« oder »Jede Eröffnung ist gut genug, um gespielt zu werden, wenn nur ihr Ruf schlecht genug ist«. Auf den zweiten Blick weisen sie den Verfasser jedoch als geschulten Dialektiker aus. Zu seinen Aktivitäten in der Résistance geben die meisten Quellen
leider nicht viel her. Aber wie immer seine Rolle im Widerstand gewesen sein mag: Fest steht, daß heute vor 50 Jahren mit Tartakower eine der interessantesten Persönlichkeiten der Schachgeschichte gestorben ist.
 

 

 

 

 

 


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