SC Siegburg vs. DSB: Klage abgewiesen

von André Schulz
05.11.2020 – Mit seiner Spielervereinbarung versucht der Schachbund die Regeln im Spielbetrieb der Bundesligen juristisch zweifelsfrei zu regeln, stieß damit aber auch auf Widerstand. Der SC Siegburg klagte auf Teilnahme seiner Spieler am Spielbetrieb der zweiten Bundesliga - ohne Spielvereinbarung. Letzte Woche wurde die Klage abgewiesen.

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Was in anderen Sportarten das Doping ist, das ist im Schach der betrug mit Computerhilfe. Sobald die Schachprogramme stark genug waren, wurde von Spielern auch versucht, mit deren Hilfe die eigenen laufenden Partien zu analysieren und das eigene Spiel zu verbessern. Als selbst die Schachprogramme auf den Mobiltelefonen schon so stark waren, dass die auf dem Niveau von guten Großmeistern spielten, wurde das Problem des "Cheating", wie diese Form des Betruges gerne verniedlichend genannt wird immer drängender.

Nach einigen Fällen führten die FIDE und die nationalen Verbände Regelungen ein. Mobilgeräte dürfen nicht mehr in den Spielsaal mitgebracht werden. Das darf kontrolliert werden und wer dagegen verstößt, wird bestraft.

Allerdings müssen diese Regeln auch juristisch wasserfest sein. Wenn der Spieler die Regeln für den Spielbetrieb nicht explizit mit seiner Unterschrift anerkennen, dann wird es Spieler geben, die die Gültigkeit der Regeln in Abrede stellen und das juristisch durchsetzen wollen. Mit anderen Worten: Spieler werden zwar beim Betrügen erwischt, aber man hat keine Handhabe, um sie zu bestrafen. Solche Fälle gab es im Schach, aber auch in anderen Sportarten bei Fällen des medizinischen Dopings. Aus diesem Grund hat der Deutsche Schachbund für den Spielbetrieb in der zweiten Bundesliga (in der ersten Bundesliga ist die Bundesliga e.V. zuständig) eine "Spielervereinbarung" entworfen. Diese müssen die Spieler zwingend per Unterschrift akzeptieren, wenn sie am Spielbetrieb teilnehmen wollen.

In dieser Spielevereinbarung stimmt der Spieler u.a. zu, dass er und seine Mitbringsel im Verdachtsfall nach unerlaubten Hilfsmitteln durchsucht werden dürfen. Das ist nicht so harmlos, wie es bei vielleicht oberflächlicher Betrachtung den Anschein hat. Denn es bedeutet, dass der Spieler per Unterschrift jedem Schiedsrichter vor Ort erlaubt, ihn und seine Sachen zu durchsuchen, wenn der Schiedsrichter zu der Auffassung gekommen ist - berechtigt oder nicht -, dass dies nötig sei. Der Schiedsrichter kann aber natürlich auch falsch liegen und die Durchsuchung eines Spielers und seiner Sachen ist auf jeden Fall ein schwerwiegender Eingriff in die Persönlichkeitsrechte und berührt die Würde des Menschen - der hier eigentlich ja nur eine Partie Schach spielen will. 

Die Spielervereinbarung beinhaltet also Konfliktpotenzial. Dies wäre nicht vorhanden, wenn nicht einige Schachspieler der Meinung wären, sie müssten ihre Ergebnisse mit der unerlaubten Hilfe von Computern verbessern und ihre Gegner und auch die anderen Spieler im Turnier auf diese Weise betrügen. Doch auch im Schach gibt es eben Betrüger.

Als es noch ein Vielzahl von realen Turnieren gab, wurden eine Reihe von Betrugsfällen festgestellt, bei Deutschen Meisterschaften, in der Bundesliga, bei internationalen Open und selbst bei einer Schacholympiade. Die Strafen dafür waren leider viel zu milde, die Abschreckungswirkung zu gering. Und auch jetzt gibt es bei der Vielzahl von Onlineturnieren viele Verdachtsfälle und auch festgestellten Betrugsfälle. Auf welche Weise damit umzugehen ist, darüber sind sich Organisatoren und auch die FIDE nicht recht im Klaren. Die FIDE hat vor einigen Wochen eine Umfrage zu diesem Thema gestartet. Die Ergebnisse stehen noch aus.

Als der DSB begann, die Spielevereinbarung einzufordern, gab es auch Widerstand, da die Formulierungen und Strafen von einigen Spielern als zu rigide betrachtet wurden. Besonders der Godesberger SK und der Mannschaftsführer Bodo Schmidt protestierten. In der internen Diskussion im Verein, wie man mit der neuen Spielervereinbarung umzugehen hat, hat es den Verein fast zerrissen und die Mannschaft ging auseinander.

Bodo Schmidt ist inzwischen beim SC Siegburg zuhause und hat seine Abneigung gegen die Spielervereinbarung dorthin mitgenommen. Nachdem die Mannschaft des SC Siegburg aus der dritten in die zweite Liga aufgestiegen war, konnten die Spieler, die die Vereinbarung nicht unterschreiben wollten, nun nicht mehr eingesetzt werden. Der SC Siegburg klagte gegen die Regelung des Deutschen Schachbundes, kam damit aber nicht durch. Letzte Woche wurde die Klage vor einem Gericht in Berlin verhandelt und abgewiesen.

André Schulz

Pressemitteilung des Deutschen Schachbundes

Am 28.10.2020 hat das Amtsgericht Charlottenburg im Klageverfahren des SC 1919 Siegburg gegen den Deutschen Schachbund sein Urteil verkündet und die Siegburger Klage abgewiesen. Inzwischen liegen auch die schriftlichen Urteilsgründe vor.

Der SC Siegburg spielt bekanntlich in der 2. Bundesliga West, liegt dort auf Platz 3 und hofft auf den Aufstieg in die 1. Bundesliga. An Brett 1 spielt Dr. Robert Hübner, der sich mit zwei weiteren Spielern bislang geweigert hat, die vom Deutschen Schachbund vorformulierte Spielervereinbarung zu unterschreiben. Ohne Unterzeichnung der Spielervereinbarung wird keine Spielberechtigung für die 2. Bundesliga erteilt. Siegburg wollte deshalb den Deutschen Schachbund gerichtlich dazu zwingen, die Teilnahme dieser Spieler auch ohne Abschluss der Spielervereinbarung zu erlauben.

Das Amtsgericht hat dieser Siegburger Forderung eine deutliche Absage erteilt. Die Abweisung der Klage wird in erster Linie auf formale Erwägungen gestützt. Siegburg hatte die Feststellung beantragt, dass drei Siegburger Spielern eine Spielberechtigung zu erteilen sei und nicht von einer bedingungslosen Unterzeichnung der Spielervereinbarung abhängig gemacht werden dürfe.

Das Amtsgericht hielt diesen Antrag nicht für hinreichend bestimmt, da nicht erkennbar sei, welche Bedingungen Siegburg stellen will und vom Deutschen Schachbund akzeptiert werden sollen. Zum anderen sprach das Amtsgericht dem SC Siegburg das Recht ab, die Spielberechtigung seiner Spieler im eigenen Namen einzuklagen. Vielmehr hätten die Spieler selbst klagen müssen. Schließlich beanstandete das Amtsgericht auch noch, dass der SC Siegburg nicht unmittelbar auf Erteilung der Spielberechtigung geklagt hat, sondern nur auf Feststellung.

Obwohl eigentlich nicht mehr notwendig, hat sich das Amtsgericht auch inhaltlich gegen die Siegburger Forderung ausgesprochen und unserem Standpunkt angeschlossen. So hält auch das Amtsgericht den Abschluss der Spielervereinbarung für geboten, da die einzelnen Vereinsmitglieder nicht ohne weiteres der Strafgewalt des Deutschen Schachbunds unterliegen. Das gilt auch für Dr. Robert Hübner, der als Ehrenmitglied einen Sonderstatus besitzt.

Dabei hat es das Amtsgericht auch ausdrücklich gebilligt, dass diese Spielervereinbarung vom Deutschen Schachbund vorformuliert und einheitlich vorgegeben wird. Aus Sicht des Gerichts würde gerade ein individuelles Aushandeln der Spielervereinbarung zu einer Ungleichbehandlung und Bevorzugung einzelner Spieler oder Vereine führen. Somit ist also auch die Handhabung nicht zu beanstanden, keine Änderungen an den Spielervereinbarungen hinzunehmen.

Auch die weiteren Einwände des SC Siegburg (Verletzung des Persönlichkeitsrechts, abweichende Spielervereinbarung in der 1. Bundesliga) hielt das Amtsgericht nicht für überzeugend.

Im Ergebnis hat sich also das Amtsgericht vollumfänglich dem Standpunkt des Deutschen Schachbunds angeschlossen.

Thomas Strobl
Bundesrechtsberater des Deutschen Schachbundes
03.November 2020


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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