Munterer Turnierauftakt in Dortmund - Ponomarjow liegt vorn
Text und Fotos: Dagobert Kohlmeyer
Liegt nach zwei Runden in Dortmund in Führung: Ruslan Ponomariov
Seit Donnerstag sprechen im Schauspielhaus von Dortmund wieder die Figuren.
Das Teilnehmerfeld von sechs Großmeistern bildet eine Mischung aus bekannten
Gesichtern und neuen Gästen. Alle haben sich nach eigener Aussage gründlich
auf das diesjährige Sparkassen Chess-Meeting vorbereitet. Es ist schon die 38.
Auflage und mit der FIDE-Kategorie 20 wie gewohnt das stärkste klassische Schachturnier
des Jahres in Deutschland sowie eines der renommiertesten weltweit. Titelverteidiger
Wladimir Kramnik (Russland) und seine Kollegen kamen aus den verschiedensten
Richtungen und mussten vor dem ersten Zug im Stadttheater durch Oberbürgermeister
Ullrich Sierau eine mehr oder weniger schwierige Anfahrt bewältigen.
Dortmunds OB Ullrich Sierau eröffnet die Schachtage
Verlorene Koffer und Musik von Rammstein
Der neunfache Dortmund-Sieger Wladimir Kramnik kam aus Paris, wo er mit seiner
französischen Frau und der kleinen Tochter wohnt. Der Ungar Peter Leko reiste
aus Szeged mit seiner Frau Sofia sowie deren Eltern an.
Eine beschwerliche Tour hatten Großmeister Shakryar Mamedjarow (Aserbaidschan)
und sein Manager Rustam Najafow. Sie waren von Baku über Istanbul nach Deutschland
geflogen, doch beim Zwischenstopp in der Türkei ging ihr Gepäck verloren. Nach
der Landung in Düsseldorf fuhren die beiden erst einmal ins Spielerhotel zur
Pressekonferenz und zeigten sich am Abend auch beim Eröffnungsbankett in der
Sparkasse Dortmund. Dann gab es Entwarnung, ihre Koffer kamen mit der nächsten
Maschine und wurden ins Ringhotel Drees gebracht.
Shakryar Mamedjarov, Rustam Najafow
Ruslan Ponomarjow aus der Ukraine hat sich mit seinem Sekundanten Zahar Efimenko
in Spanien für die Schachtage präpariert. "Wir trainierten an einem schönen
Ort in der Nähe von Bilbao. Dort wehte immer ein frischer Wind, es war nicht
so heiß wie hier in Dortmund.", erzählte der Exweltmeister beim Frühstück. In
Spanien erlebten die zwei Großmeister auch ein Open-Air-Konzert der deutschen
Hardrock-Band "Rammstein", von dem sie ganz begeistert waren. Musik ist offensichtlich
immer eine gute Einstimmung aufs Schachspielen. Im Schauspielhaus erklingt deshalb
seit Jahr und Tag vor jeder Runde die großartige Hymne "Also sprach Zarathustra"
von Richard Strauss.
Ein erfolgreiches Team: Ruslan Ponomarjow (links) und Zahar Efimenko
Den weitesten Weg aller Figurenkünstler musste Neuling Le Quang Liem aus Vietnam
zurücklegen. Der 19-jährige Großmeister wird bei der Dortmund-Premiere von seiner
Mutter begleitet. Die kürzeste Strecke zum Arbeitsplatz auf der Schachbühne
hat natürlich Lokalmatador Arkadij Naiditsch. Gleichwohl: Noch wenige Tage zuvor
spielte er in Griechenland bei der dortigen Mannschaftsmeisterschaft. Arkadij
braucht folglich kein "warm up" für das Chess-Meeting, dachte manch einer seiner
Anhänger. Aber erstens kommt es anders und zweitens als man denkt…
Zwei Siege und ein Überraschungs-Remis
Schon der erste Spieltag im Schauspielhaus war sehr spannend und zeigte, dass
es in diesem Jahr im Revier munter zur Sache geht. Die Auftaktrunde brachte
zwei Siegpartien, die nicht unbedingt erwartet wurden. Von Beginn des 38. Sparkassen
Chess-Meetings an bieten die Großmeister hier couragiertes Schach und kämpfen
ihre Spiele voll aus. Das liegt ganz sicher auch an der verschärften Remis-Regelung
á la Sofia, die es den Spielern untersagt, allzu früh die Friedenspfeife zu
rauchen und sie verpflichtet, das Unentschieden nur über den Schiedsrichter
zu beantragen.
Das bisher längste Duell lieferten sich Wladimir Kramnik und Le Quang Liem.
Nach mehr als sechs Stunden hatte der Neuling aus Vietnam mit Schwarz in einem
Damengambit ein überraschendes Remis gegen den russischen Exweltmeister geschafft.
"Ich habe alles versucht und Druck gemacht, aber mein Gegner spielte ganz genau
und verteidigte sich sehr gut", lobte der Dortmund-Seriensieger den beherzten
Auftritt des 19-jährigen Talents.
Wladimir Kramnik gegen Le Quang Liem
Den ersten Sieg des Turniers feierte Shakryar Mamedjarow. Der Großmeister aus
Aserbaidschan gewann gegen den Dortmunder Arkadij Naiditsch nach 47 Zügen. In
der Sizilianischen Partie hatte die deutsche Nr. 1 mit Weiß eine scharfe Variante
gewählt, aber danach nicht die besten Züge ausgeführt. Mamedjarow konnte deshalb
in ein günstiges Endspiel überleiten, das ihm den vollen Punkt einbrachte.
Arkadij Naiditsch gegen Shakryar Mamedyarow
Einen harten Kampf lieferten sich Ruslan Ponomarjow und Peter Leko. Der ukrainische
Exweltmeister überraschte den Ungarn mit der Schottischen Partie. Leko brachte
dann in der Eröffnung zwar einen neuen Turmzug, verlor aber später den Spielfaden.
Im 17. Zug wurden die Damen getauscht, was Ponomarjow hinterher als Fehler von
Schwarz einschätzte."Peter hätte das besser nicht tun sollen, weil mein König
in der Brettmitte unsicher stand. Als die Damen vom Brett verschwunden waren,
war meine Position schon etwas besser."
Ruslan Ponomariov gegen Peter Leko
Den entscheidenden Fehler beging Leko dann mit seinem riskanten Bauernvorstoß
a5 am Damenflügel. Danach erhielt Ponomarjow einen starken Freibauern auf der
a-Linie, der nicht mehr zu stoppen war. Leko wehrte sich verzweifelt, musste
aber nach fünf Stunden kapitulieren. Nach seinem Punktgewinn sagte Ponomarjow
tags darauf gut gelaunt beim Frühstück im Spielerhotel: "Ein gelungener Start,
so kann es weiter gehen. Ich freue mich auf die nächste Partie."
Ponomarjow gewinnt Duell der Exweltmeister
Ruslan Ponomarjows Gegner in Runde 2 war am Freitag kein Geringerer als der
Topfavorit Wladimir Kramnik. Der 35-jährige Turniersenior hatte Schwarz und
die lange Partie vom Abend davor gegen den Vietnamesen Le Quang Liem noch in
den Knochen. Würde sich das auswirken? Wer das vermutete, lag richtig.
Ponomarjow erwischte Kramnik auf dem falschen Fuß
Ponomarjow eröffnete mit 1.d4, und sie spielten Damenindisch (Bogoljubow-Variante).
Mit 10…Dc8?! leistete sich Kramnik eine Ungenauigkeit, die Ponomarjow in der
Folge entschlossen ausnutzte. Der normale Zug an dieser Stelle ist nach Auskunft
von Ruslans Sekundanten Zahar Efimenko 10… Sfd7.
"Ich entwickelte nach dem schwachen Textzug von Schwarz meine Figuren weiter
und bemühte mich um aktives Spiel", sagte Ponomarjow hinterher im Pressezentrum.
Nach 17…Dd8? (statt 17…Ld8) kam Kramnik noch mehr ins Hintertreffen, so dass
der Ukrainer den Angriffsdruck mehr und mehr verstärken konnte. Im 36. Zug kapitulierte
der neunfache Sieger von Dortmund. Ruslan Ponomarjow war sichtlich zufrieden
und konstatierte: "Ich hätte nicht gedacht, dass ich nach zwei Runden mit 2,0
Punkten in Führung liegen würde, zumal ich gegen die beiden erfahrensten Spieler
des Feldes gewonnen habe." Aber er ruderte sofort zurück und verwies darauf,
dass das Turnier noch lang sei und er in der Rückrunde gegen Kramnik und Leko
Schwarz hat. Da könne noch viel passieren. Und Mamedjarow sei ja auch noch da
und immer ein sehr gefährlicher Gegner.
Immer gefährlich: Shakryar Mamedyarow
Am Nachbartisch trennten sich unterdessen Le Quang Liem und Arkadij Naiditsch
in einem Damengambit remis. Der Vietnamese hatte lange Zeit eine vorteilhafte
Stellung, ließ den Dortmunder aber am Ende ins Dauerschach entschlüpfen. Die
längste Partie der zweiten Runde spielten Peter Leko und Shakryar Mamedjarow.
Der Ungar wollte nach seiner Niederlage gegen Ponomarjow ins Turnier zurück
und die Königsindische Verteidigung des Mannes aus Baku knacken. Peter war auf
einem guten Weg dorthin, hatte eine vorzügliche Angriffsstellung und einen Mehrbauern,
aber leistete sich mit 35. Tc7 ein ungenaues Turmmanöver. Danach konnte Mamedjarow
seinen Kopf nochmal aus der Schlinge ziehen und sich ins Remis retten. Der Großmeister
aus Szeged war nach dem viereinhalbstündigen Kampf erst einmal untröstlich.
Peter Leko leidet unter Startschwierigkeiten: Nach der Auftaktniederlage gegen
Ruslan Ponomariov konnte er eine vorteilhafte Stellung gegen Mamedyarow nicht
gewinnen.
In Runde 3 am Samstag spielen Kramnik - Leko, Naiditsch - Ponomarjow, Mamedjarow
- Le Quang Liem.