Auftakt der Chess960 Rapid World Championship: Tactics Rule
Text: Johannes Fischer, Fotos: Christian Bossert
Auf die Taktik kommt es an. Wegen der zufälligen Aufstellung der Figuren müsse
man im Chess960 einfach alles sehen hatte Viktor Bologan bei der Pressekonferenz
erklärt und auch Levon Aronian hatte in Interviews betont, wie wichtig die Taktik
im Chess960 ist. Die ersten drei Runden der Chess960 Rapid World Championship
gaben ihnen Recht. Immer wieder ergaben sich ungewöhnliche taktischen Konstellationen
- und es war Levon Aronian, der damit am besten zurecht kam.
Das bewies er gleich in der Auftaktrunde gegen Hikaru Nakamura. Schon in der
Eröffnung gab er seine Dame gegen zwei Türme und brachte seine Figuren danach
mit scheinbarer Mühelosigkeit auf starke Felder. Nakamura geriet unter Druck
und musste eine Qualität geben, doch dann nutzte Aronian sein materielles Übergewicht,
um den weißen König elegant Matt zu setzen.
Auch die Partie zwischen Sergei Movsesian und Viktor Bologan war von Beginn
taktisch geprägt. Taktische Tricks sicherten Bologan Vorteil, ein taktischer
Trick erlaubte es Movsesian sich zu befreien. Doch ganz verschwunden war der
schwarze Druck nie und nach einer Ungenauigkeit des Weißen sicherte sich Bologan
eine Gewinnstellung, die er bald in einen ganzen Punkt verwandelte.
Diesem verheißungsvollen Auftakt folgte jedoch schnell die Ernüchterung. In
der zweiten Runde fiel Bologan nach einem Rechenfehler einem brutalen Mattangriff
Aronians zum Opfer.
Stellung nach 15...Lg7. Es folgte
16.Txa7 Txa7 17.Sb5 cxb5 18.Dxa7+ Kc8 19.Sxe5
fxe5 20.Lb6 De7 21.Da8+ Kd7 22.Lxd8 und Schwarz gab auf.
Damit hatte Aronian mit 2 aus 2 seine Favoritenrolle bestätigt. Im Gegensatz
zu Geheimfavorit Hikaru Nakamura. Nach der Auftaktniederlage des Amerikaners
gegen Aronian liefen die Dinge auch gegen Movsesian anders als erhofft. Er spielte
mit Weiß, übte gleich in der Eröffnung Druck aus und ging einer Zugwiederholung
aus dem Wege, nur um dann den Faden und später die Partie zu verlieren. "Nach
10 Zügen stand ich fast auf Gewinn, aber wurde dann unvorsichtig", meinte Nakamura
in der Pressekonferenz.
Hikaru Nakamura. Organisator Hans-Walter Schmitt verfolgt das Geschehen im Hintergrund.
Doch in der dritten Runde fing er sich und kam mit Schwarz gegen Bologan zu
seinem ersten Sieg. Bologan und Nakamura nahmen sich gegenseitig die Bauern
weg, doch da Nakamura einen Bauern mehr ergattern konnte, hatte er deutliche
Endspielvorteile, die sich schließlich auch bezahlt machten.
Bei Movsesian und Aronian ging es von Anfang an scharf zu. Beide wollten sich
die Initiative sichern und scheuten dabei vor Materialopfern nicht zurück. Und
sah es zunächst so aus, als ob Movsesian mit Weiß das Tempo diktierte, wendete
sich das Blatt, als Aronian zu einem starken Konter kam. Plötzlich war die weiße
Stellung kritisch und Movsesians Suche nach Gegenchancen beschleunigte nur seinen
Untergang.
Stellung nach 13.d5
Es folgte:
13...e3 14.Ld1 exf2+ 15.Kxf2 gxh6 16.S1e2 Sg4+ 17.Kg1 Lg5 18.La4+
Ke7 19.Dc2 Le3+ 20.Kf1 Lf4 21.Sf5+ exf5 22.Th3 Le5 23.Sc3 Kf6 24.Dd3 Tg5 25.d6
Kg7 26.d7 Sxd7 27.Lxd7 Ld4 28.Ke2 Sf2 0-1
Damit ergibt sich nach dem ersten Tag eine kuriose Tabellensituation: 3 Spieler
teilen sich mit 1 aus 3 die Plätze 2 bis 4 und werden morgen erbittert um den
Einzug ins Finale kämpfen. Aronian hingegen führt mit 3 aus 3 souverän die Tabelle
an und ist mehr denn je Favorit, seinen Weltmeistertitel erfolgreich zu verteidigen.
"Alle Partien waren hart umkämpft und schwer", erklärte Aronian auf der Pressekonferenz.
Nach außen wirkte sein Schach jedoch spielerisch leicht. Oft ein Zeichen wirklich
großen Könnens.