Schach an der Schule: Ein Erfahrungsbericht

von ChessBase
19.01.2018 – Franz Reisgis ist Lehrer am Gymnasium Ohlstedt und hat dort Schach als reguläres Unterrichtsfach eingeführt. Im letzten Jahr erhielt das Gymnasium die Auszeichnung Deutsche Schachschule. Für den Schachunterricht hat Franz Reisgis ein ausführliches Curriculum ausgearbeitet. Nach drei Jahren Schachunterricht berichtet er hier von seinen Lehrmethoden und Erfahrungen. (Franz Reisgis mit Schulleiter Hendrik Löns, Foto: Gymnasium Ohlstedt)

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Die ersten dreieinhalb Jahre regulärer Schachunterricht sind vorbei. Darüber habe ich eine kurze Zusammenfassung geschrieben. Ich beurteile die bisherigen Erfahrungen als gut. Nichtsdestotrotz versuche ich, den Unterricht ständig weiter zu verbessern. Die damaligen Schüler der Klasse 8 gehen jetzt in die 11. Klasse (S 1). Für den nächsten Durchgang sind wieder einige Schüler dazu gekommen, die erst am Anfang ihres Schachverständnisses stehen. Sie lernen aber schnell.

Wir haben natürlich auch an allen Schulturnieren in Hamburg teilgenommen, und haben dabei auch einige Pokale gewonnen. Gegen Mannschaften mit Vereinsspielern haben wir aber meist (noch) keine Chance. 

Wir besitzen seit Anfang des Jahres 2017 jetzt auch die Auszeichnung "Deutsche Schachschule". Mein "Schach Curriculum" wird ständig ergänzt und verbessert. Die aktuelle Ausgabe finden Sie am Ende des Erfahrungsberichts zum Download.

Leider sind zwei Stunden die Woche (montags 14-15.30 Uhr) zu wenig - für mich. Ich möchte den Schülern schneller den Stoff vermitteln. Aber Grundkenntnisse - auch zum Teil vertieft - haben die Schüler in den letzten drei Jahren vermittelt bekommen.

Jetzt bereite ich langsam meine Nachfolge vor. Ich bin jetzt 65,5 Jahre alt und darf noch bis Ende des Schuljahres (Ende Juli 2018) unterrichten. Danach gehe ich nach über 41 Jahren ununterbrochenen Schuldienstes in den Ruhestand. Eventuell kann ich im Rahmen eines Lehrauftrages den Unterricht fortführen.

 

Erfahrungsbericht nach drei Jahren Schachunterricht und erste Folgerungen

Vorrede

Dieser Bericht bezieht sich zum einen auf den Schachunterricht am Gymnasium Ohlstedt im Wahlpflichtbereich (Klasse 8-10). Die Schule bietet dieses Fach seit dem Schuljahr 2014/15 als reguläres Schulfach an. Zum anderen beziehe ich dabei natürlich das für den Unterricht erstellte und ständig erweiterte und für jeden zugängliche Curriculum (https://www.gymnasium-ohlstedt.de/department/schach/) mit ein.

Raumgröße und Anzahl der Kursteilnehmer

Unterrichtet wird in einem „normalen“ Klassenraum, der Platz bietet für 32 Schüler (1) (die dann allerdings eng sitzen). Der Kurs wird im Mittel von 16 Schülern besucht, so dass für die Mitarbeit Richtung Smartboard wie auch für das Spiel mit- und gegeneinander genug Platz vorhanden ist.

Heterogenität des Kurses

Spielstärke

Die Spielstärke der Schüler lag zwischen Elo 900-1500. Eine Binnendifferenzierung war trotzdem in verschiedenen Varianten möglich:

  • leistungshomogene Paarungen
  • heterogene Paarungen, wobei der Stärkere die Aufgabe hatte, den Schwächeren auf mögliche Schwächen und/oder Fehler hinzuweisen
  • Mattaufgaben (von Matt in 1 bis Vorteil in 2)
  • Endspielaufgaben verschiedener Schwierigkeitsgrade
  • gemeinsame Analyse von Stellungsbildern, wobei im Gespräch auch die Schwächeren nach einiger Unterrichtszeit zu brauchbaren Ergebnissen kamen.

Alter und Geschlecht

Da der Kurs für Schüler der 8.-10. Klasse stattfindet, sind die Schüler zwischen 14-17 Jahre alt. Mädchen wählen den Kurs in der Regel nur, wenn mindestens auch ein anderes Mädchen den Kurs wählt. In der Regel gibt es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Geschlechtern hinsichtlich Mitarbeit und Leistungen.

Ausstattung

  • 3 Demobretter
  • 1 Smartboard
  • 20 Bretter
  • 22 Figurensätze
  • 20 Uhren
  • jede Menge Partienzettel
  • kleine Schachbibliothek

Zeit

Wöchentlich findet eine Doppelstunde (90 Minuten) statt – vom Stundenplan her in der 7./8. Stunde (14-15:30 Uhr). Da die Schüler vorher durchgehend sechs Unterrichtsstunden hatten, besaßen die Schüler anfangs nicht mehr die volle Aufmerksamkeit und Konzentration. Das änderte sich meistens, wenn die Schüler von dem jeweiligen Thema und der Aufgabe sich besonders angesprochen fühlten. Mindestens 30-45 Minuten jeder Doppelstunde waren/sind für die Spielpraxis reserviert. Das alles schränkt natürlich den möglichen Umfang des Theorieunterrichtes ein (aber die Schüler sollen durch den Unterricht unter anderem auch zur lebenslangen Freude am Schachsport/Schachspielen motiviert werden).

Inhalte

Allgemein

Es wurde versucht, das gesamte Spektrum des Schachspielens abzudecken: Taktik, Endspiel, Eröffnung, Spielpsychologie. Lediglich der Bereich Strategie war nur sehr knapp vorhanden.

Schachspezifisch

Taktik:

Die wesentlichen taktische Motive wurde mittels Smartboard + Chessbase + Chessbase-DVDs sowie Arbeitskopien (auf denen die Motive vorgestellt und Beispiele gezeigt wurden; Aufgabenblätter dazu forderten die Schüler zur Umsetzung des Gelernten auf) behandelt.

Eröffnungen:

Nach dem Studium selbst gespielter Partien wurden erste Grundsätze erarbeitet. Diese wurden dann ergänzt und die Spieler aufgefordert, bei den Partien auf diese zu achten. Ausführlich wurde die Schottische Eröffnung behandelt, da sie etwas aggressiver ist als die Italienische oder die Spanische Eröffnung, was der Mentalität der jüngeren Schüler geschuldet ist. Die Italienische und die Spanische Eröffnung wurden dann anhand von Papieren, Demobrett und Übungspapieren gelehrt.
Bei allen gelehrten Eröffnungen wurden für die praktischen Übungen dann nur die jeweils etwa ersten 5 Züge vorgegeben, die Schüler wurden aufgefordert, die Partie frei fort zu setzen (jeweils mit Weiß und Schwarz). Die Ergebnisse wurden dann in der Klasse am Demobrett gemeinsam diskutiert. Die Schüler wurden dann aufgefordert, auf der Website von ChessBase Partien mit diesen Eröffnungen nachzuspielen.

Zum Verhältnis von Taktik und Eröffnungen:

Das Erkennen von gelernten taktischen Motiven und ihre Umsetzung wurde bei den Schülern in ihren Partien immer wieder beobachtet (was diesen auch Freude machte). Eröffnungsfehler führten aber immer wieder dazu, dass die Schüler dann schnell in Nachteil gerieten (was diesen weniger Freude bereitete) – selbst in dem Wissen, dass auch ihren Gegnern dies im Laufe der Eröffnung noch passieren kann. Deshalb werde ich bei dem jetzt beginnenden zweiten 3-Jahres-Durchgang schon am Anfang einfache Eröffnungsgrundsätze/-prinzipen erarbeiten (lassen).

Strategie:

Da ich für den Könnensbereich der Schüler die Themenfelder Eröffnung, Taktik und Spiel anfangs für wichtiger erachtete, blieb nicht viel Zeit für strategische Themen. Angesprochen und demonstriert wurden Gute Läufer-Schlechte Läufer, Dominanz, Blockade, Vereinfachung. Eine für mich wichtig gewordene Frage ist, ob diese Lehrweise für die Schüler nicht überfordernd ist und ihnen zum Teil den Spaß am Spiel nimmt.

Werner Kaufmann bietet da einen anderen Ansatz (www.wernerkaufmabb.ch/?page_id=130):

„Im Schach geht es um drei Sachen:

  • 1. Drohungen ansehen.
  • 2. Alles angreifen.
  • 3. Nichts einstellen.“

Ein in der 15-seitigen Darlegung interessanter Ansatz. Ich werde ihn ausprobieren, vergleichen und dann darüber demnächst an dieser Stelle berichten.

Stellungsanalyse/Stellungsbewertung

Für Schüler – auch für die Anfänger – ein interessantes Thema. Nach der einleitenden Frage „Was sehen wir“ kamen immer sehr interessante und fruchtbare Diskussion auf. Weiter wurde nach dem Prinzip der sokratischen Methode (siehe Seite 17) gearbeitet. Die Schüler entwickelten schnell einige wichtige Punkte der Stellungsbeurteilung. Sie versuchten sich in die jeweilige Seite hineinzudenken und mögliche Pläne zu entdecken. Meiner Meinung nach eine wichtige Methode für das Schachlernen der Schüler!

Spiel

Ein wesentlicher Teil des Schachlernens ist das konkrete Spiel. Es wurde auch immer wieder von den Schülern gefordert. Am liebsten spielten sie Schnell- oder 5-Minuten-Blitzpartien spielen. Dabei machte ich sie darauf aufmerksam, dass sie so in der Regel keine guten Schachspieler werden – und verweise auf die Weltspitze (die fast alle zuerst sehr gute Langpartie-Spieler waren und sind). Aus diesem Grunde sorgte ich dafür, dass für Langpartien immer mindestens 30 Minuten der Doppelstunde reserviert waren. Sehr oft mussten Sie die Partien auch auf dem Partiezettel notieren, so dass

  • a) sie diese Partie gemeinsam nachspielen konnten und
  • b) ich die Zettel dann an mich nehmen konnte um sie zu Hause auszuwerten.

Diese Auswertung bekamen die Schüler dann kommentiert im gemeinsamen Gespräch zurück.

Bei den schwächeren Schülern war immer wieder zu beobachten, dass sie ihre Partie häufig schon nach 15-20 Minuten (manchmal auch eher) beendet hatten – vor allem, weil einer von Beiden mehr oder weniger katastrophale Fehler gemacht hatte. Die Schüler wurden von mir mittels verschiedener Methoden angeleitet, sich beim Überlegen mehr Zeit zu nehmen (manchmal legte ich einen Euro neben das Brett für den Sieger – und schon wurde länger nachgedacht).

Turniere

Wir nahmen/nehmen an allen Turnieren teil, die sich im Hamburger Raum für uns anboten (Hamburger Mannschaftsmeisterschaften, Springer-Pokal, Wandsbek-Cup, Rechtes gegen Linkes Alsterufer). Da die Turnierleistungen der Schüler des Schachunterrichtes auch notenrelevant waren, wurde jeweils bis zuletzt gekämpft (natürlich spielte für die Leistungsbeurteilung die Stärke des Gegners eine Rolle (zum Beispiel konnte sich mein bester Schüler gegen Luis Engels lange behaupten, was natürlich eine sehr gute Note zur Folge hatte).

Zweimal im Jahr (vor den Sommerferien und vor den Weihnachtsferien) veranstalteten/veranstalten wir ein schulinternes Turnier, das dann für alle Schüler der Schüler offen war.

(1) Aus Gründen der Lesbarkeit wird das generische Maskulinum verwendet, welches weibliche wie männliche Personen gleichermaßen einschließt.

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Download:

Curriculum Schach, Aktualisierte Fassung vom 10.09.2017 (pdf)...

Link:

Gymnasium Ohlstedt, Department Schach...

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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