Melanie und Niclas „simul(t)ierten“ in
Berlin
Von Dagobert Kohlmeyer
Die Zeitung „Neue Deutschland“
lud am vergangenen Wochenende in Berlin zu ihrem traditionellen Pressefest ein,
und Schach durfte dabei natürlich nicht fehlen. Diesmal wurde sogar in mehreren
Disziplinen gespielt. Beim Simultan traten am Samstag Nationalspielerin Melanie
Ohme aus Leipzig
und am Sonntag der amtierende
deutsche Meister Niclas Huschenbeth an.
Der Reporter beobachtete die
Vorstellung des Hamburgers, der am zweiten Tag auf engagierte Gegner traf. Eine
Kindergruppe aus Potsdam war mit ihrem Trainer Ludwig Stern gekommen, um vom
deutschen Titelträger möglichst viel zu lernen. Und Niclas nahm sich vier
Stunden Zeit für sie und alle anderen Schachfreunde.
Wer verloren hatte, durfte es
nochmal probieren. Wer noch nicht ziehen wollte, wenn der Hamburger Abiturient
ans Brett kam, konnte weiter überlegen.
Ludwig Stern mit Schachschülern
Es war eine ganz entspannte
Atmosphäre, das Wetter spielte auch mit, so dass keiner nass wurde. Jung und Alt
versammelte sich um die Bretter und hatte eine Menge Spaß dabei.
Pause
Schauplatz war die berühmte
Kulturbrauerei im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg.
Paul Werner Wagner gab Schachuntereicht für Kinder
Während Niclas Huschenbeth
seine Kreise zog, spielte um die Ecke auf dem langen Innenhof eine Bigband, es
gab unzählige Bücherstände, Diskussionspodien und natürlich Kulinarisches. Nach
zweieinhalb Stunden bekam Niclas Hunger, worauf die Jugendspielerin Valeria
Velina von Empor Berlin ihm eine Bratwurst holte. Die beiden kennen sich von
verschiedenen Turnieren. Seine Bratwurst essend, spielte der deutsche Meister
weiter.
Valeria Velina
Niclas wurde bei seinen
Rundgängen auch einige Mal von Kiebitzen nach seiner Vita gefragt.
Eine ältere Dame wollte wissen,
welchen Beruf er habe und tippte auf Physiker. Lächelnd erklärte Niclas, dass er
gerade sein Abitur gebaut habe und als Nächstes vorhabe, erst einmal zur
Bundeswehr zu gehen. In der Sportkompanie waren vor ihm ja schon viele andere
Schachgrößen wie der vorjährige deutsche Meister Arik Braun, Großmeisterin
Elisabeth Pähtz u.a.
Kleine Pausen legte Niclas nur
ein, wenn ein Gegner partout nicht ziehen oder aufgeben wollte.
Zum Beispiel der vietnamesische
Arzt Nguen Anh Tu, der sich lieber für unser Schach entschieden hatte und nicht
für das chinesische Xiangq, das diesmal beim ND-Pressefest auch angeboten wurde.
Kaum war die erste Simultanpartie vergeigt, versuchte der Mediziner es nochmal.
Helmut Pöltelt
Von zwei Gegnern wurde Niclas
Huschenbeth ernster geprüft. Der frühere DDR-Spitzenspieler Michael Stettler war
aus dem brandenburgischen Beeskow gekommen und zog sich mit einem Remis achtbar
aus der Affäre.
Michael Stettler
Noch besser machte es Professor
Wolfram Heimbrodt (SC Friesen-Lichtenberg), der sein Spiel gewinnen konnte. Sein
Sohn neben ihm hatte weniger Glück. Hier die Siegpartie von Heimbrodt-Senior.
W. Heimbrodt – N. Huschenbeth
Pirc-Verteidigung B09
1.e4
d6 2.d4 g6 3.Sc3 Lg7 4.f4 Sf6 5.Sf3 0-0 6.Ld3 Sc6 7.Le3 Lg4 8.0-0 e5 9.Le2 Lxf3
10.Lxf3 exd4 11.Lxd4 Sxd4 12.Dxd4 De7 13.Tae1 c6 14.Td1 Se8 15.Dd3 Td8 16.Td2
Sc7 17.Tfd1 Se6 18.g3 Tfe8 19.De3 Dc7 20.Kg2 b5 21.b3 Sc5 22.e5 b4
23.exd6? (23.Txd6 Txd6 24.exd6) 23...Db6 24.Se4 Sxe4 25.Dxb6 axb6 26.Te2 f5
27.g4 Te6 28.d7 Te7 29.gxf5 gxf5 30.Td6 c5 31.Td5 Texd7 32.Txf5 Sc3 33.Te6 Td2+
34.Kg3 T2d6 35.Te7 T6d7 36.Te6 (Remisangebot von Niclas) Sxa2 37.Txb6 Ld4 38.Le2
Sc3 39.Lc4+ Kh8 40.Th5 Se4+ 41.Kf3 Sd2+ 42.Kg4 Sxc4 43.bxc4 Tf7 44.f5 Lc3 45.Th3
Td4+ 0-1
Professor Wolfram Heimbrodt, li. Frank Hoppe
Detlef Just vom Berliner SC
Zugzwang wehrte sich tapfer, aber konnte Huschenbeth nicht bezwingen.
N. Huschenbeth – D. Just
Pirc-Verteidigung B06
1.e4 g6 2.d4 Lg7 3.Sc3 d6 4.f4 Sd7 5.Sf3 c5 6.Le3 Sgf6 7.Ld3 Sg4 8.Lg1 0-0 9.h3
Sgf6 10.Dd2 a6 11.e5 Se8 12.0–0–0 b5 13.Le4 Tb8 14.dxc5 Da5 15.c6 Sc5 16.Lxc5
dxc5 17.Kb1 Le6 18.Sd5 b4 19.Sxe7+ Kh8 20.Ld5 Sc7 21.Lxe6 fxe6 22.Dd7 c4 23.Sd2
Tbd8 24.Sxc4 Txd7 25.Txd7 Dc5 26.Sd6 Txf4 27.Txc7 Dxe5 28.Tc8+ Lf8 29.Sef5 Txf5
30.Sxf5 Dxf5 (Remisangebot von Detlef)
Weiter geht’s. 31.c7 b3 32.axb3 e5 33.Td8 1-0
Beim chinesischen Schach Xiangqi trafen
sich Enthusiasten aus Hamburg, Leipzig und Berlin, um unter freiem Himmel ein
Turnier zu spielen und interessierten Besuchern die Regeln zu erklären. Dafür
war ein Extra-Podest gebaut worden.
An einem großen Demobrett wurde Dr. René
Gralla nicht müde, die strategischen Pläne des fremdartigen Spiels sowie die
Gangart von General, Kanone und Streitwagen zu erläutern.
Dr. René Gralla erklärt das Xiangqi
Besonders Kinder interessierten sich für das
exotische Spiel. Xiangqi wird von vielen vietnamesischen Bürgern gespielt, die
in Deutschland leben, so von den Mitgliedern des Vereins der Vietnamesen in
Leipzig, die an diesem Wochenende extra nach Berlin kamen.
Ihr Vorsitzender Bui Quang Huy gab dabei
eine besonders gute Figur ab. Stundenlang spielten sie mit großer Geduld, bis
die Sieger feststanden.
Bui Quang Huy
Unter den Organisatoren war auch Jürgen
Woscidlo aus Hamburg, der das große Demobrett für René Gralla gebastelt hatte.
Nguyen Nhu Phuong, Jürgen Woscidlo
Der 43-Jährige erzählte uns, dass er Xiangqi
in einer Hamburger Grundschule (Grumbrecht-Straße in Hamburg-Harburg) als
Unterrichtsfach eingeführt hat. Eine tolle Idee.
Insgesamt war das Pressefest wieder eine
gute Werbung für das Spiel der Könige. Das ND ist auch eine der wenigen
deutschen Zeitungen mit einer wöchentlichen Schachecke. Bei Olympiaden und
Weltmeisterschaften wird unserem Sport von dem linken Blatt immer sehr viel
Platz eingeräumt.
Damit nicht genug Schach in Berlin. An
diesem Wochenende fanden auch im Rathaus Schöneberg Turniere statt. Sieger im
Berliner Schnellschach Grand Prix 2009/10 wurde Großmeister Robert Rabiega nach
Feinwertung vor IM Ilja Schneider. Das Finale war spannend, doch Rabiega gewann
wieder einmal den 1. Preis, obwohl er eine Partie gegen René Stern abgeben
musste.
Endstand: 1.-2. Robert Rabiega, Ilja
Schneider je 8½, 3.-4. Rainer Polzin, René Stern je 8, 5. Lars Thiede 7, 6.-7.
Ulf von Herman, Hasan Krasnici je 6½, 8. Sergej Kalinitschew 5, 9. Jakob Meister
3½, 10.-11. Michail Sawlin, Michael Schulz je 2, 12. Wladimir Fainstein ½
Im traditionellen Vergleich Veteranen gegen
Jugend, ebenfalls im Rathaus Schöneberg, gewann einmal mehr die Erfahrung. Die
Berliner Oldies siegten mit 41:29 Punkten.