13.10.2018 – Die Serie "Babylon Berlin", die im Moment für Furore sorgt, ist die bislang teuerste Produktion des deutschen Fernsehens. Sie spielt im Berlin von 1929 und ein zentraler Schauplatz der Serie ist das Vergnügungslokal „Moka Efti“. Hier treffen sich die Hauptfiguren der Serie um zu tanzen, Geschäfte zu machen, Verbrechen zu planen, nach Verbrechern zu fahnden, ins Bordell zu gehen oder im Bordell zu arbeiten. Das Moka Efti gab es wirklich. Ende der 20er und Anfang der 30er Jahren zählte es zu den bekanntesten Cafés Berlin – und hatte eine bunte und reiche Schachgeschichte. | Foto: ARD
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Das Moka Efti - Geschichte
Den Namen "Moka Efti" verdankt das Lokal seinem Besitzer, dem italienisch-griechisch stämmigen Unternehmer Giovanni Eftimaides. Er hatte das Café 1926 mit Hilfe britischer Investoren gekauft und zu einer Attraktion gemacht. Das Moka Efti hatte eine Fläche von 2.800 Quadratmetern und erstreckte sich über drei Stockwerke, am Nachmittag wurde Kaffee ausgeschenkt – angeblich täglich bis zu 25.000 Tassen – am Abend wurde getanzt. Johanna Niedbalski schreibt in einem Beitrag für den RBB über die Drehorte von Babylon Berlin über das historische Lokal:
Das echte Moka Efti ist weder Großraumdisko noch Restaurant oder Bordell. Das echte Moka Efti ist ein Kaffeehaus, ausgestattet mit Extravaganzen. Eröffnet wird es im April 1929 in bester Citylage an der Ecke Friedrichstraße/Leipziger Straße. ... Die Teppiche, die Bemalung der Decken und Wände, der Stoff, mit dem die Sessel bezogen sind - alles weckt Assoziationen an 1001 Nacht. ... Außergewöhnlich am Moka Efti ist sein Friseursalon. Ebenfalls außergewöhnlich ist das Schreibzimmer mit Postamt, in dem Sekretärinnen die Korrespondenz der Besucherinnen und Besucher erledigen. ... Am außergewöhnlichsten ist die Rolltreppe, die die Gäste vom Straßenniveau in die im ersten Stock gelegenen Räume des Café befördert. Denn Rolltreppen sind in diesen Jahren noch eine Seltenheit – und damit eine Attraktion.
Allerdings erwähnen weder die Serie noch Niedbalski die reiche Schachtradition des Moka Efti. Der ist Andreas Lange nachgegangen, und was er herausgefunden hat, verrät er im Forum der Webseite Die Geschichte Berlins. Er zitiert dabei ausführlich aus den Berliner Schachnotizen von Frank Hoppe, der wiederum sich mit der Person von Hugo Kerkau beschäftigt hat, seines Zeichens Billardweltmeister, Eigentümer und Gründer des berühmten Kerkau-Palastes und somit eine wichtige Figur der damaligen Berliner Schachszene.
Hugo Kerkau
Kerkau gehörte auch das Café Kerkau, das Vorläufer des Moka Efti war. Andreas Lange schreibt:
Das Café Kerkau war an der Friedrichstraße 59/60, Ecke Leipziger Straße beheimatet. Hier war 1887/89 im Auftrag der New Yorker Lebensversicherungsgesellschaft Equitable vom Architekten Carl Schaefer der "Equitable-Palast" errichtet worden. Im ersten und zweiten Geschoß war das Café Kerkau zu Hause. Der erste Stock besaß einen Damen-Salon. Hier wurde auch zum Tanz aufgespielt. Und Billard wurde im Café Kerkau gespielt. Später zog in die Räumlichkeiten das Café Zielka Equitable mit Billard und Kleinkunst ein, und seit 1929 das berühmte Tanz-Café Moka Efti mit Swingmusik. Bands wie die von James Kok traten hier auf.
Das Café Kerkau, Ecke Friedrichstraße/Leipziger Straße
Im Café Kerkau, dem späteren Moka Efti, hatte auch die Berliner Schachgesellschaft, der älteste noch existierende Schachverein Deutschlands, zeitweilig ihren Sitz. Die Berliner Schachgesellschaft fusionierte 1949 mit der Schachvereinigung Eckbauer 1925 und trägt heute den Namen Berliner Schachgesellschaft Eckbauer 1927.
Zu den prominentesten Mitgliedern der Berliner Schachgesellschaft gehören Adolf Anderssen, Johannes Hermann Zukertort und Emanuel Lasker, aber auch die so genannten Plejaden – Ludwig Bledow, Tassilo von Heydebrand und der Lasa, Paul Rudolph von Bilguer, Wilhelm Hanstein, Bernhard Horwitz, Carl Mayet und Karl Schorn – die Theorie und Praxis des Schachs maßgeblich beeinflußt haben. Der Bilguer, lange Jahre das wichtigste eröffnungstheoretische Nachschlagewerk der Schachwelt und auch die 1846 gegründete Deutsche Schachzeitung gingen aus dieser Gruppe hervor.
Turniere
1926, kurz bevor das Café Zielka den Besitzer wechselte und zum Café Equitable wurde, organisierte die Freie Schachvereinigung Berlin dort ein stark besetztes Meisterturnier, das Efim Boguljubow mit 7 aus 9 vor Akiba Rubinstein gewann.
Doch auch der neue Besitzer setzte die Schachtradition des Hauses fort und so konnte die Freie Schachvereinigung dort auch 1927 wieder ein Turnier organisieren. Alfred Brinkmann gewann vor Sämisch, Boguljubow und Nimzowitsch.
Berliner Meisterturnier 1927 - Endstand nach 9 Runden
Auch Giovanni Eftimaides, der Gründer des Moka Efti, vertraute auf die Anziehungskraft des Schachs. 1929, dem Jahr, in dem Babylon Berlin spielt, gab sich Schachweltmeister José Raúl Capablanca im Moka Efti die Ehre und spielte dort ein Simultan.
Auch er war Gast im Moka Efti: José Raúl Capablanca, Schachweltmeister von 1921 bis 1927
Das Moka Efti Turnier 1929 gewann Berthold Koch vor Georg Schories.
Berlin, Moka Efti Turnier 1929 - Endstand nach 9 Runden
Wie stark das Schach in der Unterhaltungskultur der damaligen Zeit verwurzelt war, zeigt die Tatsache, dass sich das Moka Efti einen eigenen Schachsaal leistete. Geleitet wurde er von Rudolf Elstner, der heute vor 125 Jahren, am 13. Oktober 1893 in Böhmen geboren wurde und zwischen 1920 und 1960 zu den stärksten Spielern Berlins gehörte. Heute ist Elstner allerdings weitgehend vergessen. Und das, obwohl er 1950 einen historischen Turniererfolg feierte: 1950 gewann Elstner die erste Meisterschaft der 1949 gegründeten DDR mit 11,5 aus 16 vor Wolfgang Pietzsch.
DDR-Meisterschaft 1950, Sömmersda, Endstand nach 16 Runden
Der Sieg Elstners dürfte den Offiziellen der DDR nicht gefallen haben, denn Elstner wohnte im Westen und nicht im Osten der geteilten Stadt. Dazu heißt es im Wikipedia-Eintrag zu Rudolf Elstner:
1947 wurde er mit der Schachgruppe Friedenau (Friedenauer Schachgesellschaft) Berliner Blitzmeister. Bis Anfang der 1960er Jahre spielte er für die Schachgruppe der BSG Einheit Pankow im Osten Berlins. Gleichzeitig war er bereits seit 1950 Mitglied im Schach-Club Kreuzberg in West-Berlin, wo er auch wohnte. Der Deutsche Schachverband der DDR ermahnte ihn mehrfach wegen dieser Grenzgänge. Am 22. Mai 1959 entschied das DSV-Präsidium, Elstner für ein Jahr vom 1. April 1959 bis 31. März 1960 zu sperren.
Die reiche und lebendige Schachtradition Berlins wurde in der Zeit des Nationalsozialismus und durch den Zweiten Weltkrieg zerstört. Auch das Gebäude des Moka Efti existiert nicht mehr. Es wurde 1943 zerstört. Den Innenraum des Moka Efti, den man in der Serie Babylon Berlin sieht, rekonstruierte Szenenbildner Uli Hanisch im Delphi-Kino in Berlin-Weißensee, die Fassade des Moka Efti ließ er im Studio Babelsberg wieder aufbauen.
Johannes FischerJohannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".
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