Schach im Polargebiet

von Holger Blauhut
13.12.2024 – Im Rahmen der norwegischen Norges Grand Prix wird auch ganz weit im Norden Schach gespielt, da wo Europa aufhört. Holger Blauhut reiste mit seiner Tochter unter Schwierigkeiten nach Alta zum Power Solutions Arctic Chess NGP 2024 und spielte dort, Schneesturm und Hunderennen inbegriffen | Fotos: Anna Blauhut, Holger Blauhut und Torill M. Wiggen

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Schach im Polargebiet

Als ich im März dieses Jahres die Ausschreibung zum Power Solutions Arctic Chess NGP 2024 bekam, fragte ich mich, wie viele Wörter der Name eines Schachturnieres aushält. Die Abkürzung NGP steht für die norwegische Turnierserie Norges Grand Prix und umfasst also eigentlich drei Wörter. Das Turnier war all die vielen Wörter wert und Arctic gibt den Hinweis, dass es im Polargebiet stattfand. Das war auch der Grund, warum die Ausschreibung so früh versendet wurde. Es gibt nur wenige Direktflüge von Oslo nach Alta und die Flugpreise sind – anders als meine Elozahl – steigend. Trotz der geringen Auswahl der Hinflüge, konnte man hier bereits patzen. Dazu später mehr.

Das Turnier wurde in den Räumen der Arktischen Universität in Alta vom 29.11. bis 1.12. ausgetragen. Gespielt wurden fünf Runden mit einer Bedenkzeit von 90 Minuten plus 30 Sekunden pro Zug. Wer bereits am Donnerstag anreiste, bekam einiges vor dem Turnierstart geboten. Es gab einen König- und einen Damenabend: kostenloses Training mit GM Frode Urkedal oder WIM Sheila Barth Stanford.

Damenabend – Training mit Norwegens Nummer 1 der Frauen: WIM Sheila Barth Stanford | Foto: Torill M. Wiggen

Wir sind bereits am Donnerstag nach Alta geflogen, in einem Flugzeug voller Schachspieler. Zu meiner Überraschung wurden wir am Flughafen abgeholt und ins Hotel gefahren. Die Veranstalter haben sich wirklich ausgezeichnet um die Spielerinnen und Spieler gekümmert. Wer nicht im Hotel übernachten wollte, konnte auch in Familien der lokalen Schachspieler unterkommen. Am Freitagvormittag wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Hundehof Gargia Huskies gefahren. Dort konnte man Hunde- und auch Motorschlitten ausprobieren.

Der Turnierfavorit GM Frode Urkedal mit seinem Favoriten | Foto: Torill M. Wiggen

Konzentration auf dem Hundeschlitten: Urte Karaliute mit ihrer Bremserin Emthe Solskinnsbakk | Foto: Torill M. Wiggen

Der Hof wird von Roger Fossøy betrieben, der viel Erfahrung mit Hundeschlittenrennen hat.Beim Finnmarkslauf, dem nördlichsten Hunderennen der Welt, belegte er in diesem Jahr den vierten Platz. Der Start des Rennens erfolgt in Alta und dann gilt es, die Distanz von 1.200 Kilometern mit einem Hundegespann von 14 Tieren zurückzulegen. Das Rennen ist berüchtigt für seine klimatischen Bedingungen und das Wetter gab an diesem Freitagvormittag in Alta ein Beispiel. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt stürmte es mit Böen bis zu 150 km/h.

Iben Sofia Heggelund hatte einen guten Draht zu den Huskies | Foto: Torill M. Wiggen

Aufwärmpause auf dem Hundehof Gargia Huskies | Foto: Torill M. Wiggen

Der Sturm verbunden mit Schneetreiben machte eine Anreise nach Alta am Freitag praktisch unmöglich. Die Gebirgspässe in Richtung Hammerfest und Tromsø waren gesperrt. Das Flugzeug aus Oslo musste seine Landeversuche abbrechen und kehrte in die Hauptstadt zurück. Trotz dieser Widrigkeiten nahmen 14 Schachspielerinnen und 50 Schachspieler am Power Solutions Arctic Chess NGP 2024 teil.

Symbolischer erster Zug des Hauptsponsors – GM Frode Urkedal brauchte nicht allzu viel Power um den Verfasser dieses Artikels zu besiegen. | Foto: Anna Blauhut

Gute Bedingungen in der Universität, hier die A-Gruppe | Foto: Holger Blauhut

Gespielt wurde in drei Gruppen (Rating <1600; <1800 und >1800) und in der Universität waren ausgezeichnete Spielbedingungen nebst einem Kioskverkauf mit sehr freundlichen Preisen. In der A-Gruppe spielte Ben Samuel Groth Skaar (Elo 2015) ein starkes Turnier.

GM Torbjørn Ringdal Hansen – Ben Samuel Groth Skaar. Der Großmeister sah bereits in der Eröffnung skeptisch aus. | Foto: Holger Blauhut

Als Nummer 13 gestartet, führte er vor der letzten Runde mit drei Punkten aus vier Partien und der besten Feinwertung. In der letzten Runde überstand er mit den schwarzen Steinen den Angriff von GM Torbjørn Ringdal Hansen und erreichte eine Gewinnstellung, die er leider nicht verwerten konnte.

Turniersieger gegen den Zweitplatzierten. IM Mads Vestby-Ellingsen – GM Frode Urkedal | Foto: Holger Blauhut

Die Siegerinnen und Sieger:

Gruppe A: 1. IM Mads Vestby Ellingsen, 2. GM Frode Urkedal, 3. GM Torbjørn Ringdal Hansen

Gruppe B: 1. Miron Paranichev, 2. Øivind Jakobsen, 3. Emthe Solskinnsbakk

Gruppe C: 1. Andreas Pettersen, 2. Johannes Bakkevoll, 3. Øystein Rostad

Die Partienotation konnte wahlweise entweder auf einem gewöhnlichen Partieformular oder auf einem Tablet erfolgen. Auf den Tablets lief das von Ole Kristian Valvåg entwickelte und von der FIDE anerkannte Programm Clono. Bei diesem Programm tippt man die Züge mit dem Finger wie bei einer Partie am Computer ein und benötigt auf diese Art und Weise keine DGT-Bretter für die Onlineübertragung.

Das Clono-Partieformular für die Blauhutsche Familienpaarung in der dritten Runde | Foto: Holger Blauhut

Eine weitere Familienpaarung der dritten Runde: WIM Sheila Barth Stanford – IM Maxim Barth Stanford | Foto: Holger Blauhut

Anderes Kälteempfinden im Norden: Anders Lervik, Alta | Foto: Holger Blauhut

Alta bekam im Jahr 2000 das Stadtrecht, heimste aber schon vorher den inoffiziellen Titel der hässlichsten Stadt Norwegens ein. Seitdem hat sich viel getan. Auf dem Weg vom Spiellokal zurück zum Hotel gingen wir über die neue Fußgängerzone und hatten dabei immer die neue Nordlichtkathedrale vor Augen. Eine Kirche, die ebenso Konzerthalle und vor allem Touristenmagnet ist.

Die Nordlichtkathedrale: Kirche, Konzerthalle und Touristenmagnet | Foto: Holger Blauhut

Mit Bowlingbahn, Schwimmhalle und Einkaufscentern ist Alta aber auch für die Einwohner der Provinz Finnmark interessant. Sie kommen gerne um in der Kleinstadt ein Großstadtwochenende zu verbringen.

Nach dem Turnier gab es die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Abendessen mit Rentierschlittenfahrt. Wieder waren viele Helferinnen und Helfer unterwegs, um uns mit ihren Autos zum Restaurant und Hof Sami Siida zu bringen.

Restaurant Sami Siida | Foto: Holger Blauhut

Serviert wurde Bidus, ein samischer Rentiereintopf. Bidus ist ein traditionelles Gericht der Samen, welches bei Konfirmationen, Hochzeiten und anderen festlichen Anlässen serviert wird. Rentierfleisch, Karotten und Kartoffeln sind die Hauptzutaten dieses langsam gekochten Eintopfs, zu dem man oft süßes Rosinenbrot reicht.

Gemeinsames Essen nach dem Turnier | Foto: Torill M. Wiggen

Das Einzige was an diesem Wochenende fehlte, war das Nordlicht aber dafür war der Himmel zu bedeckt. Immerhin ein guter Grund mal wieder nach Alta zu kommen.

Während uns die Helfer zum Flughafen brachten, begann Organisator Rune Hammari das nächste Turnier zu planen. Er träumt von einem Turnier mit 9 Runden, was viel Zeit für ein phantastisches Rahmenprogramm geben würde. Es ist aber nicht einfach einen Termin für solch ein Turnier im vollen Schachkalender zu finden. Dazu kommt das die Flugpreise in den Ferien und zu den Feiertagen erheblich höher sind.
Nach der perfekten Organisation dieses Turnieres zweifle ich nicht, dass er es schaffen wird.

Im kommenden Jahr wird es erst einmal wieder ein Wochenendturnier geben. Wer Schachspielen mit der Chance das Nordlicht zu sehen verbinden möchte, sollte sich das Power Solutions Arctic Chess NGP notieren.

Endstand Gruppe A

Pl Navn i-Elo Klubb Poeng Buchholz-1 Buchholz i-Snittm i-Ratingprest
IM Mads Vestby-Ellingsen Porsgrunn
4.0
14.0
16.0
2278
 2518 (+10.20)
GM Frode Olav Olsen Urkedal Offerspill
4.0
13.5
16.0
2236
 2476 (-0.30)
GM Torbjørn Ringdal Hansen Slemmestad
4.0
12.5
15.0
2195
 2435 (+3.60)
Eirik Strøm Austad Porsgrunn
3.5
12.0
13.5
2138
 2287 (+48.00)
IM Dmitry Sklyarov Alta
3.0
14.0
16.5
2222
 2294 (-6.30)
FM Eivind Grunt Kreken Nordstrand
3.0
13.5
15.0
2133
 2205 (-8.20)
Ben Samuel Groth Skaar Alta
3.0
13.0
15.0
2275
 2275 (+44.00)
WIM Sheila Barth Stanford Stjernen
3.0
12.5
14.5
2088
 2160 (-2.20)
IM Maxim Barth Stanford Stjernen
3.0
12.0
13.0
2185
 2257 (+0.90)
10 
Vinjar Hammari Alta
3.0
10.0
11.0
2012
 2084 (+7.20)
11 
Ask Amundsen Strømmen
2.5
12.5
14.0
2126
 2126 (+13.20)
12 
CM Holger Blauhut Fredriksstad
2.5
11.5
13.0
2001
 2001 (-8.00)
13 
CM Pål Nikolai Røyset Tromsø
2.5
10.5
12.0
1980
 1980 (-15.60)
14 
WIM Ellen Hagesæther Akademisk
2.5
10.0
11.0
2043
 2043 (-12.60)
15 
Aksel Elias Gjersvik Søråshøgda
2.5
9.5
10.5
2005
 2005 (+52.80)
16 
Kjell Aanes Alta
2.5
8.5
9.5
1991
 1991 (+37.60)
17 
Birk Sæther Rostad Tromsø
2.0
12.5
14.5
2142
 2070 (+9.80)
18 
Aksel Brasøy Alta
2.0
8.0
9.0
1989
 1917 (-3.00)
19 
Anna Blauhut Fredriksstad
1.5
11.5
13.0
2043
 1894 (+15.60)
20 
Mikkel Damtoft Solbakken Alta
1.5
9.5
10.5
1936
 1787 (-31.60)
21 
Benjamin Halvorsen Tromsø
1.5
9.0
10.5
1969
 1633 (-29.20)
22 
Bernhard Normann Lund Hammerfest
1.5
7.5
9.0
1890
 1765 (-2.40)
23 
Alena Sklyarova Alta
1.0
10.5
12.5
1990
 1750 (-24.00)
24 
Thorir Hrafnkelsson Skjervøy
0.5
6.5
7.0
1909
 1209 (-22.00)

Quelle: https://tournamentservice.com/standings.aspx?TID=PowerSolutionArcticChessNGP2024-AltaSjakklubb&lang=nb-no

Partien

Quelle: https://clono.no/live/tournament/?t_id=762


Autor, Verleger und Büroarbeiter, lebt in Fredrikstad/Norwegen.
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