Schach im Polargebiet
Als ich im März dieses Jahres die Ausschreibung zum Power Solutions Arctic Chess NGP 2024 bekam, fragte ich mich, wie viele Wörter der Name eines Schachturnieres aushält. Die Abkürzung NGP steht für die norwegische Turnierserie Norges Grand Prix und umfasst also eigentlich drei Wörter. Das Turnier war all die vielen Wörter wert und Arctic gibt den Hinweis, dass es im Polargebiet stattfand. Das war auch der Grund, warum die Ausschreibung so früh versendet wurde. Es gibt nur wenige Direktflüge von Oslo nach Alta und die Flugpreise sind – anders als meine Elozahl – steigend. Trotz der geringen Auswahl der Hinflüge, konnte man hier bereits patzen. Dazu später mehr.
Das Turnier wurde in den Räumen der Arktischen Universität in Alta vom 29.11. bis 1.12. ausgetragen. Gespielt wurden fünf Runden mit einer Bedenkzeit von 90 Minuten plus 30 Sekunden pro Zug. Wer bereits am Donnerstag anreiste, bekam einiges vor dem Turnierstart geboten. Es gab einen König- und einen Damenabend: kostenloses Training mit GM Frode Urkedal oder WIM Sheila Barth Stanford.
Damenabend – Training mit Norwegens Nummer 1 der Frauen: WIM Sheila Barth Stanford | Foto: Torill M. Wiggen
Wir sind bereits am Donnerstag nach Alta geflogen, in einem Flugzeug voller Schachspieler. Zu meiner Überraschung wurden wir am Flughafen abgeholt und ins Hotel gefahren. Die Veranstalter haben sich wirklich ausgezeichnet um die Spielerinnen und Spieler gekümmert. Wer nicht im Hotel übernachten wollte, konnte auch in Familien der lokalen Schachspieler unterkommen. Am Freitagvormittag wurden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zum Hundehof Gargia Huskies gefahren. Dort konnte man Hunde- und auch Motorschlitten ausprobieren.
Der Turnierfavorit GM Frode Urkedal mit seinem Favoriten | Foto: Torill M. Wiggen
Konzentration auf dem Hundeschlitten: Urte Karaliute mit ihrer Bremserin Emthe Solskinnsbakk | Foto: Torill M. Wiggen
Der Hof wird von Roger Fossøy betrieben, der viel Erfahrung mit Hundeschlittenrennen hat.Beim Finnmarkslauf, dem nördlichsten Hunderennen der Welt, belegte er in diesem Jahr den vierten Platz. Der Start des Rennens erfolgt in Alta und dann gilt es, die Distanz von 1.200 Kilometern mit einem Hundegespann von 14 Tieren zurückzulegen. Das Rennen ist berüchtigt für seine klimatischen Bedingungen und das Wetter gab an diesem Freitagvormittag in Alta ein Beispiel. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt stürmte es mit Böen bis zu 150 km/h.
Iben Sofia Heggelund hatte einen guten Draht zu den Huskies | Foto: Torill M. Wiggen
Aufwärmpause auf dem Hundehof Gargia Huskies | Foto: Torill M. Wiggen
Der Sturm verbunden mit Schneetreiben machte eine Anreise nach Alta am Freitag praktisch unmöglich. Die Gebirgspässe in Richtung Hammerfest und Tromsø waren gesperrt. Das Flugzeug aus Oslo musste seine Landeversuche abbrechen und kehrte in die Hauptstadt zurück. Trotz dieser Widrigkeiten nahmen 14 Schachspielerinnen und 50 Schachspieler am Power Solutions Arctic Chess NGP 2024 teil.
Symbolischer erster Zug des Hauptsponsors – GM Frode Urkedal brauchte nicht allzu viel Power um den Verfasser dieses Artikels zu besiegen. | Foto: Anna Blauhut
Gute Bedingungen in der Universität, hier die A-Gruppe | Foto: Holger Blauhut
Gespielt wurde in drei Gruppen (Rating <1600; <1800 und >1800) und in der Universität waren ausgezeichnete Spielbedingungen nebst einem Kioskverkauf mit sehr freundlichen Preisen. In der A-Gruppe spielte Ben Samuel Groth Skaar (Elo 2015) ein starkes Turnier.
GM Torbjørn Ringdal Hansen – Ben Samuel Groth Skaar. Der Großmeister sah bereits in der Eröffnung skeptisch aus. | Foto: Holger Blauhut
Als Nummer 13 gestartet, führte er vor der letzten Runde mit drei Punkten aus vier Partien und der besten Feinwertung. In der letzten Runde überstand er mit den schwarzen Steinen den Angriff von GM Torbjørn Ringdal Hansen und erreichte eine Gewinnstellung, die er leider nicht verwerten konnte.
Turniersieger gegen den Zweitplatzierten. IM Mads Vestby-Ellingsen – GM Frode Urkedal | Foto: Holger Blauhut
Die Siegerinnen und Sieger:
Gruppe A: 1. IM Mads Vestby Ellingsen, 2. GM Frode Urkedal, 3. GM Torbjørn Ringdal Hansen
Gruppe B: 1. Miron Paranichev, 2. Øivind Jakobsen, 3. Emthe Solskinnsbakk
Gruppe C: 1. Andreas Pettersen, 2. Johannes Bakkevoll, 3. Øystein Rostad
Die Partienotation konnte wahlweise entweder auf einem gewöhnlichen Partieformular oder auf einem Tablet erfolgen. Auf den Tablets lief das von Ole Kristian Valvåg entwickelte und von der FIDE anerkannte Programm Clono. Bei diesem Programm tippt man die Züge mit dem Finger wie bei einer Partie am Computer ein und benötigt auf diese Art und Weise keine DGT-Bretter für die Onlineübertragung.
Das Clono-Partieformular für die Blauhutsche Familienpaarung in der dritten Runde | Foto: Holger Blauhut
Eine weitere Familienpaarung der dritten Runde: WIM Sheila Barth Stanford – IM Maxim Barth Stanford | Foto: Holger Blauhut
Anderes Kälteempfinden im Norden: Anders Lervik, Alta | Foto: Holger Blauhut
Alta bekam im Jahr 2000 das Stadtrecht, heimste aber schon vorher den inoffiziellen Titel der hässlichsten Stadt Norwegens ein. Seitdem hat sich viel getan. Auf dem Weg vom Spiellokal zurück zum Hotel gingen wir über die neue Fußgängerzone und hatten dabei immer die neue Nordlichtkathedrale vor Augen. Eine Kirche, die ebenso Konzerthalle und vor allem Touristenmagnet ist.
Die Nordlichtkathedrale: Kirche, Konzerthalle und Touristenmagnet | Foto: Holger Blauhut
Mit Bowlingbahn, Schwimmhalle und Einkaufscentern ist Alta aber auch für die Einwohner der Provinz Finnmark interessant. Sie kommen gerne um in der Kleinstadt ein Großstadtwochenende zu verbringen.
Nach dem Turnier gab es die Möglichkeit zu einem gemeinsamen Abendessen mit Rentierschlittenfahrt. Wieder waren viele Helferinnen und Helfer unterwegs, um uns mit ihren Autos zum Restaurant und Hof Sami Siida zu bringen.
Restaurant Sami Siida | Foto: Holger Blauhut
Serviert wurde Bidus, ein samischer Rentiereintopf. Bidus ist ein traditionelles Gericht der Samen, welches bei Konfirmationen, Hochzeiten und anderen festlichen Anlässen serviert wird. Rentierfleisch, Karotten und Kartoffeln sind die Hauptzutaten dieses langsam gekochten Eintopfs, zu dem man oft süßes Rosinenbrot reicht.
Gemeinsames Essen nach dem Turnier | Foto: Torill M. Wiggen
Das Einzige was an diesem Wochenende fehlte, war das Nordlicht aber dafür war der Himmel zu bedeckt. Immerhin ein guter Grund mal wieder nach Alta zu kommen.
Während uns die Helfer zum Flughafen brachten, begann Organisator Rune Hammari das nächste Turnier zu planen. Er träumt von einem Turnier mit 9 Runden, was viel Zeit für ein phantastisches Rahmenprogramm geben würde. Es ist aber nicht einfach einen Termin für solch ein Turnier im vollen Schachkalender zu finden. Dazu kommt das die Flugpreise in den Ferien und zu den Feiertagen erheblich höher sind.
Nach der perfekten Organisation dieses Turnieres zweifle ich nicht, dass er es schaffen wird.
Im kommenden Jahr wird es erst einmal wieder ein Wochenendturnier geben. Wer Schachspielen mit der Chance das Nordlicht zu sehen verbinden möchte, sollte sich das Power Solutions Arctic Chess NGP notieren.
Endstand Gruppe A
Quelle: https://tournamentservice.com/standings.aspx?TID=PowerSolutionArcticChessNGP2024-AltaSjakklubb&lang=nb-no
Partien
Quelle: https://clono.no/live/tournament/?t_id=762