CB-Magazin, #192 - Rezension
Training von Experten: Der Klassiker (D.Rogozenco)
Gerade habe ich die Partie zwischen Daniil Dubov und Rasmus Svane bei der Mannschafts-Europameisterschaft in Batumi mitverfolgt. Dort ging es taktisch hin und her und selbst Klaus Bischoff fiel es schwer die jeweiligen Verwicklungen zu entwirren. Am Schluss schüttelte der junge Russe in starker Zeitnot eine 9-zügige Mattkombination aus dem Ärmel. Ich könnte mir sehr gut vorstellen, diese Partie im Taktikblog von Oliver Reeh wiederzusehen.
Einer gänzlich anderen Partieanlage widmet Dorian Rogozenco im aktuellen Chessbase-Magazin #192 seine Aufmerksamkeit. Dort geht es in der Rubrik „Training von Experten – der Klassiker“ um die perfekt gespielte positionelle Partie. Und diese gelang 1912 in San Sebastian Akiba Rubinstein gegen Carl Schlechter. Wenn man bedenkt, dass Schlechter im WM-Match gegen Lasker 1910 nur ein Remis vom Titel entfernt war, sagt das viel über die Klasse von Rubinsteins Gegner aus. Vielleicht kennt der ein oder andere Leser die Partie schon. Auch ich habe sie in Boris Gelfands Buch „Positional Decision Making in Chess“ schon mal gesehen, aber natürlich leider schon wieder vergessen.
Was den Beitrag des aktuellen deutschen Bundestrainers so interessant macht ist, dass er in der Partie drei wichtige Momente ausmacht, die er auch ausführlich erklärt. Nach der Eröffnung entstand nach 12….0-0 folgende Stellung:
Hier möchte sich Schwarz am liebsten mit b6, Lb7, Sc6 und Sa5 entwickeln. Und wenn Weiß mit 13.Ld3 (eigentlich auch ein guter Zug) fortsetzen würde, könnte Schwarz sich so langsam von seinem Druck befreien. Mit seinen nächsten Zügen provoziert Akiba Rubinstein seinen Gegner aber zu Schwächen und macht auf diese Druck mit seinen Türmen. Es gelingt Schwarz bis zum Ende nicht in irgendeiner Weise aktiv zu werden und Weiß nützt seinen Entwicklungs- und Raumvorteil absolut meisterhaft aus.
Rubinstein fand den genialen Zug 13.Lb5!! a6, 14.Ld3 und schon hat Rubinstein die erste Schwäche auf b6 provoziert. Es folgte 14….b5. Auf 14….Sc6 käme 15.Thc1 Sa5, 16.Tb6 und der Nachziehende hat keinen Spaß mehr auf den schwarzen Feldern.
Nach den weiteren Zügen 16.Tc7 Sd7, 17.Ke3 Sf6, 18. Se5 Ld7 kam es zu folgender Position:
Stellung nach 18….Ld7
Das ist die zweite Schlüsselstellung. Ein „normaler“ Zug wäre hier Tbc1, der nichts aus der Hand gibt. Aber ein probates Mittel ist es bei eigenem Vorteil den Gegner zu einer weiteren Schwäche zu verleiten. Und das schaffte Rubinstein mit 19.g4! Der Plan ist Raumgewinn am Königsflügel und die Schaffung einer zweiten Schwäche dort. In der Partie folgte 19….h6, 20.f4 Le8, 21.g5 hxg5, 22.fxg5 Sh7, 23.h4 Tdc8, 24.Tbc1 Txc7, 25.Txc7 Td8, 26.Ta7 f6 27.gxf6 gxf6, 28.Sg4 Lh5, 29.Sh6+ Kh8 und Weiß denkt nicht im Traum daran einen Bauern zu verspeisen und dadurch seinen Gegner eventuell zu entlasten. Wie gesagt, eine perfekte Partie!
30.Le2 und jetzt kommen auch noch taktische Motive zum Tragen, die Schlechter nicht mehr kompensieren kann. Die dritte Schlüsselstellung.
Stellung nach 30.Le2
30….Le8 (30….Lxe2 geht nicht wegen 31.Sf7+) und jetzt nimmt Rubinstein den Bauern auf a6. Der weiße Turm kommt sofort wieder auf a7 zurück und schickt den schwarzen König wieder in sein Verlies auf h8.
31.Txa6 Kg7 (scheinbar kommt jetzt der König raus) 32.Sg4 f5, 33.Ta7+ Kh8 (33…Kg6, 34.h5+ ist noch schlechter) 34.Se5 fxe4, 35.Lxb5 (wieder das taktische Motiv Sf7+) 35…Sf6, 36.Lxe8 Txe8 und sollte es Schwarz gelingen seinen König zu aktivieren, hätte er Remischancen. Doch Rubinstein lässt das nicht zu und greift mit seinem König an. 37.Kf4! Kg8, 38.Kg5 Tf8, 39.Kg6 mit der Drohung Tg7+ und Sf7+. Schlechter gab auf.
Boris Gelfand hält 13.Lb5!! übrigens für einen der besten Züge in der Schachgeschichte.
ChessBase Magazin 192
Analysen von Giri, Anand, Nisipeanu, Huschenbeth, Vidit, Vitiugov, Tomashevsky, u.v.a. Dazu Videos von King, Shirov und l'Ami, elf Eröffnungsartikel mit neuen Repertoireideen und Trainingseinheiten für jede Partiephase!
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