Schach-Séance im Phildor-Café

von ChessBase
30.11.2011 – In der Nähe von München, in Grafing, hat Georg Schwaiger mit einigen Freunden kürzlich die Schach- und Kulturstiftung G. H. S gegründet und mit der Sammlung „Von der Krone zum Bürger“ – Schach in der höfischen und bürgerlichen Kultur von 1750 - 1850“ gleich eine schöne Ausstellung in die Welt gesetzt, für die auch einige Rahmenveranstaltungen eingeplant sind. So wurde die Musikwissenschaftlerin Susanna Poldauf gefragt, ob sie nicht einen Vortrag über das Musik- und Schachgenie Philidor halten könne. Die Philidor-Biografin hatte eine noch bessere Idee: "Warum lassen wir Philidor nicht einfach noch einmal lebendig werden?" Gesagt - getan. So verbrachten an die hundert Grafinger Bürger und angereiste Schachfreunde einen unterhaltsamen Sonntag-Nachmittag zusammen mit "Philidor" und interessanten Schachpartien im "Phildor-Café". Susanna Poldauf berichtet selbst. Harry Schaack (Schachmagazin Karl) hat die Bilder eingefangen. Bericht, Bilder, Blindpartie...

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Philidor im Schachcafé
Von Susanna Poldauf
Fotos: Harry Schaack

Als mich Georg Schweiger, der Gründer der Schach- und Kulturstiftung G. H. S. vor einigen Monaten fragte, ob ich im Rahmenprogramm der Ausstellung „Von der Krone zum Bürger“ – Schach in der höfischen und bürgerlichen Kultur von 1750 - 1850“ einen Vortrag über den französischen Schachspieler Philidor halten könnte, schlug ich ihm vor, diesmal eine andere Präsentationsform auszuprobieren.

Ich fragte den Münchener Schachgroßmeister Stefan Kindermann, ob er sich vorstellen könnte, den Philidor zu geben. Ich wusste, dass er ein großer Philidor-Verehrer ist. Zu meiner Freude zögerte er keine Minute, auch nicht, als er hörte, dass er für die perfekte Illusion ein barockes Kostüm und eine Perücke anlegen müsste.

Am vergangenen Sonntag konnten die Besucher unserer Seance in der Grafinger Stadthalle erleben, mit welcher Spielfreude und schauspielerischem Talent Stefan in die Rolle des genialen Franzosen schlüpfte. So wie Philidor in den Schachcafés des 18. Jahrhunderts, spielte Stefan gegen drei Gegner blind simultan.


Susanna Poldauf legt „Philidor“ alias Stefan Kindermann die Augenbinde an.

Die drei Herausforderer waren im Publikum schnell gefunden. Allesamt Vereinsspieler, wie sich herausstellte.

Am
1. Brett: Karl Heinz Neubauer, SK Zornedingen

2. Brett: Thomas Hümmler, Schachunion Ebersberg-Grafing

3. Brett: Ingo Schwab, Schachunion Ebersberg-Grafing



„Philidor“ und seine Gegner




Georg Schweiger, Veranstalter und Vorsitzender der Schachunion Ebersberg-Grafing, übernahm die Rolle des Philidorschen Sekundanten, übermittelte die Züge und überwachte den Spielablauf.


Georg Schweiger und „Philidor“


„Philidor“ alias Stefan Kindermann

FIDE-Meisterin Dijana Dengler übertrug, unterstützt von GM Gerald Hertneck (beide Münchener Schachakademie), den Spielverlauf auf die 3 Demobretter und hatte viel Spaß dabei, die Partien zu kommentieren.


FIDE-Meisterin Dijana Dengler

Während der Partien verkürzte ich dem Publikum die Zeit mit Anekdoten aus Philidors Leben und mit Einspielungen aus seinen Opernwerken. „Philidor“ störte das nicht. Er schien mit den Partien nicht ausgelastet, machte, wie sein historisches Vorbild, Späßchen und wippte zu „seiner“ Musik mit dem Fuß. Fasst wie nebenbei beendete er die 1. Partie an Brett 1 mit einem furiosen Matt! nach nur 18 Zügen.


Blick in das „Grafinger Schachcafé“

„Philidor“ / Kindermann beim simultanen Schachspielen und Musikhören

Auch der zweite Spieler konnte dem Meister nicht mehr lange Stand halten und gab auf.
Thomas Hümmler an Brett 2 ließ sich noch eine Weile „tranchieren“, wie er es später selber nannte, und musste sich nach 22 Zügen ebenfalls geschlagen geben. Applaus für den gut gelaunten Meister, …




… der sich, seiner Augenbinde entledigt, erst kurz an das Scheinwerferlicht und die Blitzlichter der Fotographen gewöhnen musste.



Auch die abschließende Partieanalyse bestritt Kindermann kostümiert und ohne eine Spur von Erschöpfung. Es schien ein Kinderspiel für ihn gewesen zu sein und es war ein Vergnügen für mich…




Hier die Partie von Brett 2:
Philidor / Kindermann (blind) – Thomas Hümmler

1. e4 c6
2. d4 d5
3. e5 Lf5
4. Sd2 e6
5. Sb3 Lb4+
6. c3 Le7
7. Sf3 Sh6
8. L x h6 g xh6
9. Ld3 Lg6
10. 0-0 Sd7
11. Se1 Db6
12. f4 Tg8
13. Kh1 h5
14. f5 e x f5
15. L x f5 0-0-0
16. Sd3 Kb8
17. L x g6 f x g6
18. Tf7 Tde8
19. e6 Sf6
20. Sbc5 L x c5
21. S xc5 Tgf8
22. T x f6
Schwarz gibt auf

Zum Nachspielen:

 




Fotos: Harry Schaack/Schachmagazin KARL http://www.karlonline.org/home.htm

Link zur Schach- und Kulturstiftung G. H. S. und zur Ausstellung (noch bis Februar 2012) http://ghs-schachundkulturstiftung.de/

Link zur Münchener Schachakademie http://www.mucschach.de/


Susanna Poldauf (Foto: Hanna Lippmann)

Link zur website von Susanna Poldauf http://www.susannapoldauf.de/

Buch von Susanna Poldauf: „Philidor – Eine einzigartige Verbindung von Schach und Musik“ (Berlin 2001/2009)
über den Buchhandel ISBN: 978-3-935800-02-0, EUR 18,-
oder den Exzelsior Verlag http://www.zeitschriftschach.de/buecher/philidor.htm



 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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