De retour à
Naujac-sur-Mer oder:
Saisonfinale in der französischen Provinz
Von Eva Maria
Zickelbein
In
drei von vier Ligen verpatzte ich in diesem Jahr die letzte Runde: In der
Frauen-Bundesliga mussten wir in der letzten Runde mindestens ein 3:3 gegen die
Schachmiezen aus Rodewisch erreichen, um den zweiten Platz festzuhalten – meine
unnötige Niederlage gegen Annette Günther besiegelte das 2:4 gegen die
bärenstark angetretenen Miezen, die sich damit erstmals den Vizemeistertitel
hinter dem unschlagbaren Meister OSC Baden-Baden sicherten; dem Team des HSK
blieb im Jubiläumsjahr nur der dritte Platz.
Weiter ging’s in der 2. Bundesliga Nord, in der ich gemeinsam mit dem legendären
Christoph Engelbert als Teamchefin bin und in der die Saison unglaublich gut
gelaufen war: Hinter Werder-Bremen II belegten wir einen sensationellen 2. Platz
und spielten in der letzten Runde gegen Zehlendorf das Zünglein an der
Aufstiegswaage im Fernduell zwischen Tegel und Zehlendorf. Zum Glück musste ich
nicht selbst ans Brett, aber natürlich ging auch diese Mission in die Hose,
unnötig verloren wir mit 3,5:4,5, verhalfen Zehlendorf zum Aufstieg in die 1.
Bundesliga und fielen selbst auf den 3. Platz zurück.
Den
negativen Höhepunkt schließlich bildete die letzte Runde in der 2.
Niederländischen Liga. Da Homburg Apeldoorn den Aufstieg in die Meesterklasse
schon zwei Runden vor Schluss sichergestellt hatte, ging es zwar um nur noch um
die Ehre, aber die Saison sollte keinesfalls mit kampflosen Punkten unehrenhaft
abgeschlossen werden. Ich ließ mich an einem verregneten Samstag im April in
Hoorn (nördlich von Amsterdam) ohne jede Gegenwehr abschlachten und freute mich
wenigstens, meine in mittlerweile zwei Volkshochschulkursen etwas verbesserten
Niederländisch-Kenntnisse anwenden zu können.
Wenn’s in zwei Ländern schlecht läuft, kann man’s ja noch in einem dritten
versuchen und nicht nur deshalb freuten wir uns sehr auf das Saisonfinale in der
dritten französischen Liga besonders: Einmal im Jahr dürfen wir für unseren
französischen Klub Echiquer Naujacais spielen, diesmal die an einem Wochenende
stattfindenden Runden acht und neun. Und ein Wochenende in Naujac, das bedeutet
natürlich nicht nur Schach spielen, sondern vor allen Dingen die Zeit genießen,
Freunde treffen, Französisch sprechen und – last but not least – gut essen und
die Weine des Médoc genießen!

Um
alle Vorurteile aktiv zu widerlegen, dass Schachspieler zwar viel rumkommen,
aber immer nur das Brett vorm Kopf haben, reisten wir bereits einen Tag früher
an und tourten durch die wunderschöne Landschaft des Médoc. Im Herbst zur
Weinlese ist es sicherlich noch faszinierender, aber auch im beginnenden
Frühling und schon warmer Sonne konnte man es sich so richtig gut gehen lassen
und ein bisschen auf die Suche nach einem kleinen Wochenendhäuschen gehen:

Château d’Agassac

So ein kleiner Burggraben könnte mir auch gefallen…


Das Médoc ist eine
dreiecksförmige Halbinsel im Südwesten Frankreichs, die zwischen der
Atlantikküste, Côte d’Argent genannt, der Gironde und dem Becken von Archachon
liegt. Eckpunkte der Halbinsel sind Bordeaux im Südosten, Cap Ferret am Becken
von Arcachon im Süden, und im Norden die Landspitze bei Le Verdon. Im östlichen
Teil der Halbinsel entlang der Gironde ist vor allem Weinbau anzutreffen und das
Médoc ist eine der bekanntesten Weinanbauregionen der Erde. Der karge Boden der
Endmoränen der Pyrenäen-Eiszeiten bietet für die Rebsorten Cabernet-Sauvignon
und Merlot beste Voraussetzungen.
Das Médoc ist auch eine der
Weinbau-Appellationen d´Origine Controlé, AOC. Weitere sind die Appellationen
Haut-Médoc und die Appellationen von Moulis, Listrac, Saint-Estèphe, Pauillac,
Saint-Julien und Margaux.

Weinstöcke, so weit das Auge blicken kann…


…und ein Schloss am anderen.


Nach
der Tour durch dieses wunderschöne Weinanbaugebiet schlugen wir uns Richtung
Küste, um zu unserem pünktlich zum Abendessen in Naujac-sur-Mer bei Rike, Lara,
Lena und Jules Armas in Naujac einzutreffen:

Les Maîtres Internationaux
Jules Armas et Rike Wohlers-Armas
vous accueillent dans leur camping échiquéen: |
 |

Le
Champion du Monde Boris Spassky
au camping avec Jules et Rike Armas.
Der
Schach-Campingplatz La Rochade besteht nun schon seit über 10 Jahren und
ist wohl einzigartig auf der Welt: Auf 5,4 Hektar kann man hier im Sommer Urlaub
und Schach, bekanntermaßen die schönste Nebensache der Welt, verbinden. In
diesem Jahr wird zum 8. Mal das Open des Vins du Médoc ausgetragen, bei dem der
Sieger sein Gewicht in Wein aufgewogen bekommt.
Interessante Lehrgänge – in diesem Jahr erstmals mit GM Alexej Shirov – und
allerlei kleine Turniere und Aktionen runden das Programm ab. Details unter
www.campinglarochade.free.fr
– es lohnt sich!
Unsere Hoffnungen auf ein Abendessen im Hause Armas zerschlugen sich aber erst
einmal, weil in Vorbereitung auf die am Wochenende stattfindenden Wettkämpfe in
der Nationale III und V zuallererst einmal Schachtraining angesagt war!
Naujac-„Centre“ besteht aus einem Dorfplatz, um den sich Schule, Kirche, Kneipe,
Rathaus und Post gruppieren:


Schule

Kirche und…

…der Schachklub! Einen solchen findet man natürlich nicht in
jedem französischen Dorf – das ist schon etwas ganz Besonderes!

Im Laufe der Jahre konnten schon so einige Trophäen eingesammelt
werden.
Dafür muss aber natürlich fleißig trainiert werden. Deshalb
teilte IM Jules Armas erst einmal Trainingsaufgaben aus, die vom Blatt gelöst
werden mussten:

Danach wurde ein Blitzturnier gespielt, nur die Töchter des
Hauses – Lara und Lena – hatten keine große Lust und übten lieber ein paar
gymnastische Kunststücke ein:

Nach
dem Schachtraining gut gerüstet für den Wettkampf, gab es bei Rike und Jules
noch ein leckeres Raclette-Essen, bevor wir in unserem Mobile-Home die
notwendige Erholung bekamen. Zum Frühstück wurden wir gleich mit der nächsten
akrobatischen Einlage der Mädels begrüßt:



Das
sah eigentlich so einfach aus, dass ich es auch einmal versuchen wollte – zum
Glück wurden davon allerdings keine Fotos gemacht…!
„Leider“ blieb mir dann auch keine Zeit mehr zum Üben, da wir uns auf den Weg
nach Bordeaux zur 8. Runde der Nationale III machen mussten: Bordeaux ASPOM war
Gastgeber der letzten beiden zentral ausgetragenen Runden.
Unser Klub L’Échiquier Naujacais hatte mit Bordeaux Échecs III eine fast
komplette Jugendmannschaft als Gegner und war klar favorisiert: WIM Rike
Wohlers-Armas machte mit einem schnellen Sieg den ersten Punkt und auch an den
meisten anderen Brettern gab es ein Spiel auf ein Tor: Der Endstand von 7-1 fiel
dementsprechend hoch aus.

Naujac – Bordeaux
Échecs III

Nach der Kurzpartie bekommt
Mathieu Ternault von Rike Wohlers-Armas noch eine kleine
Trainingseinheit.
Die
Einzelergebnisse:
|
Bordeaux Echecs III |
1 - 7 |
Naujac |
|
KIRK Jason 2050 |
0 - 1 |
m VAN DELFT Merijn 2385 |
|
LEFEVRE Pascal 1860 |
0 - 1 |
ZICKELBEIN Eva-Maria 2117 |
|
GALLICE Francois 1870 |
1 - 0 |
BASTIN Stephane 2084 |
|
TERNAULT Mathieu 1740 |
0 - 1 |
mf WOHLERS-ARMAS 2165 |
|
KIRK Eden 1690 |
X - X |
MARTIN Eric 1930 |
|
FOUCHER Valentin 1670 |
0 - 1 |
SEVILLA Paul 1820 |
|
GIOANNI Thibaut 1630 |
0 - 1 |
BERARD Jean-Cla… 1867 |
|
KIRK Ezra 1590 |
0 - 1 |
NOLEAU Noel 1852 |
|
HAMSANY Mathilde 1180 |
0 - 1 |
TEYSSIER Jean-P… 1730 |

Teamchef Paul „Polo“ Sevilla musste sich keine Sorgen machen.
IM
Merijn van Delft gewann ein Turmendspiel gegen Jason Kirk, das keinesfalls so
eindeutig war. In der Post-Mortem-Analyse, an der sich auch Jasons Söhne Eden
und Ezra beteiligten, stellte sich heraus, dass Jason bei aktivem Spiel sogar
Vorteil hätte erlangen können. Wenige passive Züge allerdings reichten aus, die
Aktivität wechselte die Seiten und Merijn ließ sich den Vorteil nicht mehr aus
der Hand nehmen:

Analyse: Ezra, Jason, Eden und
Merijn


Ezra und Eden Kirk von Bordeaux
Échecs
Da
am nächsten Morgen früh ausgestanden werden musste, gab es am Abend ein ganz
unfranzösisch schnelles Dîner bei Stéphane Bastin, das aber dafür nicht weniger
köstlich war:

Eric Martin und Merijn van
Delft
Nach
Ansicht von Teamcaptain Polo sollte es in der Schlussrunde einen klaren Sieg
gegen La Rochelle geben, die wir dadurch in der Tabelle sogar noch überholen
könnten. Und Polo sollte Recht behalten – lediglich er selbst hielt sich nicht
an die Marschroute… Ansonsten gab es deutliche Siege von Jean-Paul Teyssier,
Stéphane Bastin, Eva Maria Zickelbein und Merijn van Delft. Rike Wohlers-Armas
machte es sehr spannend und opferte sich beinah um Kopf und Kragen, doch brach
ihr Gegner unter dem Druck zusammen und Rike konnte doch noch den vollen Punkt
einfahren.
|
Naujac |
6 - 2 |
La Rochelle |
|
m VAN DELFT Merijn 2385 |
1 - 0 |
NINEUIL Pierre 2000 |
|
ZICKELBEIN Eva-Maria 2117 |
1 - 0 |
MARSAUD William 2092 |
|
BASTIN Stephane 2084 |
1 - 0 |
FRAGNAUD Jean 1960 |
|
mf WOHLERS-ARMAS 2165 |
1 - 0 |
BREILLOT Dominique 2020 |
|
MARTIN Eric 1930 |
0 - 1 |
NAFRI Said 2000 |
|
NOLEAU Noel 1852 |
1 - 0 |
URBANIAK Serge 1902 |
|
BERARD Jean-Claude 1867 |
X - X |
HOUARD Yannick 1920 |
|
SEVILLA Paul 1820 |
0 - 1 |
HOUARD Sebastien 1640 |
|
TEYSSIER Jean-Paul 1730 |
1 - 0 |
BOUTEILLER Eleonore 1299 |
Dramatisch verlief die Partie von Eric Martin, der in Zeitnot von Said Nafri
ausgekontert wurde.

Eric Martin überlebte seine Zeitnot nicht.

Klare Siege für Eva Maria Zickelbein und Merijn van Delft.
Die
sonnenentwöhnten Hamburger nutzten das gute Wetter dann gleich zu ein paar
Blitzpartien in der Sonne:

Nach
erfolgreichem Abschluss der schachlichen Mission an diesem Wochenende konnten
wir endlich zum krönenden Abschluss nach Naujac, bzw. St. Isidore zurückfahren,
zum:
Dîner à la Naujacaise
Frankreich wäre nicht Frankreich und das Sprichwort „Leben wie Gott in
Frankreich“ wäre gar nicht erst entstanden, wenn der erfolgreiche
Saisonabschluss nicht mit einem ausgiebigen Dîner zelebriert werden würde. Wie
auch schon im letzten Jahr kehrten wir in der „Auberge des Chasseurs“ in St.
Isidore ein:
Dem
gemeinen Hamburger fällt natürlich sofort ein bemerkenswertes Detail auf: Es
gibt Holsten (aber nicht für uns, den wir durften die köstlichen Weine der
Region degustieren).
Der
Teamchef der 1. Mannschaft resümierte die erfolgreiche Saison – das Team belegte
in der Nationale III den dritten Platz:



Anstoßen auf die erfolgreiche Saison – auch Naujac II siegte an diesem Sonntag gegen den Lokalrivalen
Hourtin!

Wieder was gelernt:
„Chambrer le vin.“ So wird der Rotwein auf die exakt richtige
Temparatur gebracht.
Hors-d’Oeuvre
Die Vorspeisen
bestanden aus rustikaler aber dennoch köstlicher und nicht schwerer Küche aus
der Region:

Pâté landais, Gésier de poulet, Gésier médocais


Salade de tomates
Plat
principal
Der Hauptgang
bestand aus Entrecôte und Palettes au diable à la moutarde sowie einem
Gratin courgettes avec Pommes de terre.
Die Beilage: Zucchinigratin mit Kartoffeln – die köstlichen
Steaks und das Senfhuhn habe ich aus unerfindlichen Gründen nicht vor die Linse
bekommen.
Dessert
Abgerundet wurde
das Dîner durch ein Gâteaux basque mit Pistazieneis und natürlich…

…Café:
Von den
köstlichen Weinen, die wir probieren konnten, war der Saint-Estèphe vom Château
Haut-Marbuzet meiner Meinung nach der beste:


Hier erfreut
sich Präsident Patrick Vidal am Haut-Marbuzet – das Château Haut-Marbuzet gehört
übrigens zu den diesjährigen Sponsoren des 8. Wein-Opens in Naujac, das vom 3.
bis 10. Juli stattfinden wird. Wer auch mal
kosten möchte:
http://opendesvins.free.fr/







Natürlich
nutzten wir unseren Kurzurlaub am letzten Tag noch zu einem Ausflug ans Meer.
Zum Baden war es leider noch zu kalt, wie ich feststellen musste:

Am Strand schloss sich uns ein Hund an, den ich am liebsten nach Hamburg mitgenommen hätte:


Sogar Merijn fand ihn nach anfänglichem Zögern ganz nett, aber wir lieferten ihn dann doch wieder bei seinen sonnenbadenden
Herrchen ab.
Eva Maria Zickelbein