Schach spielende Affen in Naumburg

von Johannes Fischer
03.07.2018 – Der Naumburger Dom in Naumburg an der Saale gilt als eine der bedeutendsten Kathedralbauten des Hochmittelalters. Jetzt hat die Unesco den Dom zum Weltkulturerbe erklärt. Wer sich das imposante Bauwerk anschaut, wundert sich vielleicht über die Figur zweier Schach spielender Affen an der Nordseite des Ostchores. Wie und warum sind die Affen dorthin gekommen? | Foto: Michael Negele

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Die deutschsprachige Wikipedia  bezeichnet die Figuren der Affen in ihrem Artikel über den Naumburger Dom als "Kuriosität", verweist aber in einer Fußnote auf einen Beitrag von Gerd Henschel auf dem Portal myheimat.de, in dem Henschel die Frage stellt: "Warum spielen Affen in Naumburg Schach?"

In seiner Antwort erzählt Henschel zunächst eine Legende, in der sich zwei Geistliche darüber gestritten haben sollen, wie weit sich Luthers Lehren ausbreiten würden. Worauf der eine Geistliche laut der von Henschel zitierten Legende gesagt haben soll: „Eher als die neue Lehre nach Naumburg kommt, müsste ich glauben, dass meine beiden Äffchen daheim das Schachspiel erlernen."

Tatsächlich bekam Naumburg 1542 nach der Reformation jedoch einen evangelischen Bischof. Und natürlich hat der Geistliche, der eine solche Entwicklung nicht für möglich gehalten hatte, "seine zwei Äffchen am Schachbrett sitzend" gesehen, als er nach der Diskussion mit seinem geistlichen Kollegen nach Hause kam. "Zum Andenken daran", so Henschel, "ließen beide an einem Pfeiler an der Nordseite des Ostchores im Dom zwei schachspielende Affen anbringen."

Doch Henschel bezweifelt den Wahrheitsgehalt dieser Erzählung und liefert eine von Mythen befreite, sehr viel überzeugendere Erklärung:

In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts, also zwei Jahrhunderte bevor Luther die Bühne der Geschichte betrat, wurde der ehemals spätromanische Ostchor des Doms nach Osten hin hochgotisch erweitert. Man kann sicherlich annehmen, dass in diesem Zusammenhang das Kapitell mit den schachspielenden Affen angebracht wurde. Warum aber?

Die katholische Kirche machte sich zu damaliger Zeit offensichtlich Sorgen darüber, dass spielsüchtige Priester ihre seelsorgerischen Pflichten sträflich vernachlässigen könnten. Deshalb wurden ihnen 1215 in Rom auf einem Konzil sämtliche Spiele verboten. Scheinbar herrschte aber Unklarheit darüber, ob das bei der Geistlichkeit so beliebte Schachspiel auch verboten sei. Auf den Synoden in Trier 1227 und 1310, Mainz 1316 und Würzburg 1329 wurde schließlich festgelegt, dass Kleriker nicht Schach zu spielen haben.

Ob unter den Naumburger Geistlichen auch die unerwünschte „Schachspielwut“ ausgebrochen war, ist nicht überliefert. Man könnte aber die Affen im Dom als Karikatur auf diesen „Sittenverfall“ der Geistlichkeit interpretieren."

Links:

Wikipedia-Eintrag Naumburger Dom
Gerd Henschel: Warum spielen Affen im Naumburger Dom Schach?
Die eifersüchtigen Götter: Schach und Religion

 

 

 

 

 

 


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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