Zigarren
von Conrad Schorman
"Vor Jahren, als ich noch rauchte, habe ich einige sehr schöne Erfolge mit Zigarren erzielt. Auch wer sonst nur Zigaretten raucht, sollte zum Schachspielen immer Zigarren bei sich haben. Das übelste Aroma ist gerade recht, es sei denn, man ist selber allergisch gegen Zigarrenrauch. Ich hatte eine Technik entwickelt, für die der schwere Zigarrenrauch genau das Richtige war. Der nicht inhalierte Rauch wurde mit einem Schwall direkt auf das Schachbrett geblasen, wo er sich regelrecht ansaugte und Wolken bildete. Brett und Figuren waren teilweise nicht mehr zu sehen – und der Gegner konsterniert.“ (gekürzt)
Diese und vergleichbare
Gemeinheiten (Knistern mit Krokantbonbon-Papier) veröffentlichte der Fischbacher
Schachspieler Jürgen Kühle 1986 in der Vereinszeitung des SV Fischbach.
Überschrift des Artikels: „Wie gewinnt man eine Schachpartie gegen einen
überlegenen Gegner?“ Unterzeile: „Eine Unterweisung in praktischer Partieführung
von einem der führenden Theoretiker Westeuropas.“
Wer es nicht glaubt:
http://www.schach-in-fischbach.de/Artikel/dr_kuehle.html.
Der Artikel ist ähnlich lesenswert wie William R. Hartstons vergriffenes Büchlein „Wie man beim Schach bescheißt“, aber nicht zeitlos. Anlässlich der Dannemann-WM erinnerte (Schach-)Journalist Hartmut Metz in mehreren gedruckten und elektronischen Publikationen an die Verbannung der Aschenbecher aus den Turniersälen, die in den 80er-Jahren manchen Protest quarzender Schächer auslöste. Die Raucher unter den Schachspielern tröstet seitdem, dass sie anerkannte Sportler sind. Beim Sport sind Aschenbecher Fehl am Platze. Mario Basler hatte auch keinen bei seinen Spaziergängen auf der Außenbahn, egal in welchem Stadion.
Ein Jahrhundert nach den Zigarrengenießern und Schachweltmeistern Wilhelm Steinitz und Emanuel Lasker ist die Zigarre zurück im Schach, wenn auch nicht am Brett. Rauch-Theoretiker Jürgen Kühle hätte heutzutage trotz seiner ausgeklügelten Nebelstrategie keine Chance gegen Peter Leko, weil ihn die Schiedsrichter selbst im Centro Dannemann des Brettes verweisen würden.
Die beiden bekanntesten Schach-Zigarren-Episoden sind auf unzähligen Seiten nachzulesen. In den Hauptrollen: Wilhelm Steinitz, Emanuel Lasker und Aaron Nimzowitsch:
"Die Drohung
ist stärker als die Ausführung!“
Aaron Nimzowitsch war
von empfindsamer und explosiver Natur. In Meisterkreisen war bekannt, dass er
als Nichtraucher besonders anfällig dafür war, wenn ihn ein Gegner mit
Zigarrenqualm einzunebeln versuchte. 1927 in New York hatte Nimzowitsch seinen
Gegner Dr. Milan Vidmar (laut Metz war es Efim Bogoljubow, aber die meisten
Quellen nennen Vidmar) vor ihrer Partie gebeten, nicht zu rauchen. Vidmar war
einverstanden, allerdings nur mit der Einschränkung, dass er eine Zigarre
rauchen würde, wenn er in eine sehr schlechte Stellung geriete. Das Treffen
verlief nikotinfrei - Vidmar gewann. Der verärgerte Nimzowitsch beschwerte sich
beim ungarischen Turnierleiter Geza Maroczy über das verdammte Rauchen. Erstaunt
erwiderte der: „Aber ihr Gegner hat doch gar nicht geraucht!“ „So, nicht
geraucht, sagen Sie? Schlimmer, er hat mich mit Rauchen bedroht! Ständig lag die
Zigarre neben dem Schachbrett, so dass ich mir sagte, machst du jetzt einen
starken Zug, greift er zur Zigarre. Wie kann ich dabei die Partie gewinnen? Als
Schachspieler wissen Sie, dass die Drohung stärker ist als die Ausführung.“
Nimzowitsch - Vidmar (2), New York 1927...
Vidmar - Nimzowitsch (3), New York 1927...
Die Zigarren des Weltmeisters
Die ersten Weltmeister der
Schachgeschichte, Wilhelm Steinitz und Emanuel Lasker, waren als passionierte
Zigarrenraucher wiederholt in kleine Geschichten ob dieses Genusses verwickelt.
Während ihres Weltmeisterschaftskampfes im Jahre 1894 hatte Lasker von einem ihn
verehrenden Anhänger ein Kistchen feinster Zigarren geschenkt bekommen. Nachdem
Lasker das Match siegreich beendet hatte, gratulierte ihm dieser Fan und brachte
sich gleichzeitig in Erinnerung, indem er den neuen Weltmeister fragte, ob ihm
die besagten Zigarren auch ein wenig geholfen hätten, den Kampf zu gewinnen.
„Selbstverständlich haben sie dazu beigetragen“, antwortete Lasker, „Sie hatten
eine wirklich prachtvolle Idee.“ „So gut sind sie also gewesen?“, ließ der Fan
nicht locker. „Das weiß ich nicht“, präzisierte der Weltmeister, „ich habe sie
nach und nach Steinitz angeboten. Ich selbst habe andere geraucht."
Insbesondere diese Geschichte fehlt in keiner Schachanekdoten-Sammlung. Sie dürfte dennoch erfunden sein, ein „Ammenmärchen“ laut Lasker. Der Schachtrainer Alexander Koblenz hat 1935 bei Emanuel Lasker nachgefragt. In seinem Buch „Schach lebenslänglich“ beschreibt Koblenz das Interview, das er für eine lettische Zeitung führte:
Im Café bestellte Lasker Tee und Erdbeertorte. Nachdem er eine Tasse getrunken hatte, zündete er eine Zigarre an. „Verzeihen Sie, Herr Doktor, wenn meine Frage allzu persönlich sein sollte. Über Ihre Zigarren werden Legenden erzählt. Ist etwas Wahres dran?“
„Über meine Zigarren gibt es viel Geschwätz und Anekdoten. Es wird erzählt, ein Verehrer habe mir vor meinem Weltmeisterschaftskampf eine Schachtel Zigarren mit der Bemerkung geschenkt, sie würden mir zum Sieg verhelfen. Ich hätte aber diese Zigarren nicht geraucht, sondern sie Steinitz zugesteckt. Die Zigarren seien abscheulich gewesen, und darum hätte ich im Wettkampf gesiegt...
Nach dem Turnier in New York
1924 las ich in einer Zeitung, ich hätte während des Spiels nur die billigsten
Zigarren á fünf Cent das Stück geraucht und meine Partner so 'beräuchert', dass
sie hätten husten und niesen müssen. Daraufhin habe mir jemand aus dem Publikum
eine erstklassige, duftige Zigarre angeboten. Ich hätte sie angenommen und in
die Brusttasche gesteckt, aber fortgefahren, meine Fünf-Cent-Zigarren zu
rauchen.
Das alles sind natürlich Ammenmärchen. Doch muss ich zugeben, dass ich mir mein Leben ohne Zigarre nicht vorstellen kann.“ So weit Lasker.
Den Nachrichten des SC Bad Soden ist der Hinweis zu entnehmen, dass Kramnik und Leko vor den Augen des Hauptsponsors Dannemann Product Placement für die Konkurrenz betreiben. Eine Teilschuld trifft Peter Leko, der Kramniks, 1.e4 mit 1...e5 und 2.Sf3 mit 2...Sc6 kontert. Hauptschuldiger ist zweifelsfrei Weltmeister Vladimir Kramnik. Ausschließlich spielt er 3.Lb5, und dann steht Spanisch auf dem Brett – oder Ruy Lopez, wie Angelsachsen diese Eröffnung nennen.
![]() Keine Konkurrenz für Dannemann, da nicht mehr im Handel:Die Ruy Lopez Cigar von Vincent & Tampa Tabakfabrik, Ybor City, Florida |
Ruy Lopez – so heißt nicht
nur die Eröffnung, so hieß eine Zigarre der Konkurrenz. „Mit 150mm Länge und
15.1 mm Durchmesser bietet diese Zigarre einen milden bis mittelstarken
Rauchgenuss mit einem würzigen Abschluss“, heißt es über die Tabakstange, die
nicht mehr im Handel erhältlich ist. Zur Beruhigung des Dannemann-Marketings sei
festgestellt, dass die Ruy-Lopez-Eröffnung nicht nach der Zigarre benannt ist,
sondern nach Ruy Lopez de Segura (1530 bis 1580), der den Läufer nach b5
stellte, weil Lc4 Italienisch wäre. Ruy Lopez war Spanier. Ob er geraucht hat
(und wenn ja, was), ist nicht bekannt.
http://www.schachclub-badsoden.de/sc_01_aktuelles.html
Conrad Schormann
Blick ins Centro
Dannemann und die Tabakfabrik

Das Centro Dannemann ist in einer Etage der Tabakfabrik in Brissago
untergebracht.

Während der WM-Partien wird gezeigt, wie Zigarren von Hand gerollt werden.

Tabakreste. Benjamin Bartels mit Produktionsleiter Guido Eberle

Das Tabakblatt wird geteilt. Für die linke und rechte Blattseite gibt es
unterschiedliche Maschinen zur Weiterverarbeitung.



Maschinelles Zigarrendrehen

Das Schlussblatt



Manuelle Qualitätsprüfung

Die fertigen Zigarren

Ausschuss

Schlusskontrolle