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Schach und Zirkus
Von Anna Dergachova
Am Samstag und Sonntag hat das Rapidschach dann noch viel mehr Schachspieler angelockt. Dieses Jahr waren es knapp 500 Leute, die den Weg nach Mainz gemacht haben, davon 129 Titelträger.
Zvjaginsev und Dreev beim Chess960-Open
Darmen Sadvakasov , Aleksej Aleksandrov
Alexander Huzman, Inna Gaponenko
Zvjiaginsev, Svidler, Grischuk
Es war richtig voll in der Mainzer Rheingoldhalle. Dank der perfekten Organisation (fast perfekt bezeichnete sie Hans-Walter Schmidt, da die Siegerehrung für das zweite Turnier etwas länger als geplant dauerte, so dass die Matchpartien Polgar-Anand und Svidler-Leko an diesem Tag mit einer kleinen Verspätung begannen. Andererseits, wäre dann für das nächste Jahr kaum eine Steigerung, was die Organisation betrifft, möglich gewesen) klappte alles wunderbar.
Siegerehrung Ordix-Open
Siegerehrung Chess960-Open
Das Hotel Hilton als Spiel- und Wohnort braucht nun wirklich keine Extrawerbung,
es ist großartig. Die Zimmer, der Zimmerservice, das Frühstücksbuffet und
natürlich nicht zu vergessen auch seine wunderschöne Lage direkt am Rheinufer,
das alles macht dieses Turnier sehr attraktiv, sowohl für die Spieler, als auch
für die zahlreich angereisten Familien. Die Frauen und Kinder, die nicht am
Turnier teilnehmen, konnten dann einen kleinen Urlaub machen, das Superwetter
und die fantastische Aussicht genießen. Das scheinen auch die Spieler sehr zu
schätzen. Jedes Jahr kommen immer mehr mit ihren Familien nach Mainz.
Ferienstimmung in Mainz
Familie Galdunts
Familie Chuchelov
Familie Dautov
Inna Gaponenko mit Tochter, Natalia Kiseleva und Anna Dergachova
Das Turnier verlief reibungslos, die Spieler brauchten lediglich ihre Ergebnisse
zu melden, und schon ging es mit der nächsten Runde los. Die heutigen Programme
für die Auslosung funktionieren fehlerfrei, so hatte keiner einen Grund sich zu
beschweren, und das bei über 250 Paarungen!
An dieser Stelle erinnere ich mich an unsere Blitzturniere im Zentralschachklub
in Moskau. Etwas über 100 Spieler, zwei Schiedsrichter, die gleichzeitig per
Hand die Auslosung vorgenommen haben. Für jeden gab es damals eine Namenskarte,
auf der stand mit welcher Farbe und gegen welchen Gegner man gespielt hatte, und
natürlich auch die Punktzahl. Nach der Runde lagen dann diese Kärtchen in
Gruppen verteilt auf dem Tisch und so wurden dann die nächsten Gegner gesucht.
Auch damals in Moskau brachten die beiden Schiedsrichter die für mich
unglaubliche Kunst fertig, innerhalb von wenigen Minuten die nächste
Paarungsliste an der Wand aufzuhängen. Doch ich glaube, mit solch Anzahl von
Spieler wie heute in Mainz, wären auch sie nicht so schnell fertig geworden.
Apropos Kunst. Dies ist eine andere Geschichte aus Mainz. Was machen die
Schachspieler während des Turniers? Na ja, in erster Linie Schach spielen. So
weit ist es klar. Doch es gibt, es ist zwar kaum zu glauben, auch ein Leben
neben dem Schach. Und wie ich schon häufig in meinen Berichten angemerkt habe,
sind die meisten Schachspieler in jeder Hinsicht Spieler. Karten, Kasino,
Fußball, Tennis, Tischtennis, Wetten usw. Alles gab es schon auf Fotos
dokumentiert und für die Zukunft fest gehalten. Spaziergänge an der frischen
Luft und das Biertrinken nach dem Turnier. Was kann man noch tun?
Direkt neben der Rheingoldhalle war ein Zirkuszelt aufgebaut und abends konnte
man die Musik und das Gelächter nicht überhören. Nach der Schlusszeremonie des
Chess960 erzählte mir Daniel Fridman, dass er gerne in den Zirkus gehen möchte.
Die Idee klang ziemlich neu. Ich möchte auch mit, entschied ich mich sofort. Ich
sagte Daniel, warte einen Tag, und wir finden genug Leute, die mitwollen. In der
Gruppe ist es lustiger und günstiger, sagte ich. Und so konnte ich meine
organisatorischen Talente überprüfen.
Angefangen habe ich sofort in der Halle, wo die Großmeister vor den Monitoren
saßen und die Partien der Matches besprachen. „Wollt ihr in den Zirkus“, fragte
ich Vladimir Epischin und Emil Sutovsky? „Anna du machst wie immer Witze. Ist
hier nicht Zirkus genug?“, und sie vertiefen sich wieder in die Analysen der
spannenden Partien. Der erste Rückschlag ließ mich nicht verzweifeln, am
Frühstückstisch machte ich weiter, und schon ziemlich bald hatte ich die Zusage
von mehr als 20 Leuten. Doch einige haben es sich bis zum Abend vermutlich
anderes überlegt, doch die 12, die dann mitkamen, waren begeistert.
Im Zirkus
Akrobaten mit oder auch ohne jeglicher Art von Absicherung zeigten ihre Künste
in unglaublichen Höhen. Mann- und Frauschlangen, die ihre Körper in alle
möglichen Richtungen leicht wie Knete verbiegen konnten.
Die Gruppe von jungen Inlineskatern, die auf dem
schnell aufgebauten Berg hin und hier flogen und gleichzeitig sprangen, Salti
schlugen und, und, und... .
Am nächsten Tag hatten wir wahrscheinlich noch etwas von den mutigen
Mottoradfahren, die zu sechst in einem großem Kugel fuhren, ans Brett gebracht.
Der eine oder anderer wurde aber auch etwas übermutig. So hat Elisabeth einiges
versucht, aber drei Partien in Folge verloren (ihre Gegner waren auch nicht
gerade schlecht) und musste ohne Preis nach Hause zurück.
Elisabeth Pähtz, Levon Aronian
Elisabeth Pähtz, Alexander Graf
Dafür haben Natalia Kiseleva, Igor Glek, Korotkevic und David Baramidze sogar
mehrere Preise gewonnen. Ich wurde wie immer nach solchen Veranstaltungen
nachdenklich, spielte am zweiten Tag sehr solide und verlor keine einzige
Partie, gegen Zoltan Almazi gelang mir sogar ein kämpferisches Remis mit Schwarz
(vermutlich hat ihn meine Eröffnungwahl 1.e4 a6!? aus dem Konzept gebracht).
Doch Partien gewinnen konnte ich leider auch kaum noch. Mit dem Endergebnis von
6,5 Punkten aus 11 war ich sehr zufrieden, aber die anderen Damen waren dieses
Mal besser.
Isabel Werner (Dank an Christoph Pfrommer)
Artur Jussupov, Natalia Kiseleva
Ach ja einen Turniersieger gab es noch.
Durchgesetzt haben sich die Favoriten Alexander Grischuk und Ivan Sokolov.
Dritter wurde etwas überraschend Eric Lobron.
So das war es für dieses Jahr, ich hoffe euch nächstes Jahr auch in Mainz zu
sehen.