Schach unter Palmen

von Georgios Souleidis
31.05.2019 – S´Arenal auf Mallorca. Da, wo andere Urlaub machen, trafen sich weit über 100 Schachfreunde, um an der 8. Auflage des Llucmajor Open teilzunehmen. Deutschland stellte mit elf Teilnehmern die größte Fraktion außerhalb Spaniens. Aus Hamburg machte sich ihr Autor auf, um die Sonne zu genießen und vielleicht ein paar Elo-Punkte zu gewinnen. Ein Reisebericht. | Foto: Turnierorganisation

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Sebastia Nadal ist ein sehr umtriebiger Turnierorganisator, der sich auch außerhalb Spaniens einen Namen gemacht hat. Sein bisheriger Höhepunkt war die Organisation des FIDE Grand Prix 2017 auf Mallorca und auch der Weltmeister Magnus Carlsen war schon sein Gast für eine Simultanveranstaltung auf der Urlaubsinsel.

Sein Baby ist das Llucmajor Open, das jährlich im Mai stattfindet und als Urlaubsturnier gestaltet ist. Es ist Teil des Programms WinterChess Mallorca Chess & Tourism, das vom lokalen Tourismusverband finanziell unterstützt wird.

Sebastia Nadal (links) mit Großmeister Alexander Raetsky | Foto: Turnierorganisation

Vom 19. bis 26. Mai fand die achte Auflage statt. Der Preisfonds ist mit gut 5000 Euro eher überschaubar, doch die Konditionen für Titelträger sind ordentlich und das Wetter sowie die fußläufige Entfernung zum Strand, von den offiziellen Hotels und vom Spielort aus gesehen, locken immer wieder die gleichen Spieler nach Mallorca. So auch ihren Autor, der zum wiederholten Male teilnahm.

Traditionell startet das Treiben mit einem Blitzturnier am Tag vor Beginn des Open. Das ließen die deutschen Teilnehmer - dazu zähle ich auch mich trotz griechischer Flagge - allesamt sausen, denn es stand eine viel wichtigere Entscheidung an - wer wird Deutscher Fußballmeister! Die Nova Beach Lounge war mit hunderten von Gästen fest in deutscher Hand, so wie im Prinzip der Großteil von S’Arenal, dem durch Massentourismus sehr bekannten Teil der Insel. Wir sahen, wie Bayern souverän den Titel gewann, während die Profis am Brett schwitzten.

Endstand Blitzturnier

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Bernadskiy Vitaliy 8,0 40,5
2 Santos Latasa Jaime 7,0 42,5
3 Fier Alexandr 7,0 41,0
4 Hnydiuk Aleksander 7,0 38,5
5 Sumets Andrey 6,5 41,0
6 Naumkin Igor 6,5 39,0
7 Barcelo Pujadas Pedro Jose 6,5 33,0
8 Movsziszian Karen 6,0 43,0
9 Rasmussen Allan Stig 6,0 42,0
10 Gonzalez Perez Arian 6,0 38,5
11 Galiana Salom Juan Ramon 6,0 38,0
12 Herrera Reyes Jose Antonio 6,0 37,0
13 Medarde Santiago Luis Marcos 6,0 34,5
14 Akhayan Ruben 6,0 33,5
15 Hill Alistair 6,0 30,0

insgesamt 66 Teilnehmer

vlnr.: Mitglied Organisationsteam, GM Alexander Fier, GM Vitaliy Bernadskiy, Sebastia Nadal, GM Jaime Santos Latasa | Foto: Turnierorganisation

Wie ernst die Organisatoren es mit dem Begriff Schachtourismus meinen, erkennt man schon an der Tatsache, dass die Runden ungewöhnlich spät um 20:30 stattfinden, außer die erste und die zwei letzten Runden. Dadurch haben die Teilnehmer wirklich alle Zeit der Welt, um am Strand zu lümmeln oder wie mehrere Schachfreunde aus Deutschland, mit dem Rennrad die Insel zu erkunden - ein sehr beliebtes Hobby.

Zusätzlich wird mit der sehr kurzen Bedenkzeit von 90 Minuten für die gesamte Partie plus 30 Sekunden Zeitgutschrift ab dem ersten Zug gespielt, um sich bloß nicht zuviel mit Schach zu beschäftigen. Sportlich leidet dadurch die Qualität der Partien, aber damit müssen alle Spieler klarkommen. Es hat aber auch seinen Vorteil, da man hinterher noch Zeit für ein Bierchen hat.

Für "Schnellzieher" wie Alexander Fier ist die Bedenkzeit eh kein Problem. Der brasilianische Großmeister ist mit einer georgischen Schachspielerin verheiratet und lebt zum Teil in ihrer Heimat. Ich meine, er hätte mir erzählt, dass er sogar vom brasilianischen Konsul empfangen worden wäre - so selten ist ein Brasilianer in Georgien. Ich könnte noch mehr über ihn preisgeben, aber ich belasse es bei der Erwähnung, dass eine lustig-feuchtfröhliche Nacht ein gemeinsames Erlebnis in den Straßen von S`Arenal war.

Eine weitere gemeinsame Erfahrung war unsere Partie aus der dritten Runde, die ein jähes und böses Ende für mich nahm.

 

Alexander Fier landete mit 7,0 Punkten auf Platz drei | Foto: Turnierorganisation

Normalerweise schreibe ich nicht so viel über mein eigenes schachliches Treiben, da ich sehr kritisch mir gegenüber bin, aber nach dieser Niederlage berappelte ich mich - trotz Sonnenbrands in den Kniekehlen! - und hatte in der siebten Runde einen absoluten Höhepunkt, den ich den Lesern nicht vorenthalten möchte.

 

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Dieser Sieg katapultierte mich mit 5,5 Punkten in die Spitzengruppe und ich traf in der achten Runde an Brett zwei auf Allan Stig Rasmussen. Das Hochgefühl durch den schönen Sieg wich ob einer unterirdischen Leistung gegen den dänischen Großmeister der Scham, ähnlich wie nach der Niederlage gegen Fier.

Da war die Welt noch in Ordnung, kurze Zeit später schon nicht mehr. Links ihr Autor, rechts der Däne | Foto: Turnierorganisation

Rasmussen gehörte zusammen mit dem Ukrainer Vitaliy Bernadskiy, noch so ein Schnellzieher wie Fier, zu den zwei Spielern, die hauptsächlich um den Turniersieg spielten. Der Ukrainer hatte das direkte Duell gegen Rasmussen in der sechsten Runde für sich entschieden, doch er verlor in der letzten Runde gegen Alexander Fier. Rasmussen dagegen gewann gegen Joshua Daniel Ruiz Castillo. Dabei musste er aber keinen einzigen Zug ausführen, denn der junge Kolumbianer hatte nicht mitbekommen, dass die Schlussrunde schon um 9:30 beginnt!

Dieses Missgeschick passierte auch der nominellen Nr. 1 des Turniers. Nikita Petrov war mit 5,0 Punkten nach sechs Runden mit an der Spitze, verlor aber dann aus Gewinnstellung heraus gegen Bernadskiy, bevor er in der achten Runde verbaselte - trotz wiederholten Mitteilens seitens der Organisation auf Spanisch und Englisch, dass die Runde um 16:30 beginnt. Nach einem Remis in der letzten Runde reichte es noch nicht mal zu einem Geldpreis für den jungen russischen Großmeister.

Zurück zu Rasmussen. Der dänische Großmeister gewann das Turnier mit 8,0 Punkten trotz des kampflosen Zählers völlig verdient. Eine starke Leistung zeigte er gegen den ukrainischen Großmeister Alexander Zubov. Es ist eine gute Mischung aus Strategie und Taktik.

 

Wer nach diesem Bericht mit einem Besuch des Turniers im kommenden Jahr liebäugelt, dem kann ich es nur wärmstens empfehlen. Die Hotelpreise sind außerhalb der Hauptsaison sehr moderat und die Atmosphäre vor Ort trägt ob der tollen Lage am Strand und dem Wetter sehr zur Entspannung bei. Außerdem bieten sich wegen der späten Anfangszeit der Runden touristische Ausflüge nach Palma de Mallorca oder ins Landesinnere an.

Partien

 

Endstand nach 9 Runden

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Rasmussen Allan Stig 8,0 54,0
2 Bernadskiy Vitaliy 7,0 54,5
3 Fier Alexandr 7,0 52,0
4 Girish A. Koushik 7,0 51,0
5 Santos Latasa Jaime 7,0 50,0
6 Zubov Alexander 6,5 54,0
7 Andreev Eduard 6,5 48,5
8 Gonzalez Perez Arian 6,5 48,5
9 Karpatchev Aleksandr 6,5 48,0
10 Arizmendi Martinez Julen Luis 6,0 53,0
11 Nasuta Grzegorz 6,0 52,5
12 Raetsky Alexander 6,0 50,5
13 Ruiz Castillo Joshua Daniel 6,0 50,0
14 Souleidis Georgios 6,0 49,0
15 Golubka Petro 6,0 48,5
16 Herrera Reyes Jose Antonio 6,0 48,0
17 Sylvan Jacob 6,0 47,5
18 Hnydiuk Aleksander 6,0 46,5
19 Gritsak Orest 6,0 46,0
20 Kantans Toms 6,0 45,5
21 Colpe Malte 6,0 43,0

insgesamt 126 Spieler

Offizielle Webseite
Ergebnisse auf chessresults


Georgios Souleidis ist Internationaler Schachmeister und hat in Bochum Publizistik und Kommunikationswissenschaft studiert. Er arbeitet als Journalist, Autor und Schachtrainer. Er schreibt u.a. als Chefredakteur für die Schachbundesliga, für Chessbase, die Zeitschrift SCHACH, SPIEGEL ONLINE oder die Deutsche Presse-Agentur. Falls er mal nicht schreibt, Training gibt oder auf seinem YouTube-Kanal Schach lehrt, versucht er aktiv am Brett zu beweisen, dass 1. e2-e4 der beste Eröffnungszug ist.

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