Ilya Levitov: Eine Million Ideen, um Schach zu vermarkten
Ein Gespräch mit WGM Maria Manakova
Ilya Levitov ist der Vorsitzende des geschäftsführendes Komitees des
Russischen Schachverbandes und seit kurzem auch Vizepräsident der FIDE. Als
Arkady Dvorkovich (damals Assistent von Dmitriy Medvedev, dem Präsidenten des
Russischen Schachverbandes) 2009 die Führung des Schachverbands übernahm, lud
er Ilya Levitov und Evgeny Bareev ein, die Geschicke des russischen Schachs
gemeinsam mit ihm zu lenken. Eine Art doppelköpfiger Adler, wie er auch im russischen
Wappen auftaucht. Tatsächlich ist die Doppelspitze in Russland in letzter Zeit
populär geworden. In unserem Sport gestaltet sich das wie folgt: Levitov ist
der erfahrene PR-Manager (der in der US-Rangliste mit einer Wertungszahl von
1714 geführt wird), Bareev der berühmte Großmeister, der sich beim Schach bestens
auskennt.
Die Schachgemeinde in Russland war allerdings noch nicht ganz bereit für die
unerwartete Änderung der Ausrichtung des altehrwürdigen Spiels. Wieder und wieder
gibt es Kritik an der neuen Führung. Levitov und Bareev fassen oft Beschlüsse,
gegen die kaum Widerspruch möglich ist. Manchmal sind diese Entscheidungen interessant
und innovativ, manchmal überraschend und schockierend. Aber wie man so sagt:
der Hund bellt, doch die Karawane zieht weiter.
In letzter Zeit entwickelt sich das russische Schach rasant und zu den Sponsoren
des Schachverbands zählen u. a. Unternehmen aus der Gas-, Diamanten- und Finanzbranche.
Ist es der neuen Führung gelungen, ein System zu schaffen, das Sponsoren anzieht
(wie es zum Beispiel beim Tennis der Fall war) oder sind die Verbesserungen
des Schachlebens nur vorübergehender Natur - diese Frage wollte ich mit Ilya
Levitov klären. Doch zu Beginn des Interviews sprachen wir über die Organisation
des Tal-Memorials in Moskau.
Ilya Levitov
Maria Manakova: Ilya, man sagt, das Tal-Memorial war nicht nur ein Turnier
der Spitzenklasse, sondern stellt auch einen Meilenstein in der Schachgeschichte
dar, weil bei der Berichterstattung neueste Technologien erfolgreich eingesetzt
wurden. Sehen Sie das auch so?
Ilya Levitov: Nicht ganz. Im Prinzip haben wir Standardtechnologie eingesetzt,
aber wir haben die Zahl der Kameras verdoppelt, so dass die Zuschauer im Internet
die einzigartige Möglichkeit hatten, jeden Winkel des Raumes zu sehen: die Uhren,
die Bretter und - was noch wichtiger ist - sogar die Gesichter der Teilnehmer,
auf denen sich ihre Emotionen widerspiegelten. Wir hatten ein professionelles
Team und einen hochprofessionellen Regisseur. Dadurch hat sich die Qualität
der Übertragung bedeutend verbessert.
Richtete sich dieses Angebot nur an Internet-Zuschauer?
Bislang ja. Es gibt keine Fernsehübertragung, aber was Professionalität betrifft,
so hat unser Produkt die gleiche Qualität und verdient es, im staatlichen Fernsehen
gezeigt zu werden. Natürlich nicht in seiner Gesamtheit - live kann man das
nicht zeigen, zumindest nicht sechs Stunden lang.
Wollen Sie Ihr Produkt den Fernsehverantwortlichen anbieten?
Oh, ja. Wir haben eine Vereinbarung mit einem Sportkanal. Wenn das Produkt fertig
ist, wird eine spannende 15-minütige Zusammenfassung erstellt und gesendet.
Die sollte allerdings qualitativ vorbildlich sein.
Könnten Sie dieses Produkt auch ans Fernsehen verkaufen?
Ich glaube nicht. Das Fernsehen kauft kein Schach. Aber uns ist wichtig, dass
Schach im Fernsehen gezeigt wird. Um Geld geht es uns weniger.
Eine Sache möchte ich trotzdem noch wissen: zu welchen Bedingungen würden
Sie Ihr Produkt den Fernsehverantwortlichen zur Verfügung stellen?
Die Bedingungen sind nicht wichtig. Wichtig ist, dass sie das Produkt übernehmen,
die Bedingungen spielen überhaupt keine Rolle.
Sie wollen einfach ins Fernsehen?
Ja, das ist eins der Ziele, das wir verfolgen, wenn auch nicht unser Hauptziel.
Aber ich muss zugeben, wir wollen ins Fernsehen.
Aber wer schaut sich das an? Welches Zielpublikum haben Sie?
Alle und jeder! Kinder, Erwachsene, Veteranen, alte Leute - einfach jeder! Schach
sollte so präsentiert werden, dass jeder es verstehen kann.
Wie wollen Sie das erreichen?
Wir möchten die spannendsten und interessantesten Momente des Turniers zeigen,
begleitet von klaren und verständlichen Erläuterungen, die sich nicht in komplizierte
und kaum verständliche Details verlieren.
Wenn die Zuschauer nur Amateure sind, einfache Anfänger, werden sie dann
verstehen, was passiert?
Ich glaube, in Russland ist jeder mit den Grundzügen des Spiels vertraut.
Glauben Sie, dass die Fernsehzuschauer an einer solchen Sendung Interesse
haben?
Ich weiß es wirklich nicht! Ich habe solche Sendungen noch nie gemacht. Wir
probieren das aus und schauen, ob es funktioniert - wir werten das Ergebnis
aus.
Kann man sagen, dieses Turnier war der erste Schritt in diese Richtung?
Das Turnier war definitiv ein Schritt, aber bei weitem nicht der erste. Wir
haben von Turnier zu Turnier unschätzbar wertvolle Erfahrungen gewonnen… und
lernen daraus. Bei jedem Turnier haben wir einen Zuschauerzuwachs von 15-20%.
Wirklich?
Das ist nicht wirklich ungewöhnlich. Das ist der übliche Zuwachs für aufeinander
folgende Veranstaltungen dieser Art.
Haben Sie das Ziel, Schach spektakulär zu machen?
Nicht im Geringsten. Schach ist definitionsgemäß nicht spektakulär. Fußball,
Tennis, sogar Curling - tatsächlich ist jede Action spektakulär. Schach ist
nicht spektakulär, weil es keine bewegten Bilder gibt. Letztendlich ist unser
Ziel, Schach interessant zu machen.
Also ist Ihrer Ansicht nach Interesse nicht unbedingt an ein spektakuläres
Ereignis geknüpft?
Nein, Interesse kann geistig sein, kulturell. Es gibt unterschiedliche Arten
von Interesse.
Und beim Schach?
Die "kleinen grauen Zellen" fangen an zu arbeiten. Das Gehirn arbeitet, man
ist aufgeregt und freut sich, wenn ein Problem gelöst ist - ich glaube, das
ist die Hauptsache. Die Frage ist, welches Publikum wir ansprechen wollen. Hier
brauchen wir ein breites Spektrum, was die Sache komplizierter macht. Wir hätten
uns auf einen Typ konzentrieren können, zum Beispiel Leute, die bereits ganz
ordentlich Schach spielen, oder Profispieler oder Amateure, die zur politischen
Elite gehören. Wir müssen herausfinden, welches Publikum wir brauchen. Und die
Antwort scheint zu lauten, dass wir alle brauchen - Amateure und Profis.
Nehmen wir das Beispiel USA. Dort werden Profischachspieler ignoriert. Den Leuten
ist es völlig egal, wie ihre Großmeister und ihre Mannschaft spielen. So weit
ich sehen kann. Das Geld wird in die Förderung des Massenschachs, vor allem
des Kinderschachs, investiert. Genau wie in die Entwicklung des Kinderfußballs.
Mein Sohn lebt momentan in den USA. Ich habe einmal ein Fußballspiel an seiner
Schule besucht - Hunderte von Kindern in den USA spielen Fußball. Doch irgendwann
hören sie allmählich mit dem Fußball auf und wenden sich amerikanischeren Sportarten
zu. Doch man darf das Profischach nicht ignorieren. Unsere Nationalmannschaft
und unsere Schachspieler sollten gelegentlich Siege erringen.
Wollen Sie damit sagen, dass die Profis in Amerika nicht gewinnen müssen?
Ich glaube, das ist nicht unbedingt ein Ziel, das sie sich gesetzt haben.
Und in Russland?
Hier gab es dieses Ziel immer. Vor allem in Anbetracht der russischen Schachtradition.
Der Hauptsponsor des Tal-Memorials war Gazprom, nicht wahr? Wie ist Gazprom
Sponsor geworden? Welche Interessen hat das Unternehmen? Warum haben sie den
Köder geschluckt?
Ehrlich gesagt glaube ich nicht, dass dies der richtige Ausdruck ist. Sie haben
"den Köder" nicht geschluckt. Sie unterstützen Schach schon lange, dieses Jahr
ist ihre Unterstützung einfach nur größer geworden… Wir konnten sie dazu bewegen,
ihre finanziellen Investitionen ins Schach um 50 Prozent zu erhöhen. Wie? Einfach
durch professionelles und intelligentes Vorgehen. Wir fühlen uns geehrt und
sind stolz, Gazprom als unseren Hauptsponsor zu haben. Anfang des Jahres haben
wir ihnen eine Reihe attraktiver Angebote gemacht. Eins davon war ein Stipendienprogramm
für talentierte Kinder. Jetzt bekommen Kinder, Welt- und Europameister, ein
monatliches Stipendium von Gazprom. Tatsächlich bekommt der Sieger der Europameisterschaft
mehr Geld als sein Vater und seine Mutter zusammen. Das ist kein Scherz. Wie
hören sich 50.000 Rubel pro Monat (beinahe 2.000 USD) an? Für eine Provinzstadt
ist das eine Menge Geld. Das ist der Weg, Profischach zu entwickeln und zu fördern.
Übrigens muss man sagen, dass die Türkei das bereits vor Jahren gemacht hat.
In der Türkei gibt es ein System, in dem Mitglieder des Schachverbands
verpflichtet sind, Kunden einer bestimmten Bank zu sein - und die Bank verdient
dadurch Geld. Ich verstehe immer noch nicht, wie Gazprom durch ihre Förderung
des Schachs gewinnt.
Gazprom will mit der Unterstützung des Schachs kein Geld verdienen. Gewinne
machen sie mit Gas, und das so verdiente Geld investieren sie in unterschiedliche
Lebensbereiche, vor allem ins Schach.
Wie haben Sie Gazprom umgarnt?
Wie bereits gesagt, investiert Gazprom bereits seit gut einem Jahrzehnt ins
Schach. Wie das anfing, weiß ich nicht. Das ist einfach eine soziale Aufgabe,
die sie wahrnehmen. Gazprom ist ein Unternehmen mit gesellschaftlicher Verantwortung,
das etwa 200 verschiedene soziale Aktivitäten unterstütz: Schach, Basketball,
Eishockey, etc. Kunst fördern sie ebenfalls. Das folgt einer gewissen Logik.
Das Geld, das durch die Gewinnung, Verarbeitung und Nutzbarmachung der natürlichen
Ressourcen Russlands gewonnen wird, kommt Russland wieder zugute, nur in anderer
Form.
Was ist mit anderen wichtigen Schachsponsoren, die in letzter Zeit aufgetaucht
sind. Wollen Sie sagen, dass die genau wie Gazprom keinerlei finanzielle Interessen
haben?
Im Gegensatz zu anderen Sportarten, wie zum Beispiel Fußball, die notorisch
mit Korruption verknüpft sind, genießt das Schach in Russland einen tadellosen
und verdient guten Ruf. Deshalb ist es gut für das Prestige, Geld ins Schach
zu investieren. Unnötig zu erwähnen, dass die Summen für große Unternehmen nicht
besonders schwer ins Gewicht fallen.
Können Sie Zahlen nennen?
Das Jahresbudget des Russischen Schachverbands beträgt 5 Millionen USD. Und
das ist kein Geheimnis, das ist alles absolut transparent - und steht auf unserer
Webseite.
So weit ich weiß, sind Geschäftsleute nicht dafür bekannt, sich leicht
von ihrem Geld zu trennen…
Wenn Sie darauf anspielen, dass sie nur deshalb Geld investieren, weil die Leitung
des russischen Schachs in den Händen von…
Ich spiele nicht an. Ich habe eine Frage zu Arkadiy Dvorkovich.
Ich kenne keinen einzigen Sponsoren, der uns nur deshalb Geld geben würde, weil
unsere Person an der Spitze der Assistent des Präsidenten des Russischen Schachverbands
ist. Das wäre kein ausreichender Grund.
Würden die Sponsoren Schach auch ohne Dvorkovich unterstützen?
Mit Sicherheit, aber wahrscheinlich in geringerem Umfang.
Warum?
Weil er der ganzen Sache Glaubwürdigkeit verleiht. Im Vergleich zu
2009 ist unser Budget um 40% gestiegen.
Ich frage mich, wie Sie es angestellt haben, so mächtige Sponsoren zu
bekommen.
Wir haben sie überzeugt. Sie sind einfach zu ihnen hingegangen und haben sie
überzeugt?
Wirklich? Meinen Sie das ernst?
Absolut. Ein Freund von mir hat mich einmal gefragt: "Wie hast Du eine so wunderbare
Frau erobert?" Meine Antwort lautete: "Ich habe um sie geworben." Wie funktioniert
Werbung? Man präsentiert einfach sich selbst, seine Ideen, Konzepte und Visionen.
Seine Ideen? Welche Ideen?
Eine Million Ideen! Schach für Kinder, Schach für Erwachsene, Fernsehübertragungen,
das Internet. Die Möglichkeiten sind endlos!
Sie erwähnen Fernsehübertragungen, heißt das, Sie bieten Werbefläche an?
Können Sie sich vorstellen, was ein Publikum von 50.000 Leuten pro Tag bedeutet?
Und dabei handelt es sich um ein Elitepublikum. Während des Turniers war auf
unserer Webseite immer wieder eine Gazprom-Werbung zu sehen und sie wurde vom
richtigen Publikum gesehen, vom Gazprom-Publikum. Die Zahl der Zugriffe war
sehr befriedigend. An einem Tag übertraf die Zahl der Leute, die unsere Seite
besucht haben, sogar die Besucherzahl eines Rockkonzerts eines berühmten russischen
Musikers. Wenn Sie genaue Zahlen wollen, so kann ich Ihnen sagen, er hatte 55.000
Zuschauer, wir hingegen 60.000. Im Internet natürlich. Wenn wir übers Fernsehen
sprechen, dann kommen andere Zahlen ins Spiel. Im Fernsehen geht es um Millionen,
im Internet um Zehntausende. Aber diese Zahlen sollten nicht abgetan werden.
Man sollte diese Zahlen nicht vernachlässigen, denn das ist unser Zielpublikum!
Würden Sie sagen, Sie haben eine Methode gefunden, Sponsoren auch ohne
Dvorkovichs Hilfe anzulocken?
So ist es.
Kann man diese Methode auch in anderen Ländern anwenden?
Schwer zu sagen. Es gibt kein Universalrezept. Wenn man Schach liebt und fördern
will, dann versteht man mehr oder weniger, wie man es verkauft. Die Unterstützung
durch Arkady Vladimirovitch ist beträchtlich. Er hilft mit seinen Kontakten,
seinem Einfluss, er verleiht Glaubwürdigkeit und verschafft uns Zugang zu den
richtigen Leuten. Es ist nicht so, dass er etwas für diese Leute getan hat und
sie darauf erpicht sind, dem Verband im Gegenzug Geld zukommen zu lassen. So
funktioniert das nicht. Sein Beitrag ist die Sponsorengewinnung, aber das ist
nicht unbedingt ein direkter Beitrag.
Wollen Sie damit sagen, dass Sie glauben, es gibt eine Methode, bei der
Schach Gewinn abwirft?
Da bin ich sicher, tatsächlich sogar hundertprozentig sicher. Man kann alles
verkaufen; es kommt nur auf den Preis an. Aber Schach ist eine andere Geschichte.
Man sollte es wirklich lieben, vollkommen eingeschworen darauf sein. Darauf
kommt es an. Dann tauchen die ganze Zeit Ideen auf, jeden Tag. Zum Beispiel
kam Andrei Filatov (ein russischer Milliardär) mit der Idee auf mich zu, die
Weltmeisterschaft zu organisieren. Ehrlich gesagt, war ich am Anfang skeptisch.
Aber wir haben das Ganze durchdacht und im Laufe der Zeit kamen wir darauf,
die Ausgangsidee zu modifizieren und aus der Schachweltmeisterschaft ein bedeutendes
Kulturereignis von internationaler Bedeutung zu machen. Andrei ist ein großer
Sammler und Kunstliebhaber. Außerdem ist er reich. Irgendwann kamen wir auf
die Probleme zu sprechen, mit denen viele Museen zur Zeit konfrontiert sind.
Sie verfügen über erstaunliche Sammlungen und haben phantastische Schätze in
ihren Lagern, aber in der Kunstwelt mangelt es ihnen an Anerkennung und Autorität.
Deshalb werden angesehene Sammlungen in diesen Museen nicht ausgestellt. Das
wirkt sich negativ auf ihre Finanzen, ihren Cash-Flow etc. aus. Aber warum sollte
man den Weltmeisterschaftskampf nicht mit einer Reihe von großen Kunstausstellungen
verbinden, um die Welt auf diese Museen aufmerksam zu machen? Kurz gesagt, Russland
durch seine Kunst präsentieren. Ich war immer der Meinung, Russland sollte durch
seinen Geist gefördert werden. Als sich diese Idee herausschälte, war Andrei
begeistert. Und hat man den Enthusiasmus einer reichen Person entfacht, dann
ist das Problem schon halb gelöst.
Ich habe noch nie eine Veranstaltung dieser Größenordnung organisiert und weiß
nicht, welche Folgen das haben wird, aber ich weiß, dass es interessant sein
wird. Die Tretyakov-Galerie wird Gastgeber der Ausstellung sein. Wir rechnen
mit vielen Touristen, die zumindest an den Brettern und Spielern vorbei laufen
werden, während sie sich die Bilder anschauen. Dann sehen sie Boris und Vishy
und das ist phantastisch! Ich würde mich sehr darüber freuen.
Also ist Ihnen ein sehr intelligenter Zug eingefallen, um jede Menge Geld
zu bekommen?
Ein intelligenter Zug, um eine denkwürdige Veranstaltung zu organisieren. Ich
glaube, man sollte nicht hinter dem Geld her sein. Wenn Sie Sie nach einer außergewöhnlichen
Idee suchen, dann kommt das Geld von allein. In dieser Reihenfolge funktioniert
das.
Betrachten Sie Schach bei Ihrer Förderung als Sport, Kunst oder Wissenschaft?
Und brauchen wir eine Definition?
Natürlich brauchen wir eine Definition. Für Nationalmannschaften und für Profis
ist Schach ein Sport. Was unsere Nationalmannschaft in letzter Zeit gezeigt
hat, ist nicht unbedingt Sport, aber sollte es eigentlich sein. Es sollte Hochleistungssport,
das Strebens nach Exzellenz. Andererseits ist Schach für Kinder ein Teil der
Erziehung und der Entwicklung. Für Erwachsene ist das Spiel ein Hobby, das Berührungspunkte
zur Kunst hat, so als ob man ins Theater geht oder ein Konzert besucht. Man
sollte allerdings nicht versuchen, Schach in eine allgemein gültige Definition
zu pressen. Genau betrachtet ist auch Fußball nicht einfach eine Art Sport.
Es ist auch ein Spiel. Die Schachweltmeisterschaft scheint zunächst Sport zu
sein. Aber jetzt ist sie auch ein bedeutendes kulturelles Ereignis.
Wenn wir Schach als eine Art Sport betrachten, glauben Sie, es ist für
die Sportler akzeptabel, die Logos der Sponsoren-Unternehmen zu tragen?
Carlsen trägt bereits ein Logo, genau wie Kramnik und viele andere. Ja, aber
die Logos ihrer persönlichen Sponsoren.
Meine Frage zielte jedoch darauf ab, ob es sinnvoll ist, die Spieler zu
verpflichten, das Logo des Turniersponsors zu tragen?
Wozu?
Reichen Banner und Internet-Werbung den Sponsoren?
Sponsoren haben unterschiedliche Bedürfnisse.
Vom Zählen der Besucher auf der Webseite einmal abgesehen, ist es überhaupt
möglich festzustellen, wie wirkungsvoll die Werbung mit Schach ist?
Im Moment leider nicht. Aber zur Weltmeisterschaft wird es eine neue Methode
geben, um das zu überprüfen. Das sind Insiderinformationen, aber wir haben eine
technische Lösung entwickelt. Wichtig dabei ist zu sehen, wie lange jemand auf
der Webseite bleibt, welche Inhalte er sich anschaut, wann er kommt und geht,
was genau sein Interesse weckt, was ihn dabei bleiben lässt. Ist das Zeitnot
oder ist es Nakamura, der eine Grimasse schneidet? Oder ist es ein Abschnitt
aus der Schachgeschichte.
In Jugoslawien wurde einmal eine interessante Statistik darüber veröffentlicht,
wie oft der Name des Hauptsponsors des INVESTBANK-Turniers in den Massenmedien
erwähnt wurde und wie sich das auf die Profite der Bank ausgewirkt hat. Glauben
Sie, es ist wichtig, die Tretyakov-Galerie oder auch nur Russland in Zusammenhang
mit der Weltmeisterschaft zu erwähnen?
Den Namen einfach nur zu erwähnen ist sinnlos. Wenn er in Artikeln erwähnt wird,
die von angesehenen Journalisten mit gutem Ruf geschrieben werden, dann ist
das etwas anderes. Namen können in positivem und negativem Zusammenhang erwähnt
werden.
Der berüchtigte "Toilettenskandal", war der positiv oder negativ?
Was glauben Sie denn? Das war eine große Katastrophe fürs Schach.
Können Sie uns etwas über die Kosten des Tal-Memorials verraten? Oder
sind diese Informationen vertraulich?
Das sind keine vertraulichen Informationen. Aber im Moment sind wir noch dabei,
die finanziellen Aspekte auszuwerten. Einfach gesagt, haben wir noch nicht alles
berechnet. Grob geschätzt gehen wir von 500.000 bis 1 Million USD aus, den Preisfonds
mitgerechnet.
Warum ist Schach noch keine olympische Sportart? Was fehlt?
Alles.
Haben Sie den Ehrgeiz, dazu beizutragen, dass Schach ins olympische Programm
aufgenommen wird? Kann Russland das erreichen?
Zunächst einmal hat Russland überhaupt nichts damit zu tun, Schach in irgendein
Programm aufnehmen zu lassen. Schach ist kein olympischer Wintersport, weil
dafür grundlegende Voraussetzungen fehlen: Eis oder Schnee. Schach hat weder
das eine noch das andere. Was das Sommerprogramm betrifft, so ist das bereits
mehr als voll und neue Sportarten werden nicht zugelassen. Außerdem gibt es
den Slogan: "Höher, schneller, weiter!" Auch der hat in keiner Weise irgendetwas
mit Schach zu tun. Aber stellen wir uns doch einmal vor, dass Schach eines Tages
ins olympische Programm mit aufgenommen wird. Was dann? Schach wird als olympischer
Sport finanziell gefördert. Aber Schach bleibt weiter ein schwer zugängliches
Spiel. Vielleicht erhält Schach so mehr Geld, aber das Interesse am Schach nimmt
nicht zu. Was wir wirklich brauchen, ist eine Möglichkeit, Schach zu unterrichten,
Schach im Fernsehen zu zeigen, Interesse am Schach zu wecken. Wenn Millionen
von Menschen anfangen, Schach zu spielen, dann wird es ins olympische Programm
aufgenommen werden. Aber denken Sie ans Curling. Das ist eine olympische Sportart.
Bevor Curling olympisch wurde, kannte niemand diese Sportart. Doch haben die
Leute angefangen, Curling zu spielen? Die Antwort lautet 'Nein'.
Wer sollte die Geschicke des Schachs lenken: Geschäftsleute, Politiker,
PR-Fachleute oder Schachspieler?
Die Leute, die das können.
Sollten diese Leute wissen, wie man Schach spielt?
Zweifellos sollten sie Schachliebhaber sein. Aber ich glaube wirklich nicht,
dass es im Schach viel zu wissen gibt. Diesem Thema widme ich im Internet einen
ganzen Blog. Oft höre ich: "Er ist kein Profi. Er kann das nicht verstehen."
Aber ehrlich, was gibt es da zu verstehen? Natürlich gibt es bestimmte schachspezifische
Dinge, aber offen gesagt auch nicht mehr als in der Musik oder jeder Art von
Kunst. Schachspieler sind allerdings ein ganz besonderer Menschenschlag. Sie
sind mit sich selbst beschäftigt und leben in ihrer eigenen Welt mit ihren Ideen
und Zügen. Ihre Sicht auf das Leben ist anders als die gewöhnlicher Leute. Sehr
milde ausgedrückt.
Was ist mit dem Live-Publikum bei Turnieren? Geht dessen Zeit zu Ende?
Sie ist bereits vorbei.
Sie wollen nicht einmal Versuche in diese Richtung unternehmen?
Gibt es denn da überhaupt irgendetwas, das man anschauen kann?
Kann man sagen, dass Schach im Vergleich zu anderen Sportarten die Internet-Nische
besetzt?
Ja, Schach sollte live gespielt und im Internet verfolgt werden. Leider ist
es heute genau umgekehrt.