Schachabteilung Bayer Leverkusen im Aufwind

von Martin Schaffeld
23.06.2017 – Nicht nur Werder Bremen oder Bayern München, auch der Fußball-Bundesligist Bayer Leverkusen hat eine Schachabteilung. Am Rhein backt man zwar etwas kleinere Brötchen, aber das Team um den Schachhistoriker Michael Negele befindet sich im Aufwind: Kürzlich wurde Bayer Leverkusen Mittelrheinmeister

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Bayer Leverkusen wieder im Aufwind

Ein Traditionsklub im Schachverband Mittelrhein erwacht wieder zu neuem Leben. Die erste Mannschaft von Bayer Leverkusen hat mit dem Meistertitel in der Verbandsliga Mitte ihr Mauerblümchen-Dasein offenbar beendet und wird im kommenden Herbst mit großen Ambitionen als souveräner Aufsteiger in die Regionalliga starten. Nach genau zehn Jahren ist die Werks-„Acht“ damit wieder in der höchsten Spielklasse des SVM vertreten.

Der entscheidende vorletzte der insgesamt elf Spieltage beendete diese lange Durststrecke. Durch ein hart umkämpftes Unentschieden (13:12 nach Berliner Wertung) gegen die Bergischen Schachfreunde war der lang ersehnte Comeback-Coup perfekt.

 „Kompliment an die Mannschaft und auch an die Gäste, die uns alles abverlangt und sich immer fair verhalten haben“, erklärte der nun scheidende Mannschaftsführer Wolfgang Jiritschka. „In der Regionalliga habe ich von der Spielstärke her nichts zu suchen. Es war eine meiner schönsten Jahre als Mannschaftsführer, und es war mir eine Ehre und ein Vergnügen mit dieser tollen Truppe den Aufstieg zu schaffen“, so Jiritschka auf der Homepage weiter.

Negele Herz und Kern des Teams

Herz und Kern der Erfolgsmannschaft ist wohl Dr. Michael Negele, Buchautor und seit 2015 auch im Deutschen Schachbund Beauftragter für Schachgeschichte und Schachkultur. Seine Routine und auch seine Demut, sich in der Verbandsliga-Saison lediglich ans vierte Brett zu setzen, stärkte das Team um die zwei jüngsten Zugänge Kuno Thiel und Harald Claßen.

Eine Geschlossenheit, die in Runde 10 standhielt: Beim Showdown in Leverkusen fanden sich einige Kiebitze ein, um das Geschehen live zu verfolgen, so voll war es in der kleinen Halle schon lange nicht mehr. Den besseren Start erwischten auf jeden die „Bergischen“. Später wurde es richtig dramatisch, es liefen noch drei Partien, Michael Negele versuchte die ganze Zeit schon, mit Dame und ungleichen Läufern noch irgendwas aus einer sehr remislichen Stellung herauszupressen. Michael Esser hat mit der Qualität weniger nur noch Pfusch-Chancen auf einen halben Punkt und Stefan Böhm hatte zwischenzeitlich einen Bauern weniger. Insgesamt keine guten Aussichten auf die fehlenden 1,5 Punkte zum Mannschaftsremis.

Aber Beharrlichkeit führt zum Erfolg. Als Böhm dann genüsslich seinen Kaffee zu sich nahm, war allen Kennern klar, dass er jetzt alles im Griff hatte und genau wusste, wie er seinen Gegner zum vollen Punkt „auszutempieren“ hatte und so den 4:4-Endstand perfekt machte. Die Glückwünsche der erleichterten Mannschaftskollegen wollten gar kein Ende nehmen. Happy End für Bayer, denn die Berliner Wertung gewann Leverkusen mit 13:12 hauchdünn.

In der nicht mehr entscheidenden finalen Runde gegen die zweite Mannschaft von Langenfeld brannte nichts mehr an. Ein 5:3-Auswärtserfolg für die Galerie ließ die beinahe weiße Weste bis Ultimo rein – nur ein Mannschaftspünktchen war verloren gegangen. Damit ist der Leverkusener Heinrich Debald der alleinige Topscorer der Liga mit 9,5 aus 11 (drei Remis sowie ein kampfloser Punkt).

Tiefpunkt gegen „Dritte“ des Lokalrivalen

Die Erfolgsgeschichte von Negele & Co. hatte einen langen Anlauf: Tiefpunkt war vielleicht der Ausrutscher, als Bayer vor vier Jahren eine doppelte Bauchlandung hingelegt hatte: In zwei Verbandsligen hatte der Klub zwei quasi „gleichschwache“ Kader aufgestellt – und dabei gelang es dem Lokalrivalen Langenfeld, sogar mit seiner dritten (!) Mannschaft die Erstvertretung von Bayer zu bezwingen. Vielleicht war auch dies der Tiefschlag, der den Klub zum Umdenken bewegte und eine Strategie aufstellen ließ, wie man mittelfristig wieder in die Erfolgsspur kommt. Die zweifelhafte Tradition, dass der Vereinsmeister zwangsläufig ans Spitzenbrett gesetzt wird, wurde über den Haufen geworfen – zum Wohle einer flexibleren Aufstellung des Flaggschiffs.

Denn ein Verein mit solchen Strukturen, der jährlich mit dem Bayer-Open eines der attraktivsten Amateur-Turniere in NRW veranstaltet, hat wahrlich ein solches Flaggschiff verdient. Im Jahr 1909 gegründet, zählt der Schachclub Bayer derzeit etwa 50 Mitglieder. Für Ligaspiele und größere Veranstaltungen steht dem Leverkusener Verein die Wiesdorfer Bürgerhalle zur Verfügung.

Schon vor Jahresfrist fand das Saison-Abschlussessen laut Jiritschka „in bester Stimmung statt.“ Bereits vor dem letzten Verbandsliga-Spieltag rangierte Bayer auf dem geteilten zweiten Platz hinter dem souveränen Aufsteiger SV Dormagen. „Das hätte vor der Saison so wohl kaum jemand erwartet.“ Dormagen indes steigt nun aber chancenlos wieder ab – ein Schicksal, das die Nachbarn von der anderen Rheinseite tunlichst vermeiden wollen. Man darf gespannt sein, wie sich das frische Team vor der neuen Saison erneut verstärkt.

 „Wir gehen davon aus, dass alle Spieler bleiben und hoffen auf ein oder zwei Verstärkungen, damit wir in der höheren Liga bestehen können. Denn die ist eine andere Welt“, betonte Brett2-Spieler Marco Bär im Leverkusener Anzeiger.

Verstärkung tut vielleicht wirklich Not, denn in der Regionalliga wartet ein altbekannter „Erzfeind“: Die ehemaligen Schachfreunde Monheim, langjähriger NRW- und Oberligist, sind ja vor fünf Jahren mit Langenfeld fusioniert. Mit ihren Besten warten sie nun - als Langenfeld I - auf den großen Lokalrivalen vom Mittelrhein, um ihm die Grenzen auf seinem Weg nach oben aufzuzeigen…


 
 Bayers Meister-Kader im Überblick:
 
 1 Thiel, Kuno (DWZ 2102)
 2 Bär, Marco (2101)
 3 Claßen, Harald (1992)
 4 Negele, Michael Dr. (2075)
 5 Böhm, Stefan (1984)
 6 Esser, Michael (2011)
 7 Debald, Heinrich (2012)
 8 Andreas Dabringhaus (1873)
 E1 Henseler, Klaus (1814)
 E2 & MF Jiritschka, Wolfgang (1767)
  


Martin Schaffeld (Jahrgang 1971, verheiratet/zwei Töchter) lebt in Langenfeld bei Düsseldorf und arbeitet seit seinem Sportpublizistik-Studium als freier Journalist und Online-Redakteur.

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