Schachfestival in Korfu
von Bettina Trabert
Eigentlich sollte es nur ein kleines Open
sein, das der immer nach neuen Ideen suchende Chess-Org-Turnierorganisator
Jürgen Wempe auf der griechischen Insel Korfu in Zusammenarbeit mit dem hiesigen
Schachclub ausrichten wollte. Doch die griechische Seite war sich schnell einig:
„Wir haben so schöne Festivals gemacht – ein Open allein reicht nicht!“. In den
80er und 90er Jahren fanden hier etliche hochkarätige Veranstaltungen statt -
Kasparow, Karpow, Timman, die Polgars und viele andere Spitzenspieler besuchten
die Insel. Das letzte internationale Schachevent war ein Vergleichskampf
zwischen der deutschen und der griechischen Nationalmannschaft 1999, dann
schlief die Organisation ein... Wie Spyridon Skembris, der einzige aus Korfu
stammende Großmeister meinte: „Wir brauchten einen ‚Otto Rehhagel’, der uns
wieder auf Trab bringt!“
Schließlich
wurden es vier Turniere, die dieses Jahr vom 1.-12.Oktober auf Korfu ausgetragen
wurden: Neben dem Open gab es ein GM-Turnier, ein Schnellturnier und ein
Touristenturnier mit verkürzter Bedenkzeit. Dass „Organisation“ auf griechisch
allerdings eine etwas andere Bedeutung hat und für deutsche Nerven nicht immer
leicht zu verkraften ist, musste Jürgen Wempe bei seinem Kurzbesuch zwei Wochen
vor Beginn des Festivals feststellen: Bei der Inspektion des Spiellokals stellte
sich heraus, dass im schon vor vielen Monaten für das Turnier reservierten
Stadttheater inzwischen eine mehrtägige politische Versammlung mit den
Bürgermeistern aus ganz Griechenland geplant war, um über die Folgen der
Brandkatastrophen im Sommer zu beraten. Da einerseits bei der Brisanz dieses
Themas die Politiker nicht wieder ausgeladen werden konnten, andererseits die
angebotene Ausweichmöglichkeit innerhalb des Theaters aus Lautstärkegründen kaum
in Frage kam (wer einmal bei einer griechischen politischen Diskussion zugehört
hat, weiß was ich meine…), war auf einmal kein Turniersaal mehr vorhanden. Da
halfen auch Aufmunterungsversuche wie „Mach Dir keine Sorgen, so haben wir auch
die Olympiade organisiert“, nicht wirklich weiter.
Doch als sich das
Organisationsteam gegen Abend etwas deprimiert auf den Weg machte, zeigte sich
die positive Seite der „griechischen Organisation“, nämlich dass alles auch noch
in letzter Sekunde auf die beste Weise möglich ist… Zufällig lief man dem
Bürgermeister der Stadt Korfu über den Weg, erklärte die Situation – und
innerhalb von 10 Minuten war das Problem gelöst und ein neuer Spielsaal
gefunden. Und dieser war tatsächlich sehr viel besser als nur eine Notlösung!
Blick auf den Spielsaal
Das Kongresszentrum Faliraki liegt direkt
unterhalb der Stadt auf einer kleinen Halbinsel neben einem Badestrand und bot
den Teilnehmern so die Alternative, während oder nach den Partien
baden zu gehen…
…oder aus dem Fenster heraus die vorbeifahrenden Schiffe zu beobachten.
Blick vom Spielsaal auf die venezianische Festung aus dem 16. Jahrhundert...
… und in den Spielsaal hinein
Und damit sind wir zunächst einmal bei den
Turnieren: Das GM-Turnier bot viele spannende Partien, aber letztlich schaffte
keiner der Normanwärter das erwünschte Ziel.
Das GM-Turnier, vorne Simeonidis gegen Khetsuriani, dahinter Elena Dembo und
Shavtvaladze
Elena Dembo, Nr.1 der griechischen Frauenrangliste, kam auf 50%.
Der in Griechenland lebende IM Nikoloz Shavtvaladze sicherte sich den
2.-3.Platz, spielte aber in der zweiten Turnierhälfte zu vorsichtig, um die
GM-Norm zu schaffen.
Stanislav Savchenko, der ELO-schwerste Teilnehmer (2.-3.Platz).
Der ukrainische GM staunte übrigens nicht
schlecht, als er am ersten Tag mit einem Moped abgeholt wurde, um von seinem
erstklassigen Hotel zum Spielsaal zu fahren! Eine der vielen kleinen
Widersprüchlichkeiten, die griechische Turniere so liebenswürdig machen…
And the winner is... Alexander Karpatchev – der hier von Alex Koskeros, dem
Ehrenpräsidenten des Schachclubs Korfu, den Sonderpreis überreicht bekommt – ein
eigens für das Turnier geschaffenes Werk des auch international bekannten
Künstlers Nikos Mihalopoulos.
Die Preisträger im GM-Turnier…
Und die Preisträger des Opens und Touristenturniers, von links nach rechts:
Georgiadis, Kostiukova, Zierke, Kleifges, Dettmann, Papenbrock, Iatros, Levin,
Halderakis, Rotstein.
Im Open zogen die beiden aus Deutschland
angereisten Großmeister Arkadij Rotstein und Felix Levin ihre einsamen Runden
und teilten sich mit großem Abstand zum übrigen Feld den ersten Platz. Den
dritten Platz erreichte FM Oliver Zierke, der in der letzten Runde nur knapp
eine IM-Norm verfehlte.
Oliver Zierke aus Deutschland
Marina Makropoulou, Mitglied der griechischen Frauennationalmannschaft
Jürgen Wempe am Brett
Was macht der Hauptorganisator am
Schachbrett? Als sich zu Beginn eine ungerade Teilnehmerzahl ergab, sprang
Jürgen Wempe kurzerhand selbst ein. Wer allerdings dachte, dass er nur zum Spaß
nebenbei ein paar Partien spielen wollte, hatte sich geirrt: Alle Partien wurden
ausgefochten, frühzeitige Remisangebote abgelehnt, und mit einem Sieg in der
Schlussrunde hätte der Turnierorganisator es sogar noch selbst in die Preisränge
geschafft!
All das war nur möglich durch die erfahrene Leitung von Sotiris Logothetis, der
nicht nur als des Schiedsrichter fungierte, sondern nebenbei auch das Bulletin
erstellte. Hier schauen ihm seine Ehefrau Elena Dembo und Marina Makropoulou
über die Schulter.
Das Schnellturnier sicherte sich IM Spiros Kapnisis vor den GMs Karpatchev,
Skembris und Grivas. Der griechische IM trainierte seine Blitzstärke übrigens
auch im GM-Turnier immer wieder durch haarsträubende Zeitnotschlachten…
Kampf der korfiotischen Lokalmatadoren: Alexandros Georgiadis, Mihalis
Agistriotis und Konstantinos Georgiadis.
Man sollte die korfiotischen Schachspieler
nicht unterschätzen! Wer am Wochenende einen Spaziergang durch die Stadt Korfu
macht, hat gute Chancen, starke Gegnerschaft für Blitzpartien im Kaffeehaus zu
finden. Korfu besitzt übrigens eine recht lange Schachtradition: 1923 wurde hier
der erste Schachclub Griechenlands gegründet.
Unter den Arkaden auf dem zentralen Spianadaplatz befand sich früher der
Schachclub.
Inzwischen sind die Schachspieler auf die andere Seite des Platzes ins Art-Cafe
umgezogen. Hier Nikos Skiadapoulos, Präsident der Nord-West-Griechischen
Schachunion, Alex Koskoros und Spiros Skembris bei der Analyse
Eine historische Rarität ist das Schachbrett von Captain Evans, welches der
Erfinder des Evansgambits auf einer seiner Reisen durchs Mittelmeer in Korfu
gelassen hat. IM Valerij Bronznik und Spiros Skembris bei der Besichtigung.
Da viele Teilnehmer mit Familie angereist
waren, bot das Rahmenprogramm aber auch nicht-schachliche Ausflugsziele. Am
freien Tag wurde eine Rundfahrt zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten der Insel
organisiert.
Garten des Achillons, der Sommerresidenz von Kaiserin Elisabeth (Sissi), benannt
nach ihrem Lieblingshelden Achill.
Blick aus dem Garten des Achillons und ein Eindruck der „grünen Insel“.
Das Kloster Paleokastritsa von außen…
…und von innen
Aber am meisten Spaß macht eine Sightseeing- und Shoppingtour doch nach einem
gewonnenen Turnier… Die GMs Rotstein und Levin mit ihren Ehefrauen in Korfu
Stadt.
Und was wäre eine Griechenlandreise ohne den Besuch einer echten griechischen
Taverne?
Yamas, kai tou chronou! - Herzliche Grüße
aus Korfu!