Schachmagazin 64: Edouards "Winning Chess Strategies" - eine Rezension

von ChessBase
31.08.2022 – Der französische Großmeister Romain Édouard zeigt in seinem zweibändigen Kurs "Winning Chess Strategies", wie man im Schach gezielt und strategisch auf Gewinn spielt. Stefan Liebig hat sich den Kurs angeschaut und für Schachmagazin 64 rezensiert. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Die folgende Rezension von Stefan Liebig erschien im aktuellen September-Heft von Schachmagazin 64. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.

Schwerpunkt des Heftes ist die Schacholympiade in Chennai mit dem Sensationserfolg der Usbeken. Sehr interessant ist auch der Bericht der Familie Bezold, bei der 1990 der öffentlichkeitsscheue Bobby Fischer für einige Wochen Unterschlupf fand.

Schachmagazin 64...


Winning Chess Strategies Vol.1 and 2

In diesem Videokurs werden wir lernen, wie man das Opfer und die Initiative in verschiedenen Themengebieten meistert: Ungleichfarbige Läufer, das Läuferpaar, das Qualitätsopfer, die Einleitung eines Angriffs und der richtige Moment für ein Opfer werden be

Mehr...

Strategisch gewinnen

Romain Édouard zeigt in seinem Doppel-Fritztrainer Gewinnmethoden und liefert zahlreiche instruktive Übungsaufgaben | Von Stefan Liebig

Partien mit verschiedenfarbigen Läufern sind immer remis? Das ist wohl ein ebenso weitverbreitetes Vorurteil wie das von den Turmendspielen, die auch immer unentschieden enden sollen. Romain Édouard nimmt sich solche Legenden auf seinem kürzlich erschienenen Doppel-Fritztrainer vor und untersucht die strategischen Grundlagen, die Remis- von Gewinnstellungen unterscheiden. Mit lehrreichen Beispielen zeigt der 32-jährige Großmeister, der unter anderem U-16-Europameister und mehrfacher Schacholympiade-Teilnehmer für Frankreich war, wie sich auch in remisverdächtigen Mittelspielen sehr effektive und erfolgversprechende Angriffsstrategien umsetzen lassen.

Beeindruckende Partien zeigen das Gift, das in solchen Stellungstypen oft versteckt ist: wie etwa die Partie von Wladimir Kramnik gegen Wesselin Topalow aus dem Jahr 2015 oder das Spiel aus dem Jahr 2013 vom damals gerade kurz vor seinem ersten Weltmeistertitelgewinn stehenden Magnus Carlsen gegen Sergei Karjakin – gegen den er einige Jahre später ebendiesen Titel verteidigen sollte. Der aus Poitier stammende Édouard legt großen Wert auf detaillierte und nachvollziehbare Erklärungen. Das Thema Initiative steht dabei immer im Fokus. Insbesondere schaut der Autor dabei auf die Schwierigkeit, gute von schlechten Abtauschaktionen zu unterscheiden. Er zeigt Positionen, in denen zunächst die Vorteile von Läuferpaaren ausgebaut werden und schließlich der richtige Moment zum Abtausch in eine Gewinnstellung gefunden wird. Eine Thematik, die auch vielen sehr erfahrenen Schachspielern immer wieder große Probleme bereitet und die hier eingehend durchleuchtet wird.

Gleich im Anschlusskapitel geht es um das entgegengesetzte Thema, nämlich dem Beibehalten des Läuferpaares. Auf einen eindrucksvollen weißen Angriffssieg von Anish Giri gegen Fabiano Caruana (2013) folgen ein Beispiel aus Édouards eigener Turnierpraxis (2011), ein klassisches Beispiel Akiba Rubinsteins (1907) und ein Schwarzsieg von Gata Kamsky (2019). Der Autor legt hier großen Wert auf die Betonung der Vorteile eines Läuferpaares und die Herausstellung wichtiger Diagonalen sowie der damit verbundenen Figurendominanz und Felderschwächen.

Es folgt eine Lektion zum immer spannenden Thema Qualitätsopfer, die mit einer aufregenden Schwarzpartie des Ex-Weltmeisters Garri Kasparow gegen Sergei Movsesian (2000) beginnt. „Sein“ – leider aus der aktuellen Weltklasseturnierpraxis fast verschwundener – Najdorf-Sizilianer beinhaltet immer wieder das thematische Qualitätsopfer auf c3. Im Gegensatz zu den vorigen Kapiteln setzt Kasparow im hier von Édouard gewählten Beispiel auf das Motto, nichts zu überstürzen. Er zeigt, wie der langjährige Weltmeister geduldig seine Kompensation zu einem großen Vorteil ausbaut, um schließlich den vollen Punkt einzufahren.

Im Abschnitt „How to launch a furious attack” geht es dann direkt – entsprechend der Kapitelbenennung – deutlich wilder zu. Wieder einmal ist Topalow mit von der Partie. Zu sehen ist sein atemberaubender Angriff im sehenswerten Weißsieg gegen Ruslan Ponomarjow aus dem Jahr 2005, gefolgt von drei weiteren mitreißenden Beispielen anderer Akteure. Und nach all diesen schönen Angriffssiegen gelangt Édouard zur entscheidenden Frage: Wann ist eigentlich der richtige Moment für ein Opfer gekommen? Am Beispiel von fünf Partien aus den letzten drei Jahrzehnten (beispielsweise Wesley So, Wei Yi sowie erneut Kasparow und Topalow) erhält der Zuschauer wichtige Hinweise auf den richtigen Einsatz und vor allem den richtigen Zeitpunkt von Opfern. Doch – und das macht einen Vorteil der Abhandlung aus – es wird auch über den falschen Moment fürs Opfern gesprochen. Das hilft sicher, in der Praxis die eine oder andere vorschnelle und zu waghalsige Attacke noch etwas besser vorzubereiten …

Édouard spart auch darüber hinaus nicht mit praktischen Hinweisen, zum Beispiel, dem, dass verlorene Stellungen manchmal noch zu retten sind, indem man Fallen stellt oder eingesammeltes Opfermaterial zurückgibt. Man gibt also dem Gegner die Möglichkeit, Fehler zu machen, statt die besten Zügen zu suchen, die die eigene Niederlage lediglich einige quälende Züge lang hinauszögern würden. Dies ist nur ein weiterer zusätzlicher Bonusaspekt des Doppel-Fritztrainer.

Apropos Bonus im Anschluss an die vorgestellten Lektionen befindet sich noch eine große Anzahl analysierter und thematisch sortierter Partien für die eigenständige Arbeit am Thema. Im zweiten Band gibt es entsprechend noch weitere Aufgaben zum selbstständigen Lösen.

 

Rezension als pdf...

Während die Lektionen im ersten Band meist zwischen einer Viertel- und einer halben Stunde lang sind und überwiegend aufs konzentrierte Zuhören setzen, schlüpft der Käufer beim zweiten Band in die Problemlöserrolle. In kleinen, nur wenige Minuten dauernden Häppchen liefert Édouard berühmte und auch weniger prominente Aufgaben zum Selberlösen und zur Stoffvertiefung. Bei der Präsentation der Lösungen erhält der Zuschauer zudem ausführliche Blicke hinter die Kulissen, was die Aufmerksamkeit erhöht und den Trainingseffekt deutlich steigert. Eigene eingegebene Lösungsvorschläge werden kommentiert und Verbesserungen erläutert. Eine bewährte und zielführende Technik, die den großen Vorteil dieser Fritztrainer-Kurse ausmacht. Die Übungen sind angelehnt an die Lehr-Videos in folgende Kapitel unterteilt:

Paralysiere Deinen Gegner

Schlage den Verteidiger

Bestrafe den unsicheren König

Der Moment, um loszulegen

Entdecke den Killerzug

 

Édouard gibt hilfreiche Tipps, die aus seiner reichhaltigen Erfahrung im Weltklasseschach stammen – immerhin durchbrach auch er in seinen besten Zeiten schon die 2700er-Elomarke. Er gewährt Einblicke, wie man schneller und besser die entscheidenden Varianten berechnet. Außerdem schult er ganz nebenbei auch die Intuition der Zuschauer. Instruktiv sind seine kurz gehaltenen Varianten, da er besonderen Wert auf ein gutes Stellungsverständnis und das Erkennen des richtigen Moments für strategische Veränderungen der Stellung legt. Auch die Zusammenfassungen am Ende der einzelnen Kapitel bringen präzise auf den Punkt, auf was der Lernende achten sollte und was das Geheimnis der Gewinnstrategie des jeweiligen Meisters ist. Wichtig auch, dass Édouard nicht unbedingt zu erwartende Randaspekte erläutert, etwa warum einige Eröffnungsvarianten auf dem Toplevel nicht mehr zu sehen sind. Der Grund: Mögliche Positionen wurden von Engines soweit ausgerechnet, dass einige Abspiele aus der Praxis der Spitzenspieler verschwunden sind.

Alles in allem ein spannender Kurs, der auch viele taktische Elemente enthält und somit eine gute Verbindung aus Strategie und Taktik bietet. Beide Fritztrainer-Bände sind einzeln gut einsetzbar, das Zusammenspiel von Theorie und Praxis mit beiden Folgen ist aber durchaus empfehlenswert. Die Videos sind auf Englisch und Französisch hörbar und auch für nicht perfekte Fremdsprachler gut verständlich.
 

Romain Édouard: Winning Chess Strategies

Vol. 1 – The Art of Sacrifices and Initiative,

ISBN 978-3-86681-850-7

Vol. 2 – The Initiative: Train Yourself,

ISBN: 978-3-86681-851-4

Preis: jeweils 29,90 €, bzw. zusammen für 54,90 €.

Winning Chess Strategies Vol.1 and 2

In diesem Videokurs werden wir lernen, wie man das Opfer und die Initiative in verschiedenen Themengebieten meistert: Ungleichfarbige Läufer, das Läuferpaar, das Qualitätsopfer, die Einleitung eines Angriffs und der richtige Moment für ein Opfer werden be

Mehr...

https://de.chessbase.com/post/neu-winning-chess-strategies-vol-1-vol-2


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.