Impressionen aus der
Olympiastadt
Von Dagobert Kohlmeyer
Nach dem
M-tel Masters in Sofia und Familienfeier in Berlin eilte der in die Jahre
gekommene Reporter zur Olympiade. Turin ist derzeit Nabel der Schachwelt,
doch man muss auf dem Weg dorthin erst einige Hindernisse überwinden. Nicht
genug damit, dass mein Hotel viel zu weit außerhalb der Stadt liegt, auch der
Eintritt ins Oval Lingotto, die frühere olympische Eishalle, wo gespielt
wird, ist steinig. Nach einer Bus-Odyssee durch die Stadt glaubt man sich am
Ziel, aber denkste. Immerhin weist ein Schild den Weg.
Einen Kilometer weiter
dieses Bild.
Dann versperrt ein neuer
Zaun den Weg.
Erst um 14 Uhr soll
geöffnet werden. Es ist aber gerade mal 12 Uhr mittags. Und 28 Grad im
Schatten. High Noon. Was nun? Dann kommt glücklicherweise Hilfe. Uns wird
endlich das Tor aufgeschlossen.
Im Foyer der Halle eilt
mir Adolivio Capece, Chef der italienischen Schachzeitung, entgegen. Die
Akkreditierung erfolgt schnell, jetzt können wir loslegen.
Ein eigenes Office haben
hier Natalja und Carsten Straub. Natalja, die am heutigen Samstag ihren 28.
Geburtstag feiert, kommt mir strahlend entgegen: „Happy birthday!“
Im riesigen Spielsaal
dann eine weitere strahlende Schönheit. Anna Sharewitsch aus Weißrussland
posiert gern fürs gemeinsame Foto. Ihr Landsmann Andrej Kowaljow drückt für
uns auf den Auslöser.
Im Foyer signiert Viktor
Kortschnoi seine gerade auf Italienisch erschienene Autobiographie.
Er überlässt deshalb
heute Yannick Pelletier das Schweizer Spitzenbrett. Einige Meter weiter wird
Dame gespielt, auch die Programme der Computer-Spezialisten tragen ihr
Turnier aus.
Dameturnier
Junior gegen Shredder, Amir Ban und Shay Bushinsky, rechts: Stefan
Meyer-Kahlen
Stefan Meyer-Kahlen (re.)
Dann beginnt die Runde.
Russland spielt vorn gegen die Niederlande und bekommt eine Klatsche! Erste
dicke Überraschung im Herrenturnier. Die DSB-Auswahl hat es mit Indien zu
tun. Das ist schwer genug.1:3 heißt es am Ende. Am ersten Brett erreicht
Arkadi Naiditsch gegen Vishy Anand ein achtbares Remis. Vor dem Spielbeginn
gibt es am Samstag eine Gedenkminute für die Opfer des gestrigen Erdbebens in
Indonesien.
Gedenkminute für die Erdbebenopfer in Indonesien
Indien gegen Deutschland
Der Spitzenkampf: Russland gegen die Neiderlande
Thomas Luther: „Wir wollen
weit nach vorn!“
Von Dagobert Kohlmeyer
Beim Duell mit Indien
war Thomas Luther war nicht dabei. Der dreifache deutsche Meister pausierte
am sechsten Spieltag, weil er etwas erkältet war. Zum Interview mit uns war
der Erfurter aber gern bereit.
Thomas, deine
wievielte Olympiade spielst du hier in Turin?
Es ist schon die
vierte. Ich gab meinen Einstand 1998 in Elista. Dort wurden wir Sechster.
2000 in Istanbul holten wir immerhin Silber. Das war der bislang größte
Erfolg. 2002 in Bled lief es nicht so toll. Diesmal zu meinem vierten Start
soll es wieder besser werden.
Ihr seid an Nr. 14
gesetzt, habt euch aber sicher mehr vorgenommen.
Wir sind eine gute und
solide Mannschaft, Bei der Setzliste darf man nicht vergessen, dass sie dafür
die ersten vier Spieler genommen haben. Wir haben sechs sehr gute Leute,
können rotieren, das ist unsere Stärke. Wir besitzen viel Erfahrung, und die
werfen wir in die Waagschale.
Alexander Graf ist
mit 3 aus 4 bislang der Top Scorer. Bitte ein Wort zu ihm.
Wenn Alexander gute Form
hat, dann ist er ein absoluter Weltklassespieler. Schade nur, dass er
manchmal eine kleine Krise durchmacht. Ist er aber in Spiellaune, gehört er
zu den Besten. An den hinteren Brettern holen wir in der Regel die Punkte.
Es versteht sich,
dass es Arkadij Naiditsch vorn am ersten Brett gegen die Riesen schwerer hat.
Ja, aber ich denke, er
schlägt sich hier - siehe heute - sehr achtbar und kann wertvolle Erfahrungen
sammeln.
Du bist amtierender
deutscher Meister. Hat dich das selbst überrascht, im Februar erneut gewonnen
zu haben?
Ich wollte dort
gewinnen. Wer mich kennt weiß, dass ich ein optimistischer Typ bin. Und ein
guter Turnierspieler. Ich kann mich auch in den letzten Runden noch
motivieren. Das ist sehr wichtig. Auch wenn manche Leute mich vielleicht gern
abschreiben wollten, so belehrte ich sie mit meinem dritten Titelgewinn doch
eines Besseren.
Was wird am Ende für
euer Team in Turin herausspringen?
Wir kämpfen in jeder
Runde und streben einen einstelligen Platz an. Wenn alles gut geht, dann
können wir vielleicht Sechster werden.
Wie findest du die
Organisation in Turin?
Verglichen mit anderen
Schacholympiaden gefällt es mir gut hier. Der Turniersaal ist schön groß, wir
haben immer frische Luft. Das ist beim Schach sehr wichtig, weil man einen
klaren Kopf braucht. Das Essen ist ganz passabel, und es gibt kurze Wege. Vom
olympischen Dorf laufen wir einfach nur über eine Brücke und sind schon im
Oval Lingotto.
Wo spielst du nächste
Saison in der Schach-Bundesliga?
Ich habe beim SC
Kreuzberg angeheuert. In Berlin und speziell in diesem Stadtbezirk habe ich
viele Freunde. Auch wenn wir Levon Aronian aus Termingründen nicht in jeder
Runde ans Spitzenbrett bekommen, werden wir sicher einen guten Mittelplatz
belegen können.