Schacholympiade: Die Halbzeitbilanz

von André Schulz
17.09.2024 – Halbzeit bei der Schacholympiade. Gestern Abend wurde zur berühmten Bermuda Party eingeladen. Heute können sich die Spieler erholen und neue Kräfte sammeln. Zeit für eine kleine Halbzeitbilanz. | Fotos: Michal Walusza, Maria Emelianova, Mark Livshitz

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Sechs Wettkämpfe, sechs Siege, das ist die makellose Bilanz der indischen Mannschaft bei der Schacholympiade in Budapest. Als Team mit dem zweithöchstem Eloschnitt, hinter den USA,  war Indien sicher alles als ein Geheimfavorit. Dennoch ist es beeindruckend, mit welcher Ruhe und Konstanz die zumeist jungen indischen Spieler ihrer Aufgaben erledigen. Und trotz aller Erfolge bescheiden bleiben und sich nicht nach einem Sieg für die Größten erklären. Und auch dieses starke und geschlossene Team hat noch einen Überflieger in ihren Reihen. Das ist Arjun Erigaisi, der alle seine sechs Partien gewonnen hat. Er hatte keine Spieler der Weltklasse als Gegner - bisher - aber gestandene Großmeister jenseits der 2600. Mit über 3300 ist Erigaisis Eloleistung wirklich Extraklasse.



Arjun Erigaisi

Die vier anderen Inder stehen dem aber kaum nach. WM-Herausforderer Gukesh hat mit 4,5 aus 5 an Brett eins eine Eloleistung van knapp unter 3000 erspielt. Hariskrishna kommt mit 2 aus 2 auf knapp über 3000.  Vidit wird an Brett vier mit 4,5 aus 5 mit einer Performance von 2788 geführt und Praggnanandhaa ist in dieser Riege mit seinen 3,5 aus 5 und 2742 Eloperformance tatsächlich der "schwächste".

Indien ist das einzige Team, das noch ohne Punktverlust ist und wer jetzt meint, die Inder steuern auf die Goldmedaille zu, lehnt sich bei dieser Einschätzung nicht besonders weit aus dem Fenster. Wer will die Inder noch stoppen?

Elofavorit des Turniers ist eigentlich das US-Team. Nach sechs Runden haben die US-Großmeister aber schon drei Punkte Rückstand auf Spitzenreiter Indien. Die ersten drei Runden brachten drei Pflichtsiege, aber dann gab es in Runde vier eine Niederlage gegen die Ukraine. Wesley So stand an Brett eins gegen Vassyl Ivanchuk überlegen, auf Gewinn, verdarb die Partie aber. In Runde sechs musste das US-Team dann aber auch noch ein Remis Rumänien einstecken und fiel auf Rang 15 zurück. Fabiano Caruana und Levon Aronian (beide 4,5 aus 5) zeigen gute Leistungen, aber die anderen drei Spieler haben alle schon eine Partie verloren und liegen hinter der Erwartung zurück.

Carlsen schaut bei seinen Kollegen

Auch Norwegen mit dem weltbesten Schachspieler an Brett eins, Magnus Carlsen, hat neun Punkte gesammelt und muss noch kämpfen, wenn es aufs Podium möchte.

Hinter Indien belegen Vietnam, China und Iran mit einem Punkt weniger die Plätze. Zählt man Usbekistan als bestes Team mit zehn Punkten noch dazu, belegen fünf Mannschaften aus Asien die ersten Plätze. Das Leistungszentrum des Schachs hat sich ganz offensichtlich nach Asien verschoben. 

Yu und Wei

Wei Yi und Yu Yangyi sind die Stützen der chinesischen Mannschaft. Weltmeister Ding Liren, hat noch keine Partie gewonnen, aber gegen Le Quang Liem verloren. Seine Perfomance liegt bei wenig über 2600. In der Weltrangliste belegt der Schachweltmeister Rang 22, das gab es noch nie. Wer im kommenden WM-Kampf gegen Gukesh der Favorit ist, dürfte jedem Schachfreund klar sein.

Le Quang Liem hingegen, Vietnams Nummer eins, ist auf Rang 12 der tagesaktuellen Eloliste geklettert. Aber auch seine Nebenleute Nguyen Ngoc Truong Son und Le Tuan Minh sind bärenstark unterwegs. Vietnam ist Medaillenkandidat. Iran hat mit dem früheren Juniorenweltmeister Parham Maghsoodloo seinen herausragenden Spieler und bei Titelverteidiger Usbekistan sind Nodirbek Abdusattorov und Shamsiddin Vokhidov.

Usbekistan mit Kapitän Kramnik

Die besten europäischen Mannschaften kommen auf 10 Punkte - Frankreich, die Ukraine, Armenien. Auch Gastgeber Ungarn ist mit zehn Punkten noch im Rennen um die Medaillen.

Das beste deutschsprachige Team ist Österreich, mit 9 Punkten auf Platz 20, elf Plätze besser als die Setzliste es erwarten ließ. Valentin Dragnev ragt an Brett eins mit 4 aus 6 heraus.

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Die deutsche Mannschaft hat eine der besten Zweitwertungen der Teams mit 8 Punkten und belegt als Siebte der Startliste nur Platz 23. Das ist sicher nicht das letzte Wort, aber der Zwischenstand ist schon ernüchternd.

Die ersten beiden Matches waren OK, dann gab es schon die erste Niederlage gegen Litauen. Zwei der litauischen Nationalspieler spielen in der Schachbundesliga für Aufsteiger Bad Mergentheim und wollen helfen die Klasse zu halten. Ins Match gegen Litauen gingen die Deutschen mit einem Eloplus von 150 bis 200 Punkten an allen Brettern, aber die litauischen Großmeister sind sicher unterbewertet. In Runde sechs gewannen sie auch noch gegen Aserbaidschan und sind mit zehn Punkten derzeit 13te in der Tabelle.

Im Fußball heißt es bei solchen Niederlagen "Mund abwischen und weitermachen". Das hat bei der deutschen Mannschaft nicht geklappt, denn in Runde fünf gab es gegen Montenegro eine weitere Niederlage. Auch Montenegro ist ein gefährliches Team und hatte zuvor in Runde drei schon Frankreich geschlagen.

Vincent Keymer, rechts

Die schlechten Ergebnisse haben auch viel mit der Formschwäche von Vincent Keymer hier in Budapest zu tun. Beim Turnier in Polanica Zdroj spielte er noch überragend, bis auf den Schluss. Hier hat Keymer an Brett eins bei vier Partien schon zwei Niederlagen hinnehmen müssen. Frederik Svane ist der beste deutsche Spieler mit 4,5 Punkten aus 5 Partien. Matthias Blübaum zeigt eine solide Leistung, aber die anderen drei liegen mit ihren Ergebnissen gegen nominell schwächere Gegner deutlich über Par.

Die deutschen Spieler

Br. Name Elo Land 1 2 3 4 5 6 Pkt. Anz EloDS Rp rtg+/-
1 GM Keymer, Vincent 2730 GER 0 1 0 1 2 4 2484 2484 -11,9
2 GM Kollars, Dmitrij 2659 GER ½ 0 1 ½ 1 3 5 2454 2526 -7,9
3 GM Bluebaum, Matthias 2640 GER 1 1 ½ ½ 1 4 5 2396 2636 1,9
4 GM Donchenko, Alexander 2638 GER 1 1 0 ½ 1 3,5 5 2355 2504 -4,9
5 GM Svane, Frederik 2640 GER 1 1 1 1 ½ 4,5 5 2387 2753 6,8

Punktgleich mit Deutschland, nur einen Platz schlechter ist die Schweiz platziert. Als 38ter der Startliste werden sie mit ihrem Platz 24 nicht unzufrieden sein.

Stand nach sechs Runden

Rg. Team  Wtg1 
1 India 12
2 Vietnam 11
3 China 11
4 Iran 11
5 Uzbekistan 10
6 France 10
7 Ukraine 10
8 Armenia 10
9 Hungary 10
10 England 10
11 Georgia 10
12 Serbia 10
13 Lithuania 10
14 Netherlands 10
15 United States of America 9
16 Poland 9
17 Norway 9
18 Romania 9
19 Greece 9
20 Austria 9
21 Spain 8
22 Azerbaijan 8
23 Germany 8
24 Switzerland 8
25 North Macedonia 8

187 Teams

Frauenolympiade

Ein Doppelsieg der beiden indischen Teams bei der Schacholympiade ist durchaus im Bereich des Möglichen, denn auch in der Frauenolympiade liegt Indien vorne, ebenfalls noch mit der maximalen Punktzahl. Mit Kasachstan und Armenien konnten die Inderinnen zwei Starke Teams besiegen, aber die Duellen mit den echten Konkurrenten um Gold stehen noch aus - China, Georgien und auch Polen werden die Prüfsteine sein.

Harika Dronavalli tut sich am Spitzenbrett schwer und hat schon zwei Partien verloren, aber Vaishali und vor allem Divya Deshmuk spielen überragend und sorgen für die Siege.

Divya Deshmuk

Georgien und Polen folgen mit einem Punkt weniger. Die USA ist das beste Team nach Feinwertung in der Gruppe der Teams mit zehn Punkten. Zu dieser Gruppe gehört auch die deutsche Auswahl.

Sie hat mit Elisabeth Pähtz ihre beste Spielerin. Die ewige deutsche Nummer Eins spielt hier gerne an Brett zwei und hat 4,5 Punkte aus fünf Partien geholt und dabei eine sensationelle Performance von über 2600 erzielt.

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Elisabeth Pähtz

Dinara Wagner ist an Brett eins ebenfalls ohne Niederlage, hat aber auch erst eine Partie gewonnen. Josefine Heinemann ist mit ihren 4 aus 5 klar im Plaus. Hanna Marie Klek und Lara Schulze musste beide schon einmal eine Niederlage quittieren und liegen etwas unter ihre Eloerwartungen.

Das deutsche Team hat noch kein Match verloren, zweimal aber einen Punkt abgeben. Mit 10 Punkten als Elfte ist noch einiges möglich.

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Die deutschen Spielerinnen

7

Br. Name Elo Land 1 2 3 4 5 6 Pkt. Anz EloDS Rp K rtg+/-
1 IM Wagner, Dinara 2452 GER 1 ½ ½ ½ ½ 3 5 2274 2346 10 -4,9
2 GM Paehtz, Elisabeth 2455 GER 1 ½ 1 1 1 4,5 5 2238 2604 10 6,4
3 WGM Heinemann, Josefine 2316 GER 1 ½ ½ 1 1 4 5 2083 2323 20 4,2
4 WGM Klek, Hanna Marie 2296 GER 1 ½ 1 0 1 3,5 5 2097 2246 20 -2,2
5 FM Schulze, Lara 2283 GER 1 1 0 1 3 4 1986 2179 20 -5,6

Nach dem Ruhetag am Dienstag geht es am Mittwoch mit der 7. Runde weiter. Die deutschen Männer spielen gegen Schweden, die Frauen gegen die Mongolei. Vielleicht läuft die zweite Hälfte des Turniers ja besonders für die deutsche Männer besser.

Stand Frauenolympiade

Rg. Team  Wtg1 
1 India 12
2 Georgia 11
3 Poland 11
4 United States of America 10
5 Armenia 10
6 Kazakhstan 10
7 Mongolia 10
8 Spain 10
9 France 10
10 Azerbaijan 10
11 Germany 10
12 Ukraine 10
13 Hungary 9
14 Bulgaria 9
15 Peru 9
16 Uzbekistan 9
17 Greece 9
18 Austria 9
19 Netherlands 9
20 Australia 9
21 Canada 9
22 China 8
23 Vietnam 8
24 Switzerland 8
25 Iran 8

169 Teams

Offizielle Turnierseite...

Ergebnisse und Tabelle bei Chess-Results: Offenes Turnier | Frauenturnier


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.
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