Schachweltmeisterschaft: Remis in Russischer Verteidigung

von André Schulz
30.11.2021 – In seiner zweiten Weißpartie eröffnete Magnus Carlsen mit 1.e4. Ian Nepomniachtchi antwortete mit der Russischen Verteidigung. Nach frühem Damentausch entstand eine gehaltreiche Stellung mit einem Freibauern auf beiden Seiten. Nach langer Prüfung der Stellung entschloss sich Carlsen schließlich dazu Remis durch Dauerschach zu forcieren. | Fotos: Eric Rosen/ FIDE

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Drei Partien waren bei der Schachweltmeisterschaft zwischen Magnus Carlsen und Ian Nepomniachtchi in Dubai gespielt und schon brandete eine Diskussion auf, weil alle drei Partien remis endeten. Die ersten Zuschauer zeigten sich enttäuscht.

Drei Remispartien in Folge sind nun bestimmt keine lange Remisserie, aber einige Journalisten zählten auch noch die 12 Remispartien aus dem WM-Kampf gegen Caruana dazu und da sind wir schon bei 15 Remis. Und richtig: Die letzten beiden Partien des WM-Kampfes gegen Sergey Karjakin 2016 in New York endeten ja auch remis. 17 Weltmeisterschaftsremisen in Folge, also. Was ist da los, Magnus Carlsen?

Ein anderes Thema war das Doping. Als die FIDE seinerzeit Dopingproben bei offiziellen Titelturnieren und -wettkämpfen einführte, gab es eine breite Diskussion darüber, ob (medizinisches) Doping im Schach überhaupt möglich ist. Das spielte aber gar keine Rolle, denn Schach wollte weltweit als Sport anerkannt werden und im Sport gibt es überall Dopingproben, gleichgültig ob Doping hilft oder nicht. Das für das Schach viel relevantere Problem des Computerdopings kann im Urin leider nicht festgestellt werden, spielt hier bei der WM aber auch überhaupt keine Rolle.

Nach der dritten Partie wurde aber ein unangemeldeter Dopingtest durchgeführt. Carlsen sah sich dadurch etwas in seinem Entspannungsplan gestört, denn er hatte sich für den Abend nach der WM-Partie schon einen festen Plan zurechtgelegt, welche Fußballspiele er sich anschauen wollte.

Ian Nepomniachtchi ist mit der Dopingproblematik noch auf andere Weise konfrontiert. Der Russische Sportverband wurde 2019 wegen systematischen Dopings in einigen Körpersportarten und Verschleierungsvergehen bei Dopingtests von der WADA für Olympische Spiele, Weltmeisterschaften und andere hochrangige internationale Wettkämpfe für vier Jahre gesperrt. Da Schach Sport ist, ist auch der Russische Schachverband gesperrt. Die russischen Schachspieler dürfen tatsächlich nicht unter ihrer Landesflagge spielen und der Schachverband tritt nur dezent unter dem Kürzel RCF auf. Immerhin dürfen russische Sportler, die nicht unter Dopingverdacht stehen, an solchen offiziellen Titelwettkämpfen teilnehmen. Der russische Schachgroßmeister Ian Nepomniachtchi darf zweifelsfrei als ungedopt gelten.

Da ist schon eher die große Nähe des Titelverteidigers zu den Ballsportarten verdächtig. Vor der ersten Partie veröffentlichte der Weltmeister auf den sozialen Medien ein Bild, das ihn beim Basketball zeigt. Am Ruhetag spielte er Fußball.

Foto: Magnus Carlsen

Aber offensichtlich alleine. Magnus Carlsens Helfer sind sicher nicht in Dubai. Beim WM-Kampf gegen Caruana befanden sich seine Sekundanten in Thailand. Das passte vom Zeitunterschied sehr gut. Wenn Carlsen in London seine Partie beendet hatte, brach nur wenig später in Thailand der Tag an und die Sekundanten konnten ihre Arbeit beginnen.

Die ersten drei Partien zeigten Magnus Carlsen in Bezug auf die Eröffnungen im Vorteil. In der der ersten Partie erlangte der Weltmeister mit Schwarz in einer Abart des Spanischen Marshall-Gambits Vorteil. In Partie zwei überraschte er Nepomniachtchi mit der Katalanischen Eröffnung. Die Eröffnung lief gut, doch dann übersah Carlsen ein Manöver, geriet unter Druck und musste sich strecken. In der dritten Partie hatte er in einer ruhigen Spanischen Variante keine Probleme, um das Gleichgewicht zu halten. Drei Remis also, die aber alle auf ganz andere Weise zustande kamen.

Nach dem Ruhetag am Montag ging es heute mit der 4. Partie weiter, wobei der 30. November für Carlsen ein besonderer Tag ist. Am 30. November 1990 wurde er geboren, feierte heute also seinen 31. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

Glückwunsch!

Eröffnung der Partie

Obwohl er mit der Eröffnung aus der 2. Partie nicht unzufrieden sein musste, wählte Carlsen in seiner zweiten Weißpartie heute 1.e4 als Eröffnungszug. Nepomniachti antwortete mit keiner seiner Hauptwaffen gegen 1.e4, der Französischen Verteidigung oder der Najdorf-Variante, sondern mit 1...e5 und wählte nach 2.Sf3 mit 2...Sf6 die Russische Verteidigung. Diese stand zwischen den beiden Spielern noch nie in einer Partie zur Debatte und überhaupt hat Carlsen gegen die Russische Verteidigung in jüngerer Zeit nicht so viele Turnierpartien gespielt. Beim WM-Kampf gegen Caruana hatte der damalige Herausforderer einmal die Russische Verteidigung gewählt. Carlsen holte dort aus der Eröffnung nichts heraus.

Diesmal folgte Carlsen einer der Hauptvarianten. Noch in der Eröffnung wurden die Damen getauscht und es entstand recht forciert eine gehaltvolle Stellung, in der Nepomniachtchi mit Schwarz einen gedeckten Freibauern auf der a-Linie besaß und Carlsen sich einen Freibauern auf der d-Linie verschaffte. Beide Spieler setzten ihre Trümpfe dann auch bald in Bewegung. 

Carlsen stand mit seinen Figuren etwas aktiver und investierte im 30. Zug eine Menge Zeit auf der Suche nach einer vorteilhaften Fortsetzung, entschied sich dann aber doch, ein Remis durch Stellungswiederholung zu forcieren.

Am Nebentisch gab es noch einen kleinen B-Wettkampf der Würdenträger

In einem Nebenraum improvisierte Carlsens Familie noch eine kleine Geburtstagsfeier, inklusive Kuchen.

 

 

Die Videoanalysen von Georgios Souleidis...

... und Harald Schneider Zinner, zusammen mit Thomas Luther

 

Hier ist Karsten Müllers Analyse der Geburtstagspartie:

 

Stand

 

Partien

 

Turnierseite der FIDE


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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Pemoe6 Pemoe6 01.12.2021 08:21
Die 5. Runde ist auch gerade remis geworden. Karsten Müller hat in dem entsprechenden Beitrag analysiert und ein paar Stolperstellen für Carlsen gefunden, mit denen er hätte in Nachteil kommen können. Der aber hat sie durch starkes und genaues Spiel umschifft.
Jetzt frage ich noch einmal: Wäre die Partie denn besser gewesen, wenn Magnus gepatzt und verloren hätte? Wollen wir schwaches Schach sehen? Das ist doch Irrsinn. Warum stört denn das Remis?
Die beiden Teams sind so stark (die Teams, nicht die Spieler alleine), das eine Rate entschiedener Partien von mehr als zwei aus vierzehn doch utopisch ist - das wissen wir doch alle vorneweg schon.
Naseweis Naseweis 01.12.2021 01:06
Die ständigen Remisen bei WM-Kämpfen usw. sind echt ein Ärgernis. Es wird Zeit, daß gewisse Regeln verändert werden. Denn die jetzigen Bedingungen begünstigen, daß der ,,Verlierer" stets seinen Kopf aus der Schlinge zieht. Das Verlieren wird quasi vereitelt.
Rabiates böte sich:
Es gibt nur noch dann ein Remis, wenn es zu einem Ewigen Schach kommt oder wenn nur noch 2 Könige auf dem Brett stehen.
Ansonsten gewinnt stets der Spieler, der (auch bei Zugwiederholung) mehr Material besitzt.
Das Patt als sicherer Remishafen wird abgeschafft. Patt ist gleich Schachmatt !!! Ausnahme vielleicht Endspiel König & Bauer gg König. Dann kann auch niemand mehr sich im Endspiel Turm alleine gegen Turm & Läufer/Springer sich mit Turmopfer & Patt ins Remis retten.
Einigen sich die Spieler auf Remis, so hat stets der Spieler mit mehr Material auf dem Brett gewonnen. Magnus Carlsen hätte somit die 2. WM-Partie gewonnen.
Das sind natürlich nur Ideen. Man kann ja erstmal klein anfangen, wie sich das dann entwickelt.
Kommt es zu einem Remis, egal ob durch Zugwiederholung oder Vereinbarung, dann hat eben der Spieler gesiegt, welcher mehr Material besitzt. So hätte Magnus Carlsen die 2. Partie gewonnen.
Aber es besteht dringender Handlungsbedarf !
Pemoe6 Pemoe6 01.12.2021 12:31
Ich weiß auch nicht, was das Ganze soll. Was hat denn der Spannungsgehalt einer Partie mit dem Ergebnis zu tun?
"Die Drohung ist stärker als die Ausführung", deshalb bleiben mindestens 95% der taktischen Schläge und Brillianzen eben im Verborgenen. (Man kann sie sich selbst mit der Engine erarbeiten oder auf die Kommentatoren hören.) Sie kommen eben nur zum Vorschein, wenn es einen krassen Fehler oder viele kleine gibt. Somit wäre die Forderung nach "Spannung" im Sinne von @Naseweis also das drastische Steigern der Fehlerrate ... Ich glaube nicht, dass die seit Monaten mit Super-Clustern arbeitenden Teams einverstanden sind.
Etwas anderes ist es, wenn eine wohl- und altbekannte Eröffnungsvariante, die bis ins Turmendspiel reicht, runtergeblitzt wird und dann eine Zugwiederholung kommt. Aber das passiert bei WM sicherlich nicht.
Riddler Riddler 30.11.2021 06:10
*dynamisches sollte das heißen
Riddler Riddler 30.11.2021 06:09
Es vereinbart doch niemand Remis oder wiederholt die Züge, wenn er weiß, dass er dadurch verliert weil er weniger Material hat. Diese Regel würde zu noch langweiligerem Spiel führen, da niemand mehr einen Bauern für Initiative oder synamisches Gleichgewicht opfern würde, ohne sich in eine must-win Situation zu begeben.
Mich erstaunt, dass so viele hier sich bereits nach 4 Partien über "so viel Remis" beschweren. Einfach ein Blick in die Geschichte der Schachweltmeisterschaften genügt, um zu sehen, dass das mehr oder minder immer schon so war. Es geht hier immerhin um den Weltmeistertitel, da fliegen halt keine Türme und Damen durch die Gegend. Es ist immer noch Schach und Remis ist bei beinahe-gleichstarken Spielern nun mal der wahrscheinlichste Ausgang.
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