Schachwoche Berlin-Tomsk

von ChessBase
31.05.2007 – Etwas im Schatten des DFB-Pokalfinales zwischen Stuttgart und Nürnberg (Fußball) stand über Pfingsten in Berlin ein anderes Sportereignis. Im Russischen Haus kam es zu einem Jugendvergleichswettkampf zwischen einer Auswahl aus Tomsk und einer Berliner Auswahlmannschaft. Obwohl die Sibirer mit Ilja Schkurikin einen FIDE-Meister ans Brett brachten und den Berlinern die Spitzenkräfte wegen der gleichzeitig beginnen Deutschen Jugendmeisterschaft fehlten, schafften die Deutschen zum Auftakt ein 5:5. Der Rückkampf ging dann aber deutlich zugunsten von Tomsk aus. Finanziert wurde der Jugendvergleichskampf vom deutschstämmigen Gouverneur der Region Tomsk Viktor Kress. Das Internationale Schnellschachopen gewann Igor Glek (Foto) mit viel Glück. Dagobert Kohlmeyer berichtet.Nachrichten aus Tomsk...Mehr...

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Schachwoche Berlin – Tomsk
Von Dagobert Kohlmeyer

Schachfreunde kamen zu Pfingsten in der Hauptstadt durchaus auf ihre Kosten. Sie mussten nur zum Russischen Haus in der Friedrichstraße pilgern, wo sie im Rahmen der „Schachwoche Berlin – Tomsk“ zwei hochkarätige Veranstaltungen erleben bzw. selbst die Figuren setzen konnten.

Den Auftakt bildete ein Jugendvergleichskampf an zehn Brettern zwischen beiden Städten. Die jungen Sibirier waren mit einem starken Kontingent angereist, am Spritzenbrett saß mit Ilja Schkurikin ein FIDE-Meister. Die Berliner Jugendlichen waren in ihrer Aufstellung etwas gehandicapt, weil ihre besten Leute um Attila Figura gerade zu den deutschen Meisterschaften unterwegs sind. Dennoch gab es am ersten Spieltag ein aus Berliner Sicht nicht erwartetes 5:5-Unentschieden. Das lag sicher auch daran, dass den Tomskern die lange Reise von Sibirien über Moskau noch in den Knochen steckte.

Während sich nebenan am Potsdamer Platz unzählige Fußballfans aus Stuttgart und Nürnberg im Sony Center friedlich auf das Pokalfinale einstimmten und schon vor dem Anstoß die erste Party feierten (siehe Fotos),


Nürnberger Fans


Stuttgarter Fans

... herrschte im Russischen Haus tiefe Stille bei den Zügen.

Zuschauer verirrten sich leider nicht sehr viele dorthin, auch Vertreter des Berliner Schachverbandes ließen sich kaum blicken, wie die Veranstalter mit Verdruss konstatierten. Am zweiten Tag gewannen die favorisierten Gäste locker 8:2 und siegten damit im Endergebnis standesgemäß mit 13:7 Punkten.


Laßan-Schkurikin


Nikolajewa-Koch


Schirrmacher-Zdojna

Schach wird in der Region Tomsk großgeschrieben. Das riesige Gebiet gehört zur Russischen Föderation und liegt im Süden von Westsibirien. Es erstreckt sich vom Altai-Gebirge bis zur nördlichen Taiga. Damit nimmt es eine Fläche ein, die etwa so groß wie Polen ist. Der Region geht es wirtschaftlich gut, wofür riesige Vorkommen an Eröl und Gas sorgen. Tomsk hat etwa eine halbe Million Einwohner und sechs Universitäten.

Der Gouverneur Viktor Kress, ein Mann mit deutschen Vorfahren, hat sehr viel für Schach übrig. Er sorgte nicht nur für die finanzielle Grundlage der Reisekosten seiner jungen Landsleute, sondern stiftete auch den Preisfonds für das Jugendturnier in Höhe von 600 Euro.

Für das internationale Open am Pfingstmontag im Russischen Haus schüttete Kress gar 2 130 Euro aus. 500 Euro gab es für den Sieger, 350 für den Zweiten, dann 250, 200, 150, 100 usw. Das lockte fast 100 Spieler nicht nur aus Berlin an, auch bekannte Großmeister wie Igor Glek kamen an die Spree.

Der Tomsker Schachklub macht seit Jahren auch international von sich reden. Gerade hat das Team mit den Großmeistern Alexander Morosewitsch, Dmitri Jakowenko, Vladislav Tkatchiev, Sergej Karjakin und Viorel Bologan zum dritten Mal die russische Team-Meisterschaft gewonnen.

Klubdirektor Boris Schaidullin berichtete uns, dass es in seinem Verein 150 Mitglieder gibt.

Der 60-Jährige nutzte am Rande der Schachwoche jede freie Minute zu Blitzpartien mit den Berliner Gastgebern.

Organisiert wurde die ganze Veranstaltung von Juri Zarubin, dem Vorsitzenden des SC Präsident in Berlin.

Dieser Verein ist im Russischen Haus beheimatet und hat vor allem im Betriebsschach stolze Erfolge aufzuweisen. Man wurde 2006 schon deutscher Meister und in diesem Jahr Dritter der Berliner Meisterschaft. Professor Wilmar Lukas bildete mit Juri Zarubin eine gute Doppelspitze, die für einen reibungslosen Ablauf der Veranstaltung sorgte. Wenn es nach den beiden Schachenthusiasten geht, könnten solche deutsch-russische Schachwochen zur Tradition werden.

Igor Glek gewinnt das Open


Igor Glek

Im internationalen Schnellschach Open am Pfingstmontag waren Igor Glek (SF Katernberg) und Robert Rabiega (SK König Tegel) die beiden ELO-Favoriten.


Robert Rabiega

Sie machten dann den Turniersieg wie erwartet unter sich aus, und auch Rabiegas Klubkameraden, die Brüder Mladen und Drazen Muse, wussten sich erfolgreich in Szene zu setzen.


Reichenbach-Meister


Schkunikin-D.Muse

Gespielt wurden 15-Minuten-Partien bis zum Blättchenfall. Nach fünf Runden führten Robert Rabiega und Wladimir Schilow (SK Präsident) mit je 5 Punkten die Tabelle an. In Runde 7 trafen Rabiega und Glek aufeinander. Mit den weißen Steinen drückte der Berliner Großmeister auf die Stellung seines Gegners, der Springer schien übermächtig, Robert hatte auch mehr Zeit auf der Uhr. Aber Igor Glek verteidigte sich geschickt mit Läufer und Turm, und er klopfte im Eifer des Gefechts so kräftig auf die kleine Schachuhr, bis deren Glas auf Roberts Seite heraussprang. Beim nächsten „Schlag“ folgte auch Rabiegas Blättchen, obwohl die Zeit des Berliners noch gar nicht abgelaufen war. Nach diesem ungewollten „Unfall“ gab der herbeigeeilte Schiedsrichter Bernhard Riess, der ausgezeichnet amtierte (in Minutenschnelle waren die Paarungen fertig und per Beamer an die Wand geworfen), das Spiel remis.


Rabiega-Glek

Glück für Glek! Der Tegeler haderte etwas mit seinem Schicksal. In der achten Runde kam es noch schlimmer für Robert Rabiega. Er unterlag Schach-Redakteur Dirk Poldauf und büßte damit seine Chancen auf den Gesamtsieg ein.


Poldauf-Rabiega

Der Zieleinlauf bildete indes keine Überraschung. Igor Glek blieb als einziger Teilnehmer ungeschlagen und gewann mit 7,5 Punkten aus neun Partien vor Robert Rabiega, den Muse-Brüdern, Jakow Meister und Ilja Schkurikin aus Tomsk (alle 7,0).


Ilya Schkurikin

Der 20-jährige Student und FIDE-Meister aus Sibirien hatte beim Jugendvergleich seine beiden Partien gewonnen. Im Open platzierte Ilja sich vor vielen nominell stärkeren Spielern. Er könnte sich vorstellen, auch einige Zeit in Deutschland zu leben, hier seine Ausbildung fortzusetzen und natürlich Schach zu spielen. Auch andere Teilnehmer des Jugend-Wettkampfes wie die Studentinnen Alexandra Nikolajewa und Anna Korotkaja spielten im Open mit.


Alexandra Nikolajewa


Anna Korotkaja


Casny - Korotkaya

Die 17-jährige Alexandra wurde mit 4,0 Punkten Zweite in der Frauenwertung hinter Ljubow Kopylowa (5,0).

Bester Senior wurde erwartungsgemäß Werner Reichenbach (SK Zehlendorf) mit 6,0 Punkten. Der Jugendpreis ging an Carsten Schirrmacher (Zitadelle Spandau), der 5,5 Punkte erzielte. Mitorganisator Wilmar Lukas (72) gewann mit 5,0 Punkten den Ratingpreis bis 2000 vor dem erst 11-jährigen Vitali Kowaljow aus Tomsk (4,5).


Vitali Kowalow

Der Kleine hatte beim Jugend-Vergleichskampf gegen den Berliner André Kunz zweimal remis gespielt. Sibiriens Schachnachwuchs klopft kräftig an die Tür.

Die Turnierleitung lag wie bereits lobend erwähnt, in den bewährten Händen von Bernhard Riess. Er ist in der Berliner Szene vor allem als Spielleiter und Webmaster im Betriebsschach bekannt. Wir schließen uns der Meinung von Juri Zarubin und seinem Team an, dass solche Schach-Events im Russischen Haus in der Berliner Friedrichsstraße keine Eintagsfliegen bleiben sollten, sondern Tradition werden.


Juri Zarubin mit dem Pokal des Deutschen Meisters

 

 

 

 

 

 

 

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