Schüler gewinnt polnische Meisterschaft

von ChessBase
29.05.2005 – Ende April-Anfang Mai fand in Poznan die 62. Polnische Einzelmeisterschaft statt. Außer Michal Krasenkow waren alle polnischen Spitzenspieler am Start. Das besondere Augenmerk galt dem polnischen Supertalent Radosław Wojtaszek, der im letzten Jahr sowohl Jugendwelt- als auch Jugendeuropameister in der Kategorie U18 wurde und Bronze bei der WM U20 holte. beim Schnellschachturnier im Dezember in Warschau schaltete er Nigel Short aus und wurde Dritter. Auch bei der Meisterschaft konnte er nun überzeugen. Der 18-jährige Schüler, der im nächsten Jahr Abitur macht, gewann sie. Thomas Lemanczyk berichtet und führte eine Interview mit dem Nachwuchsstar. Bericht, Partien, Interview...

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Die 62. Herren-Einzel-Meisterschaft Polens 2005
Poznań (Posen), 21. 04. – 04. 05.2005
Von Thomas Lemanczyk

   Ende April bis Anfang Mai fand in Poznań die 62. polnische Schacheinzelmeisterschaft der Herren statt. Als Spiellokal diente der Konferenzsaal des Hotels POLONEZ.

   14 Teilnehmer spielten nach Rundensystem (Spieltempo war 90 Min./40 Züge, 15 Min./Rest + 30 Sekunden Zuschlag pro Zug). Es beteiligten sich 7 Großmeister, 5 Internationale Meister und 2 Fide-Meister. Der Elo-Durchschnitt betrug 2526, 4 und entsprach der Kategorie XII der Fide. Die GM-Norm lag bei 8, die IM-Norm bei 5,5 Punkten. Als Hauptschiedsrichter fungierte Janusz Woda, der zugleich Präsident des Polnischen Schachverbandes ist.


Janusz Woda (rechts)

  Wie es seit einigen Jahren bei den Landesmeisterschaften Polens immer wieder vorkam, lag das Durchschnittsalter der Teilnehmer ziemlich niedrig, diesmal bei 25 Jahren. Der jüngste Teilnehmer, FM Tomasz Warakomski ist erst 16 Jahre alt. IM Klaudiusz Urban war mit seinen 37 Jahren Turniersenior.

   Bis auf Michał Krasenkow nahm die gesamte Spitze der polnischen Spieler teil. Als Favoriten galten die Großmeister Robert Kempiński (2627), Bartłomiej Macieja (2613) sowie Kamil Mitoń (2592) und Bartosz Soćko (2583). Besonders gespannt war man aber auf das Abschneiden des großen, erst 18-jährigen, Talents Radosław Wojtaszek (2569). Wojtaszek machte im letzten Jahr von sich reden als er sowohl Jugendwelt- als auch Jugendeuropameister in der Kategorie U18 wurde und Bronze bei der WM U20 holte. Er gewann die polnische Jugendmeisterschaft U20 2004 und 2005. Beim Warschauer Schnellschachturnier im Dezember 2004 wurde er Dritter und schaltete Nigel Short in der Vorrunde aus.


Tomasz Markowski

   Tatsächlich bewies Wojtaszek auch in Poznań, daß sein Höhenflug noch lange nicht abgeschlossen ist: von der ersten Runde an in Führung liegend, sicherte er sich ungeschlagen mit einem überlegenen Endspurt seinen ersten Titelgewinn bei den Senioren. In der 10. und 11. Runde gelang es zwar den Großmeistern Kempiński und Mitoń zu dem früh davon Geeilten aufzuschließen, doch gewann Wojtaszek seine beiden letzten Partien, darunter in der letzten Runde gegen Mitoń, während Kempiński (der ebenfalls ungeschlagen blieb) zuletzt zwei Mal remisierte.


Kamil Miton

   Vizemeister wurde schließlich sehr verdient Bartosz Soćko, der mit Siegen in den Runden 11 bis 13 gleichfalls einen beeindruckenden Endspurt darbot. Kempiński mußte sich mit dem dritten Platz begnügen.


Socko-Wojtaszek


Wojtaszek-Kempinski

   Nicht zufrieden mit seiner Plazierung (7. Platz mit 7 Punkten) dürfte der Warschauer Großmeister und Europameister von 2002 Bartłomiej Macieja sein, der in diesem Jahr noch auf einen großen Erfolg wartet.


Wojtaszek-Macieja

 

Endstand:



Die Partien zum Nachspielen...
 


Thomas Lemanczyk führte für ChessBase nach dem Turnier ein Interview mit dem Sieger:


Wojtaszek (links), Macieja

Frage: Wie fühlt man sich als frischgebackener Polnischer Meister?

Wojtaszek: Ich bin sehr glücklich. Nach der letzten Partie fiel es mir schwer zu glauben, dass ich Sieger war. Vor allem, weil ich das erstemal an der Landesmeisterschaft teilnahm! Nach dem Turnier war ich sehr müde, aber gleichzeitig sehr glücklich!

Frage: Was hast du dir vor dem Turnier ausgerechnet? Welchen Platz glaubtest du belegen zu können?

Wojtaszek: Zusammen mit meinem Trainer, Großmeister Artur Jakubiec, glaubte ich, ein Platz unter den ersten sechs wäre optimal. Eine Medaille, egal welcher Farbe, wäre bereits ein riesiger Erfolg. Ich bin natürlich besonders glücklich, dass es gerade die Medaille mit dem begehrtesten Metall wurde.


Wojtaszek gibt weiblichen Bewunderern Autogramme

Frage: Wie verlief das Turnier für Dich?

Wojtaszek: Schon zu Beginn des Turniers traf ich auf die Favoriten. In der ersten Runde spielte ich in einer recht verbissenen Partie Remis gegen Bartłomiej Macieją, den Titelverteidiger. Letztlich wollte keiner von uns beiden etwas riskieren. In der zweiten Runde traf ich auf Bartosz Soćko, der in der Endabrechnung Vize-Meister wurde. Ich spielte mit Schwarz, doch Soćko behandelte die Eröffnung ungenau und ich konnte sofort in großen Vorteil kommen, der mir dann schließlich das bessere Ende, sprich den Sieg, ließ. Einen besseren Beginn konnte ich mir gar nicht erträumen, plötzlich befand ich mich selbst in der Rolle eines Favoriten. Aber ich wurde nicht allzu nervös, da dies erst der Anfang des Turniers war und sich alles noch ändern konnte.

In der 3. Runde gewann ich ziemlich sicher gegen Moranda, einen der schwächeren Turnierteilnehmer.  In der 4. Runde spielte ich ein schnelles Remis gegen Robert Kempiński,  den Hauptkandidaten auf den Titel. Man könnte dies als ein taktisches Vorgehen betrachten, wir wollten unsere Kräfte schonen um sie in den nächsten Runden zu gebrauchen. Für mich zahlte sich das aus, denn ich gewann die beiden folgenden Partien gegen schwächere Teilnehmer:  in Runde 5 schlug ich Szeląg, in Runde 6 Czarnota. In der 7. Runde remisierte ich mit Grabarczyk und ich führte mit einem Punkt Vorsprung vor dem freien Tag.

Von diesem Moment an begann ich schwächer zu spielen. Ich glaube, dass es der Stress war und daß ich begann, den Druck zu spüren. Am freien Tag habe ich beschlossen, mich nicht mit Schach zu beschäftigen sondern habe mir Poznań angeschaut und ging abends ins Kino. Leider hat mich dieser freie Tag aber komplett aus dem Rhythmus geworfen und ich fing an schwach zu spielen. In den nächsten 4 Runden 4 unentschieden. Auch wenn die Gegner keineswegs schwach waren, erhoffte ich mir doch ein besseres Ergebnis.

Ich wurde eingeholt und lag zwei Runden vor Schluss auf dem geteilten ersten bis dritten Platz mit Kempiński und Mitoń. Meine Situation war vor allem darum schwer, weil ich mich zum Ende schon ziemlich müde fühlte. Ich sagte mir, dass ich schon viel erreicht habe und es jetzt nur noch besser werden kann. In der vorletzten Runde gewann ich eine gute Partie gegen  Klaudiusz Urban, einen früheren Polnischen Meister, der aber in diesem Jahr nicht in guter Form war. Vor der letzten Runde führte ich mit einem halben Punkt Vorsprung auf Kempiński und Soćko. In der Schlussrunde traf ich auf  Kamil Mitoń, einen Spieler von dem ich wusste, daß er sehr stark ist. Nur ein Sieg bedeutete Gold, bei einem Remis wäre ich Dritter. Die Partie selbst war wechselhaft und nicht auf allzu hohem Niveau, hauptsächlich natürlich wegen ihrer entscheidenden Bedeutung. Nach einer sehr nervösen und schwierigen Partie gelang es mir um 16.15 Uhr zu gewinnen.

Frage: Zu Dir privat - Wo wohnst du?

Wojtaszek: Ich wohne mit meiner Familie (Vater, Mutter und Schwester) in Kwidzyn, einer Stadt mit 40. 000 Einwohnern im Norden Polens.

Frage: Ist das deine Geburtsstadt?

Wojtaszek: Nein, ich kam am 13.01.1987 in Elbląg, 80 km von Kwidzyn, zur Welt.

Frage: Was, außer Schach, beschäftigt dich sonst?

Wojtaszek: Außer Schach interessieren mich Informatik und Geschichte. Außerdem bin ich gerne mit Freunden zusammen und liebe es Basketball und Tennis zu spielen

Frage: Du bist noch Schüler, was hast du (außer Schachspielen) später einmal vor?  

Wojtaszek:  Nächstes Jahr mache ich mein Abitur, danach entscheide ich, was ich studieren werde. Am wahrscheinlichsten ist, daß ich ein Studium auswähle, das mit Informatik verbunden ist.

Frage: Wann hast du mit Schach begonnen?

Wojtaszek:  Den ersten Kontakt hatte ich als 4-Jähriger. Mein Vater und mein Großvater haben mir Schach beigebracht. Als ich 5 Jahre alt war, brachten die beiden mich in einen Klub gebracht und seit dieser Zeit spiele ich Turniere.

Frage: Artur Jakubiec ist dein Trainer. Wie finanzierst du ihn? Hast du einen Sponsor oder kommst du privat auf?

Wojtaszek:  Ich werde vom Polnischen Schachverband unterstützt, außerdem hilft mir auch mein Klub PTSz Płock.

Frage: Wieviel Zeit verbringst du täglich mit Schach?

Wojtaszek:  Das hängt davon ab, wieviel Zeit ich Schach widmen kann. Viel Zeit nehmen Verpflichtungen, wie z. B. die Schule, in Anspruch. Aber ich versuche, auf 15-20 Stunden wöchentlich am Schach zu arbeiten.

Frage. Was waren deine größten Erfolge und wo hast du deine Normen gemacht?

Wojtaszek:  Mein größter Erfolg ist sicherlich die Landesmeisterschaft zusammen mit den Siegen bei der U18 WM und U18 EM 2004. Großmeisternormen machte ich bei der Jugend-WM, in Cappelle la Grande 2004 und bei der Landesmeisterschaft 2005.

Frage: Du hast also alle Normen beisammen, wann bekommst du den Titel verliehen?

Wojtaszek:  Auf dem nächsten FIDE-Kongreß.

Frage: Du spielst für PTSz Płock In welcher Liga spielt der Klub und wie stark ist er?

Wojtaszek:  PTSz Płock ist momentan der beste polnische Klub unter den Junioren, und die Nr. 4 bei den Senioren.

Frage: Spielst du auch in ausländischen Klubs?

Wojtaszek:  Ja, diese Saison habe ich in der tschechischen Liga gespielt. In der nächsten Saison werde ich in der spanischen und französischen Liga spielen.

Frage: Was sind deine nächsten Turniere?

Wojtaszek:  Das nächste sichere Turnier ist die Europameisterschaft in Warschau. Ansonsten habe ich für die kommenden Monate keine speziellen Pläne.

ChessBase: Vielen Dank für das Gespräch.

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren