Das Wissen, das Du jetzt brauchst!
Die neue Version 18 bietet völlig neue Möglichkeiten für Schachtraining und Analyse: Stilanalyse von Spielern, Suche nach strategischen Themen, Zugriff auf 6 Mrd. LiChess-Partien, Download von chess.com mit eingebauter API, Spielervorbereitung durch Abgleich mit LiChess-Partien, eingebaute Cloud-Engine u.v.m..
von Philipp Hillebrand
Das Schachspiel ist bereits sehr alt und auch so manche Erkenntnis, welche zwar nicht unmittelbar aus dem Schachspiel selbst stammt, aber dennoch seine Anwendung bzw. Bedeutung dennoch im Zitat von Sun Tsun findet: „Strategie ohne Taktik ist der langsamste Weg zum Ziel. Taktik ohne Strategie ist der Lärm vor der Niederlage“
Es geht in diesem Zitat um die Feststellung, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen diesen beiden Elementen gibt. Dieses Prinzip gilt auch in anderen Bereichen des Lebens, aber in dieser Rezension geht es alleine um die Sichtweise eines agierenden Schachspielers. Der aus Österreich stammende Autor ist zum einen langjähriger Trainer in seinem Heimatland und seit kurzer Zeit auch der Verantwortliche für eine Strategiekolumne im ChessBase Magazine. Mithin kann der Autor auf viel Material, Erfahrung, didaktisches Wissen und Fingerspitzengefühl zurückgreifen, um es in diesem Fritztrainer geschickt zu bündeln mit der Absicht etwas Lehrreiches zu vermitteln.
Ein anderes wichtiges Thema im Schachspiel lautet für einen Anwender, „wie bewerte ich unterschiedliche Stellungsmerkmale?“ oder „was muss ich alles berechnen für eine erfolgreiche Partie oder kann ich mich auf mein Stellungsgefühl verlassen?“. Es sind diese Aspekte, welche der Autor miteinander verbinden möchte, damit sich das Spielverständnis und die Entscheidungen am Schachbrett verbessern wenn er seine Schützlinge bei Wettkämpfen betreut oder im freien Training zur Seite steht. Bereits sein einführendes Beispiel macht einen guten Eindruck bzw. gibt einen Vorgeschmack darauf, was man in diesem Fritztrainer erwarten kann:
Die weißen Figuren stehen aktiver postiert und der Anziehende besitzt einen Freibauern. Mithin sind also Pluspunkte in seiner Stellung vorhanden und ein geübter Schachspieler wickelt gerne in ein „total gewonnenes Endspiel“ ab. Folglich liegt die Folge 1.Txd7+ Kxd7 2.Sb6+ nebst 3.Sxc8 nahe. Alleine am Ende dieser Sequenz entsteht ein verlorenes Bauernendspiel für den Anziehenden, denn das wesentliche Merkmal war nicht der weiße Freibauer, sondern der mögliche Bauerndurchbruch des Nachziehenden. Darauf aufbauend geht der Autor in den folgenden Beispielen immer wieder der Frage nach, wann sind statische und wann sind dynamische Vorgehensweisen angebracht oder unter Umständen zu unterlassen. Auch die Erkenntnis, wann eine Berechnung weitergeführt werden sollte wird behandelt. Das Verständnis für die Statik und die Dynamik einer Stellung knüpft nahtlos an den Zusammenhang von Strategie und Taktik an. Auch sehr starke Spieler finden zuweilen nicht den richtigen Zeitpunkt für diese auf den ersten Blick anmutende Binsenweisheit, sprich wann es notwendig ist zu Handeln und wann nicht:
Die Stellung des Anziehenden ist sehr gut, trotz des Minusbauern. In der Partie zwischen Vasyl Ivanchuk und Valentin Dragnev spielte der ukrainische GM in Zeitnot überhastet 33.Lh6+ Kg8 34.Tee7 und lief in den starken Konter 34…Se8! und verlor in der Folge ohne Widerstand. Gerade in Zeitnot verspürt man den Drang dazu die Dinge zu forcieren und ein Schachgebot und eine Drohung scheinen dazu gut geeignet zu sein die „Kontrolle in der Stelllung“ zu besitzen. Hinzukommt, dass Springerrückzüge meist schnell übersehen werden, so auch in dieser Partie. Ein Zug wie 33.Kb2 hingegen hätte den Nachziehenden in die unangenehme Lage versetzt sich vielen „Drohungen“ erwehren zu müssen, aber eben nicht konkreten wie sie nach Lh6+ und Tee7 gegeben sind, dann findet ein Verteidiger meist oft deutlich einfacher den oder die einzigen Züge. Es geht dem Autor in diesem Beispiel darum, dass es eben nicht leicht ist, den richtigen Moment für das angemessene Vorgehen zu finden, sprich ist es notwendig eher statisch zu agieren, wo Figurenmanöver und subtile Bauernzüge angebracht sind oder gilt es „so schnell wie möglich zu handeln“ wenn es die Stellung erfordert. Dazu liefert der Autor u.a. folgendes Beispiel:
Der Weltmeister Magnus Carlsen spielte an dieser Stelle gegen Azamat Utegaliev ,mit 18.f4 einen guten und zum Vorteil führenden Zug, aber wie die Analyse von Schneider- Zinner zeigt, hätte der Keulenschlag 18.d5!! sofort den Sack zugemacht und die Vorteile der Stellung dynamisch zum (schnellen) Ende geführt.
Im Folgenden gibt es sehr lehrreiche Erkenntnisse um die Thematik von Bauernhebeln präsentiert. Sie dienen der Linienöffnung, dem Untergraben eines gegnerischen Vorpostens oder dem Schaffen einer Bauernschwäche im gegnerischen Lager. Dabei nutzt der Autor zum einen bekannte Vorbilder von Größen wie Max Euwe, aber auch eigene Partien oder Partien seiner Schützlinge kommen zum Einsatz:
Der Autor nimmt sich gut sechs Minuten Zeit, um in einem Clip den von Euwe skizzierten Plan zum weißen Gewinn zu demonstrieren. Der Mehrwert des vorliegenden Fritztrainers bekommt man durch die Verbindungen zu anderen Themen und Beispielen des Autors geliefert, denn gerade wenn man selbst an einer Partie beteiligt ist, bleiben einem die Eindrücke und Erkenntnisse meist besser haften. Das bedeutet für den Nutzer dieses Fritztrainers, dass er den Ausführungen von Harald Schneider- Zinner guten Gewissens lauschen kann!
Wie gesagt bedarf es aber auch nicht immer zwingend Material von starken GMs oder sogar Weltmeistern, um lehrreiches Material auswerten und zum Trainingsfortschritt nutzen zu können:
Diese Partie kam in der Begegnung Angelina Zhabanova und Sophie Konecny vor. Beide Akteure hatten zum Zeitpunkt der Partie um die 1500 als Wertungszahl und der Zug 9…b5!! demonstriert, dass ein gutes Training dazu führen kann, dass auch Einsteiger und Fortgeschrittene mit Hilfe der Musterwiedererkennung gute Manöver, Taktik und strategische Elemente miteinander kombinieren können!
Dem Thema Musterwiedererkennung räumt der Autor einen hohen Stellenwert ein und bietet dafür u.a. typische Springermanöver, typische LäuferManöver, das Angriffsduo Dame und Springer, besagte Hebel und originelle Denkweisen.
Als Ergänzung gibt es auch eine Auflistung dazu, wie man eine Stellung bewerten kann, damit man einen Plan entwickeln kann, je nachdem, ob statische oder dynamische Aspekte überwiegen. Das gipfelt in aller Regel in der Königssicherheit und der Aktivität der Figuren, wo es abermals sehr treffendes Material zum Analysieren gibt:
Diese Stellung stammt aus der Partie Rainer Buhmann gegen Harald Schneider- ZInner, 1-0 (46) aus der österreichischen Bundesliga. Das Beispiel zeigt auch, dass der Autor seine eigenen Niederlagen zum Lernen benutzt, was stets ein wichtiges Instrument zum Verbessern des eigenen Spieles ist! Der letzte Zug des Anziehenden war 15.h3 und der „Spiegelzug“ 15…h6?! erwies sich als unglücklich, denn 16.Lb1! mit der Idee einer Batterie auf der Diagonalen b1-h7 zu installieren brachte den Nachziehen schon in große Schwierigkeiten.
Ein wichtiges Kapitel in der strategischen Ausbildung eines Schachspielers ist jenes der sog. überflüssigen Figur, wie sie auch Mark Dvoretsky in seinen Werken oft untersuchte. Abermals bietet der österreichische Autor eine „Triologie“ (wie bei den Leichtfigurenmanövern), damit der Lernende daraus eine Mustererkennung ableiten kann. Ein meines Erachtens hervorragendes didaktisches Vorgehen!
Zum Schluss gibt es noch wichtige Erkenntnisse zum Thema Schwerfiguren:
Diese Stellung stammt aus der Partie Hillarp Persson, T - Bo Hansen, L und soll das Prinzip demonstrieren, dass die Partei, welche über mehr Schwerfiguren verfügt, daran ein Interessen besitzt einen Turm zu tauschen, damit der verbleibende Turm schlichtweg mehr Platz zum Wirken hat, mithin, dass die Idee eines Turmtausches nicht nur in Situationen angestrebt werden kann, wenn man über eine Mehrqualität verfügt.
Fazit:
Man merkt dem aus Österreich stammenden Autor seine große Begeisterung und Liebe zum Lehren des Schachspiels an. Er nimmt sich die Zeit die ausschlaggebenden Elemente einer Stellung zu diskutieren und arbeitet dabei meist mit Fragetechniken, welche dazu dienen, dass der Lernende selbst oder leichter auf die Lösungen bzw. Knackpunkte einer Stellungsbewertung kommt. Die gewählten Beispiele sind klar, abwechslungsreich und in eine didaktische Überlegung/ Komposition eingebaut, was diese besonders wertvoll macht. Dazu kann man mit der Hilfe des Fritztrainers einen eigenen Weg erarbeiten, wie man eine Stellung bewertet, was es zu beachten gilt und auch, wie man seine Bedenkzeit während einer Partie einteilt, also die kritischen Momente einer Partie zu erkennen lernt.
Die Clips sind unterschiedlich lang, sie reichen von 3 Minuten bis zu 18 Minuten. Aber die kurzen Clips sind keineswegs weniger instruktiv! Mir persönlich gefallen die Kapitel über Hebel und typische Figurenmanöver am besten.
Am Ende des Fritztrainers gibt es 26 interaktive Übungsclips, wovon einige mit Hilfe der erlernten Elemente auch von Spielern mit weniger Erfahrung gemeistert werden können. Meines Erachtens ein gutes Produkt, aus welchem auch Spieler mit einer Wertungszahl ab 1300 viel Lehrreiches herausarbeiten können, denn gerade die ruhige Art des Autors nimmt den Zuschauer quasi an die Hand, so dass Lernende nicht in endlos und hochkomplizierten Varianten zu ertrinken drohen.
Eine uneingeschränkte Kaufempfehlung für Schachfreunde, welche ihr Wissen und Fertigkeiten im Bereich der Strategie verbessern möchten!
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