Schnelle "68er" in Bad Wildungen

von Hartmut Metz
25.07.2023 – Bei den Seniorenmeisterschaften in Bad Wildungen wurden Ende letzter Woche auch die Senioren-Rapidmeisterschaften ausgetragen. Patrick Burkart gewann die Ü50-Meisterschaft. Joachim Brüggemann holte sich den Titel in der Ü65-Gruppe. Hartmut Metz (Foto) berichtet und hat Chancen auf den Titelgewinn in der Gruppe Ü50 im klassischen Schach. Heute bestreitet er das Spitzenspiel gegen Thorsten Cmiel. | Fotos: Hartmut Metz, Gerhard Meiwald

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Die "wilden 68er" räumen ab

Nur 55-Jährige auf dem Treppchen im Schnellschach-Wettbewerb der Senioren

Gerhard Meiwald war persönlich dabei. "Zu der Generation der wilden 68er gehörte ich auch", erinnert sich der 76-Jährige an das legendäre Jahr 1968. Anders als der Pressechef der 35. Deutschen Senioren-Einzelmeisterschaft (DSEM) in Bad Wildungen haben die Preisgeld-Gewinner im Schnellschach keinerlei persönliche Erinnerungen an diese Zeit – sie alle lagen damals in Stoffwindeln, wurden sie doch erst geboren. Ein erstaunlicher Zufall im Ü50-Wettbewerb! Neben dem souveränen Sieger Patrick Burkart (Hofheim) gelangten Blitzspezialist Patrick Chandler (Oberursel) und IM Uwe Kersten (Bad Emstal/Wolfhagen) aufs Treppchen.

Ja, selbst Anita Stangl (Starnberg) ist 55 Jahre jung. Während die weibliche Siegerin, die 4/9 holte zum zweiten Mal bei der Schnellschach-DM der Senioren an den Start ging, war es für Burkart eine Premiere. Er pflügte in den neun Runden durchs Feld und gab lediglich zwei Remis ab. "Nur gegen Uwe Kersten stand ich schlecht und habe mich glücklich mit ein paar billigen Fallen, die ich stellte, herausgewunden", ließ der 55-Jährige das Turnier Revue passieren. Am Schluss setzte er so Kersten matt.

Dank seiner starken acht Punkte ging Burkart mit eineinhalb Zählern Vorsprung über die Ziellinie. Chandler hatte die bessere Buchholz-Wertung als Kersten und Hartmut Metz (alle 6,5). Dem Kuppenheimer reichten selbst perfekte 4/4 am zweiten Tag in den Partien mit zwölf Minuten Grundbedenkzeit (plus zehn Sekunden pro ausgeführten Zug) nicht mehr ganz zur Medaille, weil Metz am Vortag in der fünften Runde gegen Kersten in Gewinnstellung die Zeit überschritten hatte.

Vizemeister Patrick Chandler (von links), Ü50-Champion Patrick Burkart, Uwe Kersten und Seniorenreferent Wolfgang Block.

Endstand nach 9 Runden Ü50

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Burkart,Patrick, 8 48
2 Chandler,Patrick, 6,5 49,5
3 Kersten,Uwe, 6,5 49
4 Metz,Hartmut, 6,5 44,5
5 Gerber,Peter, 6 50,5
6 Lindam,Ingo, 6 45,5
7 Kesseler,Heiko, 5,5 45
8 Arndt,Olaf, 5,5 40
9 Funke,Reinhard, 5,5 37
10 Schell,Franz Jürgen,Dr., 5 42,5
11 Bocksberger,Stefan, 5 41,5
12 Lindner,Marco, 5 40
13 Jacobsen,Uwe, 5 36
14 Heck,Norbert, 4,5 49
15 Schmitt,Carsten, 4,5 42
16 Sommer,Uwe, 4,5 41,5
17 Birkholz,Axel,Dr., 4,5 40
18 Bär,Marco, 4,5 39,5
19 Brixius,Dirk, 4,5 28,5
20 Melde,Volker, 4 44
21 Domnick,Michael, 4 44
22 Sakkal,Cherin, 4 40,5
23 Stangl,Anita,Dr., 4 39
24 Kleinert,Jürgen, 4 34
25 Cmiel,Thorsten, 3,5 41
26 Schäfer,Lutz, 3,5 36
27 Sviridov,Vitaliy, 3,5 33,5
28 Hafenstein,Andrea, 3,5 33
29 Bauer,Werner, 3 36
30 Göldenboog,Jürgen, 3 35,5
Lebioda-Dette,Kordula,Dr., 3 35,5
32 Gudok,Viktor, 2 41
33 Gaul,Karl-Heinz, 2 34,5

Anita Stangl genügten vier Zähler, um vor Andrea Hafenstein (Rodewischer Schachmiezen/3,5) und Kordula Lebioda-Dette (EssenWerden/3) zu landen.

Wolfgang Block ehrt Ü50-Meisterin Anita Stangl.

Noch spärlicher fiel der Frauenanteil bei den Ü65-Spielern aus. Beate Krum sammelte immerhin 50 Prozent und mit 4,5/9 fast doppelt so viel wie Ursula Schumacher (Bad Neuenahr), die als 30. 2,5 Zähler in die Scheuer brachte. Krum spielte nach 14 Jahren zum ersten Mal wieder ein Turnier. Mit 65 ging die ehemalige rührige Organisatorin  von der SG Heidelberg-Kirchheim gerade in Rente und entdeckte ihre alte Liebe erfolgreich!

Nach 14 Jahren Pause kehrt Beate Krum erfolgreich zu ihrer alten Liebe, Schach, zurück Wolfgang Block ehrt die die neue Ü65-Meisterin.

So lange pausiert hat Joachim Brüggemann nicht. Der 71-Jährige mied jedoch die DSEM bisher, "weil ich mich noch zu jung fühlte", ulkte der rüstige Erfurter, dem man sein Alter wahrlich nicht ansieht.

Spitzenspiel in der Ü65: Joachim Brüggemann (rechts) gegen Holger Namyslo.

Mit sieben Punkten und der besten Buchholz von 51,5 gegenüber 46 sicherte sich Brüggemann den ersten nationalen Titel. Der stand erst fest, als der Biberacher Holger Namyslo, sein ausgekämpftes Duell mit dem Spandauer Michael Schulz (beide 6,5/9) remisierte. Bei einem Sieg hätte sich der Oberliga-Spieler aus Württemberg Gold gesichert. Die Riege des Quartetts mit sechs Zählern führte Hans Werner Ackermann an. Der Hammer verpasste somit einen weiteren nationalen Titel. Sensationell schob sich Wolfgang Hater zwischen die bekannten Senioren-Haudegen.

Wolfgang Hater (links) wird sensationell deutscher Vizemeister im Schnellschach in der Ü65 und remisiert in der Schlussrunde gegen IM Joachim Brüggemann.

Der Südlohner, der eine Schnellschach-Elo von nur 2027 aufweist, trumpfte groß auf und wurde mit sieben Punkten deutscher Vizemeister! In der Schlussrunde remisierte er am Spitzenbrett gegen Sieger Brüggemann.

Bild ohne Sieger: Nestoren-Meister Klaus Rydzewski fehlte bei der Siegerehrung, da er vermutlich nicht mit einem Titel rechnete. Der drittplatzierte Reinhard Böhle (von links) und Jurij Vasiljew konnte Wolfgang Block Urkunden überreichen.

Der Nestoren-Meister (über 75) Klaus Rydzewski rechnete wohl nicht mit seinem Glück und fehlte bei der Siegerehrung. Der Senior von SV Horst-Emscher wies wie Jurij Vasiljew (Moers) 4,5/9 und 45,5 Buchholz auf Die Sonneborne-Berger-Wertung gab letztlich mit 17,5:16,5 den Ausschlag zu Gunsten von Rydzewski. Bronze ging an den Maintaler Reinhard Böhle (4).

Die Medaillengewinner in der Ü65 wirken deutlich glücklicher als die jüngeren Senioren der Ü50: Turniersensation Wolfgang Hater (von links), Joachim Brüggemann, Holger Namsylo und  Seniorenreferent Wolfgang Block.

Endstand nach 9 Runden Ü65

Rg. Name Pkt.  Wtg1 
1 Brüggemann,Joachim, 7 51,5
2 Hater,Wolfgang,Dr., 7 46
3 Namyslo,Holger, 6,5 54
4 Schulz,Michael, 6,5 48,5
5 Ackermann,Hans Werner, 6 51,5
6 Cichy,Michael,Dr., 6 44,5
7 Krien,Hartmut, 6 37
8 Schnegelsberg,Karl-Heinz, 5,5 47,5
9 Zimmermann,Rolf, 5,5 46
10 Schlierkamp,Ferdinand, 5,5 45
11 Steinmacher,Josef, 5 47
12 Heß,Jürgen, 5 45
13 Westermann,Johannes, 5 43,5
14 Allgaier,Erik, 5 38
15 Rydzewski,Klaus, 4,5 43,5
16 Vasiljev,Jurij, 4,5 43,5
17 Krum,Beate, 4,5 40,5
18 Schumacher,Gottfried, 4,5 39,5
19 Wolff,Stefan, 4 42
20 Böhle,Reinhard, 4 40,5
21 Nosek,Reinhard, 4 40,5
22 Köller,Bernd, 4 38,5
23 Blosze,Winfried, 4 36,5
24 Dolezal,Hans-Peter, 4 30,5
25 Peter,Volkhard,Dr., 3 32,5
26 Kummer,Wolfgang,Prof. Dr., 3 32
27 Zimmermann,Ulrich,Dr., 3 30,5
28 Wagner,Günter, 3 28,5
29 Brettschneider,Karl, 2,5 39
30 Schumacher,Ursula, 2,5 37
31 Fleischer,Matthias, 2,5 35,5
32 Nellissen,Werner, 2 34
33 Geibel,Henning, 2 34

Im Turnierschach blieben die Überraschungen auch nicht aus: Titelverteidiger Arno Zude kassierte gegen Lars Balzer seine erste Niederlage. Der Badener, der in der Schweiz lebt und arbeitet, spielte dem Vernehmen nach erstmals die Drachenvariante. Balzer ließ dabei bei seiner Königshatz mit gegensätzlichen Rochaden, die Zude zu zahm anging, ein spektakuläres Damenopfer mit Matt aus – aber trieb den weißen König von a1 aus bis nach h4, wo er dann endlich seine ewige Ruhe mit einem Matt fand. Der favorisierte IM muss nach nur 2/4 und bisher keiner einzigen überzeugenden Partie alle fünf ausstehenden Runde gewinnen, um seine minimalen Chancen auf die Meisterschaft zu wahren. Balzer zählt nach seinem Husarenritt mit drei Punkten zu den Verfolgern mit drei Punkten.

Gleichauf liegen Matthias Wilsch (Preetzer TSV), der Kreuzberger Christian Syré, der Husumer Peter Jahn und Metz. Der bekommt es in Runde fünf mit dem führenden Peter Wacker zu tun. Der Kölner konnte als einziger bisher 3,5 Punkte anhäufen und trifft nun mit Weiß auf Metz.

Auch bei den Ü65ern hat keiner mehr die Idealpunktzahl. Fünf FM weisen 3,5 Zähler auf, bevor Brüggemann (3) kommt. Dem IM trotzte der neben Willy Rosen älteste Teilnehmer: Erich  Krüger. Der 91-Jährige ließ gegen den 20 Jahre jüngeren "Jungspund" aus Erfurt nichts anbrennen und remisierte! In Front liegen Schulz, Namyslo, Bodo Schmidt (Siegburg), Wolfgang Schmidt (Stuttgart) und der Zehlendorfer Wolfram Heinig.

Lars Balzer (rechts) gelingt gegen Topfavorit Arno Zude eine sehenswerte Königshatz von a1 bis zum Halali auf h4.

Die spektakuläre Königsjagd von Balzer und ein  interessantes Endspiele aus Bad Wildungen analysiert Thorsten Cmiel.

Alle Ergebnisse finden sich auf:

https://dsenem.de/index.php/8-blog/69-3-runde-der-deutschen-senioreneinzelmeisterschaft-in-bad-wildungen

Turnierseite...


Hartmut Metz ist Redakteur bei den Badischen Neuesten Nachrichten (BNN) mit Hauptsitz in Karlsruhe. Er schreibt außerdem unter anderem für die taz, die Frankfurter Rundschau und den Münchner Merkur über Schach und Tischtennis. Zudem verfasst der FM und Deutsche Ü50-Seniorenmeister 2023 von der Rochade Kuppenheim regelmäßig Beiträge für das Schach-Magazin 64, Schach-Aktiv (Österreich) und Chessbase.de.