17. Zeeland – Open 2013 in Vlissingen
In einer meist sonnigen Ferienwoche fand vom 3. – 10. August in der
Küstenstadt Vlissingen in den Niederlanden in der Provinz Zeeland die 17.
Auflage des „HZ“-Turniers statt. Austragungsort war unverändert die in der
Ferienzeit von Studenten gemiedene Hochschule von Zeeland. Dort fanden die
nahezu 250 Teilnehmer/innen erneut ideale Turnierbedingungen.
Am Hafen von Vlissingen
Der Yachthafen
„Zeeland“ und hier insbesondere die Halbinsel „Walcheren“ ist bei
Nordseeurlaubern aus den Niederlanden und Deutschland sehr beliebt, denn der
Strand von Vlissingen ist der südlichste Strand in den Niederlanden und die
Küstengegend dort in der Region so etwas wie die „Riviera“ der Niederlande.
Durch die Runden erst am Abend (Ausnahme: Sonntags und Schlussrunde am 2.
Samstag) war für die Teilnehmer genug Gelegenheit für Freizeit- und
Erholungsmöglichkeiten nach dem Turniermotto „Chess by the sea“. Vlissingen ist
nicht nur als Urlaubsort beliebt und bekannt, sondern auch geschichtlich von
Bedeutung, waren es doch die Städte Vlissingen und das nur weniger entfernte
Städtchen Middelburg, von welchem vor einigen Hundert Jahren die
niederländischen Kolonien angefahren und die Weltmeere erkundet wurden.
Seinerzeit waren dies die bedeutensten Städte in den Niederlanden.
Das De-Ruyter-Denkmal am Hafen
Erneut waren neben vielen, vor allem jungen, starken, einheimischen Spielern
auch wieder einige Amateure aus Deutschland und Belgien mit am Start sowie
einige Profis. Mit mehr als 30 Titelträgern war das Turnier erneut sehr gut
besetzt. Besonderheit war, dass erstmals gleich mehrere Sieger der Vorjahre
gleichzeitig mit am Start waren. Der polnische GM Michael Krasenkow gewann in
Vlissingen bereits 2006 und 2009 mit je 8 Punkten souverän.
Krasenkow, li.
GM Konstantin Landa
gewann 2011 ebenfalls souverän als einziger Spieler mit 8 Punkten, und auch
der amtierende niederländische Meister und Vorjahressieger GM Dimitri Reinderman
(7,5 Punkte in 2012) war mit am Start und wollte seinen Titel verteidigen.
Konstantin Landa, hier gegen Niclas Huschenbeth
Dmitry Reindermann, li, hier gegen Manuel Bosboom
Zum
weiteren Favoritenkreis zählten aber auch natürlich der frische Biel-Open-Sieger
und Vlissingen-Debütant und virtuell über ELO 2700 spielende indische
Großmeister Pentala Harikrishna als Setzlistenerster sowie der zuletzt in guter
Form spielende niederländische Großmeister Erwin L’Ami.
Harikrishna, li.
Erneut bot die Vielzahl der Titelträger für die jungen Talente und
ambitionierten Amateurspieler die Möglichkeit, sich mit sehr starken Spielern
messen zu können und evtl. auch eine Norm zu erreichen.
Besonders hervorzuheben ist auch dieses Jahr wieder die perfekte Organisation
und Turnierdurchführung incl. täglicher Bulletins, guter
Verpflegung/Gastronomie, Bücherstand, Live-Übertragung der ersten 12 Bretter
ins Internet sowie Live-Übertragung über Public-Viewing in den gemütlichen
Analysebereich, optimale und schnelle Datenaufbereitung auf der Turnierseite im
Internet mit vielen Fotos und Partien zum Nachspielen … und nicht zuletzt die
äußerst (gast)freundliche Stimmung unter allen Teilnehmern.
Erneut gab es
keinerlei Streitfälle, sodass das routiniert arbeitende Schiedsrichterteam um
Hauptschiedsrichter J.H. Pots nur Routinearbeiten zu erledigen hatte.
Assistenten bzw. weitere Schiedsrichter waren A. Bruijns, E. van Elven und E.
Ruben. Wie bereits im Vorjahr wurde mit der neuen Fide-Bedenkzeit (90 Minuten
für 40 Züge und 30 Minuten für den Rest der Partie zzgl. 30 Sekunden für jeden
Zug) gespielt, sodass „Zeitüberschreitung“ ein Fremdwort war und seitens
Schiedsrichtern nirgends mitgeschrieben werden musste.
Untergebracht waren die nicht einheimischen Spieler in den verschiedensten
Hotels und Pensionen in Vlissingen, wobei die Top-Gesetzten Großmeister im
Grand-Arion-Hotel unmittelbar am Boulevard/Strand von Vlissingen einen
angenehmen Schach-Urlaubs-Aufenthalt genießen konnten.
Turnierverlauf:
Die erste Runde brachte naturgemäß an den vorderen Brettern keine
Überraschungen. Das erste unerwartete Resultat war an Brett 51 zu vermelden, als
der deutsche Benno Fuchs sich gegen seinen favorisierten Gegner durchsetzen
konnte.
In der zweiten Runde (Sonntags vormittags) gaben sich die Top-Leute erneut
keine Blöße. Erst an Tisch 19 war ein Überraschungsergebnis zu verzeichnen.
Die dritte Runde (Sonntags nachmittags) brachte dann die ersten Duelle von
Titelträgern untereinander, wobei GM Erwin L’Ami gegen den dieses Jahr in
Vlissingen insgesamt sehr gut aufspielenden FM Arno Bezemer an Tisch 4 ein
erstes Remis abgab. Auch die am weitesten angereiste Teilnehmerin, die
chinesische Top-Spielerin Xue Zhao gab gegen den starken niederländischen
Amateur Mark Timmermans in eimem ausgekämpften Turmendspiel ein erstes Remis ab.
Ebenso kam die indische Top-Spielerin GM Dronavalli Harika gegen FM Richard
Vedder nicht über ein Remis hinaus.
Xao Zhue
Harika Dronavalli
In der vierten Runde waren erneut interessante Duelle zu verzeichnen. Der
junge deutsche IM Ilja Zaragatski, welcher auf dem nächsten Fide-Kongress in
wenigen Wochen zum GM ernannt wird, spielte an Tisch eins gegen den
Top-gesetzten GM Harikrishna eine interessante Partie, musste aber eine
Niederlage hinnehmen und viel im Gesamtklassement vorübergehend zurück. Der
Sieger der Jahre 2006 und 2009, der polnische GM Krasenkow kam gegen den
vorübergehend sehr stark aufspielenden niederländischen Jungstar IM Twan Burg an
Tisch zwei in einer sizilianischen Partie mit Minusbauer fast unter die Räder
und konnte sich gerade so in‘s Remis retten. An Tisch zehn gab die chinesische
Großmeisterin gegen einen niederländischen Amateur ein weiteres Remis ab, sodass
sie sich zunächst aus dem Titelrennen verabschiedete.
Die fünfte Runde war „die Runde der Deutschen“. Während
sich an Tisch eins etwas überraschend der indische Top-GM Harikrishna relativ
schnell mit Vlissingen-Veteran GM Ikonnikov auf Remis einigte, waren an den
nächsten Tischen wesentlich spannendere Partien zu verzeichnen. Der junge
deutsche GM Niclas Huschenbeth spielte gegen den Routinier und Sieger des Jahres
2011 sehr gut auf und erreichte im Endspiel eine mehr oder weniger klare
Gewinnstellung.
Niclas Huschenbeth
Eine lange Kombination, welche auch diverse Schach-Engines so
ausgewiesen haben führte zwar zu einem materiellen Übergewicht von Dame gegen
Turm, allerdings dachte sich Konstantin Landa „my home is my castle“ und baute
sich eine uneinnehmbare Festung auf. Dieses Motiv ist wohl für Schach-Engines –
noch – nicht richtig zu erfassen. Wenngleich die ganz große Überraschung
ausblieb, so ist das Remis dann doch immerhin eine kleine Überraschung. Am
Nachbartisch steckte IM Thomas Henrichs (geteilter erster in Vlissingen im Jahre
2010) in einer interessanten Partie eine Leichtfigur in’s Geschäft, um am
Damenflügel eine Bauernwalze zu kreieren. In aufkommender beiderseitiger Zeitnot
behielt er – im Gegensatz zu seinem Gegner - die Übersicht und konnte sich etwas
überraschend gegen den Vorjahressieger GM Dimitri Reindermann durchsetzen.
In
der Zwischentabelle nach Runde 5 führte Thomas Henrichs das Feld mit einem
halben Punkt Vorsprung an! Das brisanteste Duell war an Tisch 5 zu beobachten.
In einem familieninternen Duell setzte sich GM Erwin L’Ami – nicht
gentlemen-like – nach mehrstündigem Kampf gegen seine Ehefrau Alina L’Ami durch.
Wobei die Hoheit des Hotelzimmerschlüssels bei ihr lag und – gemäß
Facebook-Eintrag wohl auch eine Übernachtung auf dem Balkon des Hotelzimmers für
den Partiegewinner zur Diskussion stand.
L'Ami gegen L'Ami
In der sechsten Runde konnte IM Thomas Henrichs an Tisch eins dem Druck des
indischen GM Harikrishna nicht standhalten und musste im Endspiel mit
Minusqualität die Segel streichen, womit die Tabellenführung futsch war.
Harikrishna gegen Thomas Henrichs
Am
Nachbartisch befand sich GM Michael Krasenkow gegen GM Ernst Sipke mit Turm und
2 Bauern gegen Springer und 3 Bauern – verteilt auf 2 Flügel – in einem
vielleicht verlustträchtig aussehenden Endspiel, konnte sich aber nach
geschicktem Spiel noch in’s Remis retten.
Sipke Ernst gegen Michal Krasenkow
GM Konstantin Landa setzte sich gegen
GM Ikonnikov durch und übernahm die Tabellenführung, punktgleich mit GM
Harikrishna. GM Erwin L’Ami und GM Niclas Huschenbeth trennten sich nach
spannendem Kampf in einem Turm-Endspiel remis, ebenso ging die Partie zwischen
Titelverteidiger GM Dimitri Reinderman und israelischem IM Mark Berkovich remis
aus.
Huschenbeth gegen L'Ami
In der siebten Runde trennten sich die beiden Tabellenführer an Tisch eins
remis. An Tisch zwei erreichte die indische Großmeisterin Dronavalli Harika
gegen den favorisierten GM Krasenkow ein Remis, nachdem in einem Endspiel Turm
und Leichtfigur gegen Turm die 50-Züge-Regel ausgiebig getestet wurde. Nur
weitere 2 oder 3 Züge später wäre das Matt auf dem Brett gewesen; der polnische
GM nahm’s mit Humor. Durch Siege von GM Erwin L’Ami gegen IM Thomas Henrichs und
des zweiten indischen Großmeisters am Start, Babu M.R. Lalith gegen IM Stefan
Kuipers sowie der nun wieder herangekämpften chinesischen Großmeisterin Xue Zhao
gegen IM Mathew Tan schlossen gleich mehre Spieler zur Tabellenspitze auf. GM
Niclas Huschenbeth verlor gegen den niederländischen IM Manuel Bosboom und damit
den Kontakt zu den vorderen Tabellenplätzen. Nach der Runde führten punktgleich
mit je 6 Punkten gleich 6 Spieler die Tabelle an und es – anders als in manchen
Vorjahren – völlig offen war, wer das Turnier gewinnen könnte/würde.
In der achten Runde wurden an den ersten beiden Brettern im indischen Duell
zwischen GM Harikrishna und GM Lalith sowie chinesisch-russischen Duell zwischen
GM Zhao und GM Landa die Punkte geteilt. GM Erwin L’Ami nutzte die Gunst der
Stunde und setzte sich nach seinem Partiegewinn gegen IM Manuel Bosboom alleine
an die Tabellenspitze; mit einem halben Punkt Vorsprung eine gute Ausgangslage
für die Schlussrunde. Einer der Überraschungsspieler des Turniers und
insbesondere der letzten Runden war der junge niederländische IM Quinten
Ducarmon. In der 8. Runde konnte er sich gegen Vorjahressieger GM Reinderman
durchsetzen. GM Krasenkow behielt gegenüber FM Bezemer die Oberhand und somit
Kontakt zur Tabellenspitze.
Die Schlussrunde verlief sehr spannend. Während sich GM Erwin L’Ami und GM
Pentala Harikrishna an Tisch eins auf Remis einigten und auch das Duell zwischen
GM Sipke Ernst und GM Konstantin Landa remis endete, punktete GM Michael
Krasenkow gegen GM Xue Zhao ebenso wie GM Lalith gegen IM Van Delft und IM
Ducarmon gegen IM Zaragatski.
L'Ami gegen Harikrishna
Krasenkow gegen Xao Zhue
Im Ergebnis führte dies zu gleich 4 Spielern mit
7,5 Punkten (Krasenkow, L’Ami, Lalith, Ducarmon), wobei GM Krasenkow nach
Feinwertung als Sieger 2013 in die Siegerliste eingetragen wird. Das
Verfolgerfeld der 7 Spieler mit je 7 Punkten wird vom Elo-Favoriten GM
Harikrishna angeführt.
Herzlichen Glückwunsch an GM Krasenkow für den 3 Turniergewinn in Vlissingen.
Bleibt zu hoffen, dass auch in den nächsten Jahren regelmäßig gleich mehrere
Titelverteidiger an den Start gehen und es erneut zu einem spannenden
Turnierverlauf kommt.
Beste Dame wurde GM Xue Zhao – nach einer Niederlage in der
Schlussrunde - mit 6,5 Punkten auf Rang 13.
FM Arno Bezemer erzielte eine weitere IM-Titelnorm.
Arno Bezemer, rechts
Da er bereits
vor dem Turnier ausreichend Normen hatte, fehlt ihm nur noch das Erreichen des Elo-Kriteriums. IM Quinten Ducarmon erreichte trotz guter Punktzahl keine
GM-Norm, da er zu wenig Titelträger als Gegner im Turnierverlauf hatte.
Quinten Ducarmon (li.)
Besonders bemerkenswert ist die erzielte IM-Norm des sehr jungen titellosen
Milan Mosterman (geboren 1993, ELO 2280), 7 Punkte, Tabellenplatz 10,
Performance 2450 (u.a. Remis gegen IM Bernd Kohlweyer, IM Twan Burg und IM Ilja
Zaragatski sowie Siege gegen IM Thomas Henrichs und IM Manuel Bosboom).
Hier die vorderen Tabellenplatzierungen:
Endstand:
Rank |
Name |
Score |
Fed. |
M/F |
Rating |
TPR |
W-We |
BH |
SB |
PS |
1 |
GM Krasenkow, Michal |
7.5 |
POL |
M |
2635 |
2671 |
+0.52 |
54.5 |
44.5 |
38.5 |
2 |
GM L'Ami, Erwin |
7.5 |
NED |
M |
2626 |
2653 |
+0.50 |
52.0 |
42.5 |
39.0 |
3 |
GM Lalith, Babu M.R. |
7.5 |
IND |
M |
2576 |
2630 |
+0.72 |
51.0 |
41.5 |
38.0 |
4 |
IM Ducarmon, Quinten |
7.5 |
NED |
M |
2438 |
2532 |
+1.26 |
48.0 |
39.0 |
36.5 |
5 |
GM Harikrishna, P. |
7.0 |
IND |
M |
2696 |
2698 |
+0.19 |
58.0 |
43.5 |
39.5 |
6 |
GM Ernst, Sipke |
7.0 |
NED |
M |
2560 |
2612 |
+0.76 |
56.5 |
42.25 |
38.0 |
7 |
GM Landa, Konstantin |
7.0 |
RUS |
M |
2632 |
2688 |
+0.79 |
56.0 |
42.75 |
39.5 |
8 |
IM Burg, Twan |
7.0 |
NED |
M |
2486 |
2512 |
+0.39 |
55.0 |
41.5 |
36.0 |
9 |
GM Ikonnikov, Vyacheslav |
7.0 |
RUS |
M |
2555 |
2572 |
+0.43 |
52.0 |
38.5 |
37.0 |
10 |
Mostertman, Milan |
7.0 |
NED |
M |
2280 |
2450 |
+2.12 |
48.0 |
36.0 |
34.5 |
11 |
FM Rijnaarts, Sjef |
7.0 |
NED |
M |
2354 |
2369 |
+0.38 |
45.0 |
32.5 |
32.0 |
12 |
IM Van Delft, Merijn |
6.5 |
NED |
M |
2415 |
2481 |
+1.05 |
54.5 |
36.0 |
36.0 |
13 |
GM Zhao, Xue |
6.5 |
CHN |
F |
2562 |
2523 |
-0.09 |
53.0 |
36.0 |
36.5 |
14 |
GM Reinderman, Dimitri |
6.5 |
NED |
M |
2598 |
2495 |
-0.83 |
51.5 |
35.0 |
36.0 |
15 |
Kerigan, Demre |
6.5 |
TUR |
M |
2257 |
2420 |
+1.62 |
50.0 |
34.75 |
33.0 |
16 |
IM Akshat, Khamparia |
6.5 |
IND |
M |
2354 |
2370 |
+0.43 |
48.0 |
31.75 |
34.0 |
17 |
IM Leenhouts, Koen |
6.5 |
NED |
M |
2379 |
2318 |
-0.38 |
46.5 |
31.5 |
33.0 |
18 |
WGM L'Ami, Alina |
6.5 |
ROU |
F |
2358 |
2309 |
-0.31 |
46.0 |
31.5 |
32.5 |
... 250 Spieler
Partien...
Abschließend bleibt festzuhalten, dass in Vlissingen wieder einmal ein sehr
spannendes, interessantes und schönes Urlaubs-Open ausgetragen wurde und ganz
bestimmt viele Spieler, Profis wie Amateure, nächstes Jahr sehr gerne wieder
kommen.
Bericht und Bilder von Gerd Densing
Internetlink zur Turnierseite:
www.hztoernooi.nl
Infos über Vlissingen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Vlissingen
Die Turnierberichte (Bulletins, in niederländisch), Tabellen, Paarungslisten,
weitere Fotos sowie Partien sind auf der Turnierseite verfügbar.