Schöner Schachevent auf Island

von Gerd Densing
20.03.2018 – Das Reykjavik Open, in diesem Jahr anlässlich seines 75sten Geburtstag zu Ehren von Robert Fischer ausgerichtet, erfreut sich nicht nur unter den Teilnehmern großer Beliebtheit. Auch für die politische Prominenz des Landes ist das Turnier von Bedeutung. Gerd Densing berichtet. (Fotos: Gerd Densing)

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Reykjavik 2018 – Abschlussbericht und Ausblick

Ein rundum gutes und schönes Schach-Event in Island

Das Reykjavik-Open 2018 ist zu Ende. Was bleibt vom diesjährigen Reykjavik-Open in Erinnerung? Das Turnier war dieses Jahr zu Ehren Bobby Fischers ausgerichtet worden. Dieses Jahr wäre Fischer 75 Jahre alt geworden.

Der Spieltisch von 1972

Gleichzeitig jährte sich sein Todestag zum 10. Mal. Das am Ruhetag ausgerichtete Fischer-Random-Schnellschachturnier erreichte unter den Spielern sehr große Beliebtheit.

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Ungewohnt beim Open war die Verkürzte Distanz von 10 auf 9 Runden sowie ein Tag mit Doppelrunde. Weitere Besonderheit war das beschleunigte Schweizer System bis einschließlich Runde 5. Im Nachhinein kann man vielleicht sagen, dass es seinen Zweck mehr oder weniger gut erfüllt hat. Für einen in der Startrangliste in der unteren Hälfte oben liegenden Spieler sollte jedoch vor Anmeldung klar sein, dass die Wahrscheinlichkeit, im Turnierverlauf auf einen Titelträger (IM/GM) zu treffen bei nahezu 0 liegt, während man bei „normalem Schweizer System“ dies auf jeden Fall gewährleistet ist.

Etwas ungewöhnlich ist auch die besondere Tiebreak-Wertung (Tie Break1: Direct Encounter (The results of the players in the same point group), Tie Break2: The greater number of victories (variable), Tie Break3: Most black). D.h. die sonst bekannte Buchholzwertung oder Fortschrittswertung spielten keine Rolle für die Platzierungen.

Positiv in Erinnerung bleibt das sehr schöne Rahmenprogramm (z.B. Blitzturnier, Fußballturnier, Backgammon-Turnier, Pub-Quiz) sowie die besonderen Veranstaltungen mit Bezug zu Fischer wie z.B. mehrere Lesungen sowie Touren.

Positiv in Erinnerung bleibt die Erreichung der ersten GM-Norm durch die stark auftrumpfende und überaus sympathisch auftretenden Diamante Cornette. Zudem ist sie im Abschlussranking auch ein paar Plätze vor ihrem Mann gelandet.

Für ein wenig Verwirrung sorgte bei der Siegerehrung der junge usbekische IM Nodirbek Abdusattorov, welcher die Annahme des GM-Norm-Zertifikats zunächst verweigerte. Er hat bereits seit Herbst 2017 alle erforderlichen GM-Normen zusammen und wird voraussichtlich im April beim nächsten FIDE-Treffen (Kongress) in Weißrussland zum GM ernannt werden. Der Veranstalter drängte ihn dennoch zur Annahme der Urkunde „in case of emergency“ (falls man bei den anderen Normen vielleicht im Nachhinein noch Fehler findet – was wohl ab und zu vorkommt – um mit einer zusätzlichen „Ersatznorm“ auf der sicheren Seite zu sein). Ein Foto mit dem jungen selbstbewussten Spieler gab es aber leider dennoch nicht.

Bester Jugendlicher wurde nach verhaltenem Turnierbeginn der junge indische GM Praggnanandhaa Ramesh, welcher als Belohnung neben einem Geldpreis auch den von Susan Polgar ausgelobten Sonderpreis, ein Stipendium für ein Studium in den USA im Rahmen des SPICE-Programms erhielt. Besonders in Erinnerung wird mir jedoch der junge indische IM Nihal Sarin bleiben.

Die besten Jugendlichen: Nodirbek Abdusattorov, Praggnanandhaa, Nihal Sarin

Bereits beim Fischer-Random-Simultan war ich schwer beeindruckt. Und im Turnierverlauf zeigte er zu Beginn und besonders zur Mitte hin sehr gutes Schach. Ich erinnere mich an eine kurze Aussage des türkischen GM Mustafa Yilmaz nach einem schweren und vielleicht schmeichelhaften Remis gegen Nihal gegenüber einem (GM) Berufskollegen. „Letztes Jahr war es noch kein so großes Problem, gegen ihn zu gewinnen. Dieses Jahr spielt er – gerade für sein Alter – einfach brilliant!“

Diesem Kommentar und der Einschätzung schließe ich mich gerne an. Nihal spielte gegen Ende des Turniers – u.a. zur Erreichung/Sicherung der GM-Norm – wohl nicht mehr kompromisslos auf (Turnier-) Gewinn und gab sich in der 8. Runde gegen seinen Landsmann Suri Vaibhav mit einem schnellen Remis zufrieden. In der Schlussrunde verlor er unglücklich gegen den stark aufspielenden jungen französischen GM Maxime Lagarde. Dennoch herzlichen Glückwunsch für eine Super-Performance und die hochverdiente GM-Norm. Er wird wohl jetzt ein paar Monate pausieren, weiter trainieren, die Schule besuchen und dann im Sommer in der Schachszene gestärkt zurückkommen und sicherlich bald die dritte GM-Norm und den Titel erhalten. In der Teilnehmerliste des Xtracon Opens in Helsingor im Juli habe ich ihn schon entdeckt.

Der Spielverlauf in Reykjavik zeigte, dass die beiden Top-Gesetzten 2700er-GMs Richard Rapport und Pavel Eljanov keineswegs einen leichten Stand hatten und ihrer Favoritenrolle nicht gerecht werden konnten. Open sind wohl immer eine besondere und große Herausforderung – auch für Top-GMs.

Harpa

Eine kleine Anekdote der Schlussrunde war, dass in der Harpa in einem der Obergeschosse ein relativ lauter – und unten im Turniersaal noch in erträglicher Lautstärke hörbarer – Soundcheck mit Musikinstrumenten (z.B. E-Gitarre) durchgeführt wurde. Vorsorglich wurden vor Rundenbeginn an jedem Brett ein Paar Ohrstöpsel verteilt („gleiche Bedingungen für alle“). Gefahr war dann allerdings mögliche Remisangebote ab Zug 31 zu „überhören“.

Das Turnier hat vor Ort wohl eine hohe politische Bedeutung. Während aus der Schachszene der ECU-Präsident GM Surab Asmaiparaschwili und WGM Susan Polgar zu Gast waren und Eröffnungszüge machen durften, kamen an fast jedem Tag Politiker (Ministerpräsident, Sportministerin, Kulturministerin, Bürgermeister der Stadt Reykjavik) zur Eröffnung der Partie an Brett eins und für Begrüßungsworte vorbei. Dazu dann noch der schachbegeisterte CEO des Hauptsponsors der Investmentfirma GAMMA.

Bezüglich Organisation, einschließlich Live-Übertragung etc. gibt’s nichts zu meckern. An viele kleine Details wurde gedacht, sei es an die kleinen goldfarbenen Anstecker für's Revers oder auch das in reichlicher Menge von einem der Sponsoren zur Verfügung gestellte Island-Wasser in hübschen kleinen Flaschen.

Und wie geht es weiter?

Während des Turniers wurde der Vertrag mit dem Hauptsponsor GAMMA für weitere drei Jahre verlängert und der Vertrag feierlich vor Beginn einer Runde vor Ort in der Harpa unterzeichnet. Ebenso wurde der Vertrag mit der Stadt Reykjavik zur Nutzung der Harpa für das Turnier verlängert. Wenngleich das Wetter dieses Jahr im März hervorragend war (fast ausschließlich schöne sonnige Tage), findet das Turnier nächstes Jahr, wie in 2017, wieder im April statt, und zwar vom 7. bis 17. April (bei frühlingshaftem etwas wärmerem Wetter). Der Veranstalter überlegt derzeit noch die Modalitäten, ob 9 oder 10 Runden, ob Doppelrunden gespielt werden und auch ob man erneut ein Fischer-Random-Schnellschachturnier abhält – was wohl sehr wahrscheinlich sein wird. Ebenso sind die Modalitäten („beschleunigtes Schweizer System“) offen.

Wer Lust auf „Island im Sommer“ hat und trotzdem parallel dort ein Schachturnier möchte, dem seien die diesjährigen isländischen Landesmeisterschaften ans Herz gelegt. Diese werden als offenes Turnier ausgetragen und Gäste aus Nah und Fern sind gemäß Veranstalter, des isländischem Schachverbandes, ausdrücklich herzlich willkommen.

Bei einer Fischer-Touren äußerte Turnierdirektor Gunnar Bjornsson, dass man sich mit Blick auf das 50-jährige Jubiläum des Matchs des Jahrhunderts 1972 (bzw. „Match für die Ewigkeit“ gem. Guðmundur G. Þórarinsson bei seiner Lunch Lecture) für das Jahr 2022 wohl etwas Besonderes einfallen lassen möchte. Man darf auf die Zukunft gespannt sein!

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Gerd Densing ist ein begeisterter Vereins- und Turnierspieler. Seine Eindrücke hat er in vielen Berichten auf der ChessBase-Nachrichtenseite festgehalten.

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