Interview mit GM Joel Lautier
Von Sagar Shah
Einleitung: Joel Lautier gehörte Anfang der 1990er zu den größten Talenten der Schachwelt. Er wurde am 12. April 1973 geboren und 1990 Großmeister, damals der jüngste der Welt. Außerdem ist er der jüngste Spieler, der je Juniorenweltmeister wurde (mit 15!), ein Rekord, der bis heute Bestand hat. Er hat gegen fast jeden erdenklichen Spitzenspieler seiner Zeit gewonnen und eine positive Bilanz gegen Garry Kasparov. Die beiden haben zehn Mal gegeneinander gespielt, einmal gewann Kasparov, zwei Mal Lautier. Lautier war maßgeblich an Kramniks Sieg im WM-Kampf gegen Kasparov 2000 in London beteiligt und half bei der Vorbereitung der Berliner Verteidigung. Lautier war auch der erste Präsident der Association of Chess Professionals. 2006 zog er sich vom Turnierschach zurück und wandte sich der Finanzwelt zu. Er machte schnell Karriere und ist zur Zeit CEO von RGG Capital, einem Unternehmen, das sich auf Fusionen und Übernahmen spezialisiert hat.
Zum ersten Teil des Interviews
Der zweite Teil des Interview bietet für jeden etwas. Der ambitionierte Schachspieler kann von Lautiers schillernden Kombinationen gegen Kotronias und Grischuk lernen. Eröffnungsexperten erfahren, wie die Berliner Verteidigung, die Variante, die 1.e4-Spielern zur Zeit am meisten Kopfzerbrechen bereitet, in die moderne Praxis eingeführt wurde. Außerdem erzählt Joel Lautier interessante Anekdoten über Anand, Carlsen und Ivanchuk. Lautier ist ein offener Interviewpartner ist und weicht keiner Frage aus - das hat zu einem lebhaften Gespräch geführt.
Der Ort des Interviews: Das Intercontinental Hotel auf der Twerskaja-Straße in Moskau
Sagar Shah: Beim Weltmeisterschaftskampf zwischen Kramnik und Kasparov in London 2000, den Kramnik gewonnen hat, warst du Sekundant von Kramnik. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Vladimir Kramnik (links) mit Yuri Dokhoian, lange Jahre Sekundant von Garry Kasparov, und Joel Lautier
Joel Lautier: Ich habe Kramnik das erste Mal 1992 getroffen, unmittelbar nach der Schacholympiade in Manila 1992, wo er mit 8,5 aus 9 sein Olympiadebüt gefeiert hat. Ein paar Monate später waren wir beide zu einem starken Turnier in Chalkidiki in Griechenland eingeladen. Unsere Partie war interessant. Ich stand beinahe auf Gewinn, aber am Ende wurde es Remis. Kramnik gewann das Turnier und wurde Erster, ich musste mich mit Platz zwei begnügen. Evgeny Bareev war mit uns beiden befreundet, und da ich regelmäßig nach Russland gefahren bin, um dort zu trainieren, trafen Vladimir und ich uns öfter und trainierten irgendwann gemeinsam. Wir wurden sehr gute Freunde.
Ernsthaft wurde unserer Trainingsprogramm, als feststand, dass er gegen Garry um die Weltmeisterschaft spielen würde. Das war im März 2000 und das in Amber Turnier in Monaco, in dem wir beide gespielt haben, ging gerade zu Ende. Vladimir meinte zu mir, "Also, ich spiele diesen Wettkampf gegen Kasparov. Das wurde soeben bestätigt und ich möchte, dass du mir hilfst." Natürlich habe ich diese Einladung gerne angenommen. Das war eine einzigartige Erfahrung. Als Sekundanten waren wir zu dritt. Miguel Ilescas und Evgeny Bareev waren die beiden anderen Sekundanten.
Die Art und Weise, wie Vladimir die gesamte Vorbereitung und den Wettkampf organisiert hat, ist ein Musterbeispiel dafür, wie man sich auf Weltmeisterschaften vorbereiten sollte. Er hat alles richtig gemacht. Man redet immer über Sun Tzus Die Kunst des Krieges. Ich glaube, wenn Vladimir ein Buch darüber schreiben würde, wie er sich auf den Wettkampf vorbereitet hat, dann wäre es viel besser als Sun Tzus Buch!
Er ging die Dinge extrem rational an. Er wusste ganz genau, wo seine Schwächen und seine Stärken lagen und ich glaube, er machte das Beste daraus. Ein wichtiger Aspekt des Wettkampfs war die Wahl der Berliner Verteidigung und wir leiden immer noch unter den Folgen dieser Entscheidung. Die Leute spielen diese verdammte Eröffnung immer noch! [lacht]
SS: Hast du damals geglaubt, dass die Berliner Verteidigung 15 Jahre später so populär sein würde?
JL: Das habe ich mir nicht träumen lassen! Wir hielten die Berliner Verteidigung für eine gute Überraschungswaffe. Vladimir ist über die Variante gestolpert, weil sie einige Kriterien erfüllte, die ihm bei der Wahl seines Eröffnungsrepertoires für den Wettkampf wichtig waren. Ein Kriterium war, Variante zu spielen, die Garry noch nie gespielt hatte. Das brachte ihm gewisse Vorteile bei der Vorbereitung, da das Match nur wenige Monate entfernt war.
Ein anderes Kriterium bestand darin, Eröffnungen zu spielen, die sich mit Garrys Stil nicht vertrugen. Wenn möglich, sollten sie Vladimirs Stil entgegenkommen. Vladimir geht sehr systematisch vor, wenn er einen klaren Plan hat und hat sich wirklich jede mögliche Eröffnung angeschaut, denn natürlich denkt man nicht sofort an die Berliner Verteidigung.
Ich weiß gar nicht mehr genau, wie er auf die Idee gekommen ist – vielleicht durch irgendeine Partie, die er gesehen hat, vielleicht durch irgendeine Blitzpartie. Doch dann meinte er, wir sollten uns die Variante ernsthafter anschauen. Am Anfang hielten wir die Eröffnung nicht für seriös genug, um sie in mehr als ein paar Partien zu spielen. Aber dann ist er tiefer in sie eingetaucht.
Das war auch deshalb eine interessante Zeit, weil Vladimir gerade etliche Trainingssitzungen mit Dolmatov, einem Meister der Verteidigung, absolviert hatte. Im Prinzip haben ihm die Trainingssitzungen gezeigt, wie man schlechtere Stellungen hält. So bewegte er sich im Wettkampf gewissermaßen auf vertrautem Gelände. Einen normalen Spieler widert es an, wenn er die Berliner Verteidigung spielen muss [lacht]. Leider hat Vladimir mich zum Verantwortlichen für diese Verteidigung gemacht. Ich habe monatelang unter dieser gräßlichen Eröffnung gelitten!
SS: Du selbst warst mit Schwarz ein eingefleischter Sizilianisch-Spieler. Bei einem Blick in die Datenbank habe ich gesehen, dass du in den 385 Partien, in denen man 1.e4 gegen dich gespielt hat, 303 Mal 1...c5 gespielt hast. Warum wurde dann gerade dir die Verantwortung für die Berliner Verteidigung übertragen?
JL: Wahrscheinlich wollte er sich irgendwie für irgendetwas rächen! [lacht] Ich habe keine Ahnung, warum Vladimir mir das angetan hat!
SS: Damals gab es noch keine starken Engines, oder?
JL: Die Engines waren damals viel schwächer als heute. Aber genau, ein weiteres wichtiges Kriterium bei der Wahl der Eröffnungen bestand darin, Eröffnungen zu spielen, die Engines nicht begreifen konnten, denn mit Engines zu arbeiten war eine Stärke von Kasparovs Team. Doch diese Eröffnung war schrecklich für die Engines. Die ganze Zeit haben sie gemeint, Weiß steht besser, aber dann stand Weiß plötzlich schlechter. Die Maschine hatte absolut keine Ahnung, was auf dem Brett vor sich ging. Wettkampfstrategisch war die Wahl der Berliner Verteidigung absolut brillant und hat mindestens zur Hälfte zu Vladimirs Sieg beigetragen.
SS: Wie hast du den Wettkampf alles in allem erlebt?
JL: Das war eine harte Erfahrung. Wir haben wie besessen gearbeitet und zugleich war alles sehr aufregend. Es gibt ein ausführliches Buch von Evgeny Bareev und Ilya Levitov über den Wettkampf (Red.: "From London to Elista" von New in Chess). Ich habe schöne Erinnerungen daran, denn das Ergebnis war großartig. Aber nachdem ich monatelang diese gräßliche Berliner Verteidigung analysiert hatte, konnte ich kein richtiges Schach mehr spielen. Mein erstes Turnier nach dem Wettkampf war der FIDE World Cup in Delhi und da habe ich gleich in der ersten Runde verloren. Ich brauchte eine Weile, bis ich wieder klar denken konnte. Aber natürlich war die Arbeit sehr nützlich, denn im Jahr darauf, 2001, habe ich sehr gut gespielt.
SS: Die Arbeit als Sekundant und die Vorbereitung auf den Wettkampf haben deinem Schach geholfen?
JL: Ja! In dem Moment, wo ich die Berliner Verteidigung nicht mehr sehen musste, ging es mir gleich viel besser! Aber ich habe die Variante noch ein paar Mal nach dem Match gespielt. Ein paar Jahre später habe ich sie sogar mit Weiß gespielt, ausgerechnet gegen Aronian. Er spielte die Variante gegen mich und ich gewann eine sehr gute Partie. Nachdem ich so viel Zeit damit verbracht hatte, mir diese elende Eröffnung mit Schwarz anzuschauen, freute ich mich über diese Revanche mit Weiß.
SS: Nach deinem Sieg gegen Garry 1994 hast du doch sicher das Ziel gehabt, mit ihm ein paar Jahre später um den WM-Titel zu spielen. Doch statt 2000 selber gegen ihn anzutreten, hast du als Sekundant für seinen Gegner gearbeitet. Was ist in diesen sechs Jahren passiert und warum hast du es nicht in die absolute Weltspitze geschafft?
JL: Zunächst einmal ist die absolute Weltspitze immer ein sehr kleiner Kreis. Und ich würde nicht sagen, dass ich meine ganze Karriere hindurch den Ehrgeiz hatte, Weltmeister zu werden. Irgendwann habe ich erkannt, dass dies sehr schwer sein würde. Also setzt man sich Ziele, die leichter zu erreichen sind. Vielleicht hätte ich ein wenig mehr aus meinen Chancen machen können, wenn ich härter daran gearbeitet hätte, ein paar meiner Defizite zu beseitigen.
Doch wie gesagt - ich war sehr unstet. Manchmal habe ich wirklich gut gespielt, aber dann manchmal auch nicht wirklich gut. Ich habe oft zu aggressiv und zu direkt gespielt. Aber eine genaue Antwort auf die Frage, was genau gefehlt hat, ist schwer. Hätte ich diese Antwort, dann hätte ich anders an diesen Schwächen gearbeitet. Ich war sehr ehrgeizig, als ich jung war. Wird man älter, wird man allmählich auch realistischer. Die Dinge sind nicht ganz so gelaufen, wie ich mir das gewünscht hatte. Dennoch - ich war eine Zeit lang unter den Top 20 und habe viele starke Turniere gewonnen. Alles in allem war es also keine schlechte Karriere!
SS: Was waren die größten Erfolge deiner Schachkarriere?
JL: Nun, ich würde sagen, meine Siege in Amsterdam, aber auch mein Erfolg in Ubeda. wo ich mit 1,5 Punkten Vorsprung gewonnen habe. Da waren viele starke Spieler wie Leko, Korchnoi, Khalifman usw. dabei. Ich habe auch in Enghien 1999 gewonnen und 2003 zusammen mit Svidler das Poikovsky Memorial in Siberien. Bei den Mannschaftseuropameisterschaften 2001 habe ich die beste Performance erzielt und im gleichen Jahr bin ich bis ins Viertelfinale der FIDE-Weltmeisterschaften gekommen. Außerdem habe ich die Juniorenweltmeisterschaft gewonnen und wurde zwei Mal Französischer Meister. Das sind schon eine Menge denkwürdiger Erfolge.
SS: Und was sind die besten Partien, die du gespielt hast?
JL: Da müsste ich mir meine Partien noch einmal anschauen (lacht). Es ist schon eine Weile her, seit ich das getan habe. Aber schauen wir einmal. Aus meiner Anfangszeit habe ich lebhafte Erinnerungen an meine Partie gegen Kotronias in Sotschi 1989, in der ein ähnliches Motiv wie in der Partie Botvinnik-Capablanca, AVRO 1938, zum Tragen kam. Das war eine Partie, die mir gefallen hat.
Mir sind auch ein paar sehr schöne Siege gegen Schwergewichte wie Anand, Karpov, Leko, Topalov und vielen anderen gelungen. Ich erinnere mich auch noch an ein interessantes Turmopfer aus einer Partie gegen Grischuk aus dem Turnier in Poikovsky 2004. Ich schien total auf Verlust zu stehen, aber dann habe ich ein wunderbares Turmopfer gefunden, das zum Dauerschach geführt und die Partie gerettet hat.
[Event "Sochi-A"] [Site "Sochi"] [Date "1989.??.??"] [Round "?"] [White "Lautier, Joel"] [Black "Kotronias, Vasilios"] [Result "1-0"] [ECO "A14"] [WhiteElo "2465"] [BlackElo "2475"] [Annotator "Sagar Shah"] [PlyCount "81"] [EventDate "1989.01.??"] [EventType "tourn"] [EventRounds "15"] [EventCountry "URS"] [EventCategory "10"] [SourceTitle "CBM 016"] [Source "ChessBase"] [SourceDate "1990.06.01"] 1. c4 e6 2. Nf3 d5 3. g3 Nf6 4. Bg2 Be7 5. O-O O-O 6. b3 c5 7. e3 Nc6 8. Bb2 d4 9. exd4 cxd4 10. Re1 Ne8 11. d3 f6 12. Na3 e5 13. Nc2 Nc7 14. Qd2 a5 15. a3 Na6 16. b4 $1 {The first unexpected move of the game. One has to simply bow down to the amazing concept of Lautier.} axb4 17. axb4 Ncxb4 18. Nfxd4 $1 {White picks up the central pawn. But what exactly is happening after exd4?} exd4 19. Ba3 $3 {Such an unusual theme. As Joel said, it reminds us of the game Botvinnik vs Capablanca. It is so difficult to see that the knight on b4 cannot be saved at all. Objectively the position is about even but when your opponent plays such an idea, you are bound to falter.} Nxc2 $1 {Kotronias makes the best move in the position.} 20. Bxe7 Qxe7 $2 (20... Nxe1 $1 {would have given Black excellent chances of maintaining equality after something like } 21. Bxd8 Nxg2 {The knight on g2 is trapped as of now. So White should save his bishop on d8.} 22. Bb6 Bh3 23. Bxd4 $11 {Black has a rook and two pieces for the queen. But his knight on g2 is stuck and the bishop h3 is also stuck defending the knight on g2. Maybe this wasn't something that Kotronias liked. But objectively the position is about even.}) 21. Rxe7 Nxa1 22. Qa5 $1 Nb3 23. Qd5+ Kh8 24. Qf7 Rg8 25. Re8 Be6 26. Rxg8+ Rxg8 27. Qxe6 {White has extra material and the rest is pretty easy.} Nac5 28. Qb6 h6 29. Bh3 Re8 30. Bf5 Kg8 31. Bg6 Rc8 32. Kg2 Kh8 33. Bf5 Re8 34. Bg4 Re5 35. Qd8+ Kh7 36. f4 f5 37. fxe5 fxg4 38. Qd6 Nxd3 39. e6 Ne1+ 40. Kf1 Nf3 41. Qf4 1-0
Joel Lautier - Alexander Grischuk, Poikovsky 2004
Grischuk (Schwarz) hatte eine sehr gute Stellung. Grischuk hat seinen Turm soeben von b7 nach e7 gezogen, was jedoch ein Fehler war. Wie würden Sie den schwarzen Fehler bestrafen? Lautier (Weiß) zieht und hält Remis.
Wir empfehlen Ihnen, die Stellung auf dem Brett aufzubauen und die Varianten bis zum Ende auszuarbeiten, genau wie Joel es während der Partie getan hat. Ich habe diese Stellung vielen Freunden gezeigt, und sie alle waren der Meinung, die Stellung sei ideal, um die Variantenberechnung zu verbessern. Das ist der Grund, warum die Lösung mit Hilfe von Trainingsfragen angezeigt wird. Wenn Sie glauben, die richtige Antwort gefunden zu haben, dann können Sie den entsprechenden Zug auf dem Brett ausführen und sich durch das Dickicht der Varianten arbeiten. Wenn Sie sich die Lösung anzeigen lassen wollen, dann klicken Sie auf den Link mit der Lösung.
[Event "Poikovsky Karpov 05th"] [Site "Poikovsky"] [Date "2004.03.24"] [Round "7"] [White "Lautier, Joel"] [Black "Grischuk, Alexander"] [Result "1/2-1/2"] [ECO "E58"] [WhiteElo "2676"] [BlackElo "2719"] [Annotator "Sagar Shah"] [SetUp "1"] [FEN "2Q5/1r4k1/5ppp/3q4/3PpRP1/4P1BP/1r4P1/6K1 b - - 0 42"] [PlyCount "13"] [EventDate "2004.03.17"] [EventType "tourn"] [EventRounds "9"] [EventCountry "RUS"] [EventCategory "18"] [SourceTitle "CBM 100"] [Source "ChessBase"] [SourceDate "2004.06.01"] 42... Re7 $2 {[%tqu "What should White play?","","",Rxf6,"Well done if you made this move. But the first move is not enough! A huge number of variations await you!",10]} 43. Rxf6 $3 $11 {A brilliant sacrifice which helps White to secure the draw. Well done if you made this move. But the first move is not enough! A huge number of variations await you!} Kxf6 {[%tqu "White has to be accurate here. Which check would you like to give?","","",Qf8+,"",10,Qh8+, "This unfortunately losses.",0]} 44. Qf8+ {The correct move!} (44. Qh8+ Kf7 45. Qh7+ Ke8 46. Qh8+ Kd7 $19 {And the black king is safe.}) 44... Ke6 {The trickiest move.} (44... Qf7 $2 {This natural retreat is infact the worst of all the options.} {[%tqu "","","",Bh4+,"Bravo! The bishop joins in",10,Qh8+,"", 0]} 45. Bh4+ $1 {This check is quite easy to miss or discard, simply thinking that g5 will block everything.} (45. Qh8+ $2 {This losses quite simply.} Qg7 46. Be5+ Rxe5 $1 47. dxe5+ Kf7 48. e6+ Kf6 $19) 45... g5 (45... Ke6 {This move loses.} 46. Qc8+ Kd6 (46... Rd7 $2 47. Qc6+ Rd6 48. d5+ Ke5 49. Bg3+ $18) 47. Bg3+ Re5 (47... Kd5 48. Qc5+ Ke6 49. Qd6#) 48. Bxe5+ Ke7 49. Qc7+ $16) 46. Qxh6+ Qg6 {[%tqu "What will you play?","","",Bxg5+,"",10]} 47. Bxg5+ {Pinned pieces do not move!} Kf7 48. Qxg6+ Kxg6 49. Bxe7 Re2 50. d5 Rxe3 51. Kf2 Rd3 52. d6 $16 {Bishop and three pawns for a queen should be good enough to win.}) (44... Rf7 {[%tqu "What is the only way to draw?","","",Be5+,"",10]} 45. Be5+ { This one is a easy draw.} Ke6 (45... Kg5 46. Bf4+ Kf6 (46... Rxf4 $2 47. Qxf4+ Kh4 48. g5+ Kh5 49. Qg4#) 47. Be5+ $11) 46. Qe8+ Re7 47. Qg8+ $11) 45. Qg8+ Rf7 46. Qe8+ Re7 {Grischuk agrees to a draw. But what happens to Kf6.} (46... Kf6 { Diagram [#]} {[%tqu "How do you plan to continue?","","",h4,"The only way to make a draw. The idea now is Be5. The most difficult part about the move is to actually decide on it at this very point. And to understand that Black can do simply nothing.",10,Be5+,"",0]} 47. h4 $3 {The only way to make a draw. The idea now is Be5. The most difficult part about the move is to actually decide on it at this very point. And to understand that Black can do simply nothing.} (47. Be5+ $2 Kg5 $19 {There is absolutely no way for White to catch the black king.}) 47... Re7 (47... Kg7 48. Be5+ Rf6 49. g5 $18) 48. Qf8+ Rf7 (48... Qf7 $2 {With the insertion of h4 this turns out to be suicidal.} 49. Qh8+ Qg7 ( 49... Ke6 50. Qe5+ Kd7 51. Qc7+ $18) {[%tqu "Can you see the entire variation that leads to a win now?","","",Be5+,"This works perfectly now.",10]} 50. Be5+ $1 {This works perfectly now.} Rxe5 51. dxe5+ Kf7 {[%tqu "Don't let the Black king escape.","","",e6+,"The checks keep coming.",10]} 52. e6+ {The checks keep coming.} Kf6 {[%tqu "Time to finish it all off.","","",g5+,"And the final one to end the game.",10]} 53. g5+ $18 {And the final one to end the game.}) 49. Be5+ (49. Qe8 $11) 49... Ke6 50. Qe8+ Re7 51. Qg8+ $11) 47. Qg8+ Rf7 48. Qe8+ Re7 {Amazing bit of defensive calculation by Joel. You can try using this position as training material with your friends. You will be surprised to see how many of them get caught in the branches of variations and are unable to calculate accurately.} 1/2-1/2
SS: 2005 hast du in der vierten Runde des World Cups gegen Magnus Carlsen gespielt. Welchen Eindruck hat er auf dich gemacht?
JL: Er war schon damals sehr stark. In unserem Match war eine Partie ganz entscheidend. In der ersten Partie habe ich ohne große Probleme mit Schwarz Remis gemacht, und in der zweiten Partie habe habe ich die Stellung mit Weiß misshandelt und er hat ziemlich genau gespielt. Nichts Außergewöhnliches, aber er hat gut gespielt. Sein Talent war offensichtlich.
Da habe ich erkannt, dass er in den kommenden Jahren zu den Top-Spielern zählen würde. Natürlich kann mal etwas schief gehen, aber meistens erreichen Spieler mit einem solchen Talent und von solchem Kaliber das Ziel! Bei Magnus hatte ich das gleiche Gefühl, das ich hatte, als ich den 16-jährigen Kramnik sah. Oder auch Vishy. Anand ist etwas älter als ich. Wir haben uns das erste Mal 1988 getroffen, damals war er um die 19. Aber er spielte bereits sehr eindrucksvoll.
SS: Das ist das Stichwort. Wir haben bereits über Kasparov, Kramnik und jetzt Magnus gesprochen, aber in dieser Aufzählung von Weltmeistern fehlt noch ein Name. Erzähl uns etwas über Vishy und wie du ihn als Spieler siehst.
Sitzend, von links nach rechts: Mikhail Tal, Joel Lautier, Vishy Anand; stehend von links nach rechst: Bent Larsen, Viktor Korchnoi, Garry Kasparov, Bessel Kok, Jan Timman, Boris Spassky
JL: Vishy allein verkörpert eine ganze Schachperiode! In der ganzen Zeit war er unglaublich konstant. Ich finde das wirklich erstaunlich. Und das gelingt ihm auch noch im ehrbarem Alter (lacht). Ich glaube, das ist es, was ich wirklich an ihm bewundere. Er hat nicht den schwierigen Charakter, den Kortschnoi hat, und er forciert nichts, aber er schafft es, weiterhin konstant auf einem sehr hohen Niveau zu spielen. Ich glaube, er genießt den Prozess des Schachspielens einfach, er hat immer noch Freude am Spiel, ganz egal, wie stark die Konkurrenz ist. Das zeichnet ihn aus und ist sein Schlüssel zum Erfolg.
Der junge Vishy war offensichtlich ein Rohdiamant. So viele komplizierte Dinge beherrschte er mit Leichtigkeit. Er musste nur auf seinen Händen sitzen. Als er dann noch die nötige Reife hatte - irgendwann Anfang der 90er - entwickelte er sich zu einem spektakulären Spieler. Er hatte eine wunderbare Karriere und Vishy verdient jede Menge Respekt.
Ich möchte zwei kleine Geschichten über ihn erzählen. Vor langer Zeit, 1988, haben Vishy und ich beim GMA-Open in Belgrad gespielt. Ein Freund von mir, der amerikanische Großmeister Michael Wilder, der das Schach später aufgegeben hat, um erfolgreicher Anwalt zu werden, hatte bei einer Partieanalyse von Vishy zugeschaut und war von Vishys taktischen Fähigkeiten und seiner schnellen Variantenberechnung vollkommen in den Bann geschlagen. Als er mich mitten in seinem überschwänglichen Bericht die Stirn runzeln sah (wie gesagt, ich war als Teenager sehr ehrgeizig und erfolgsorientiert) sagte er gütig: “Keine Sorge, Joel, du bist auch sehr stark und wirst eines Tages 2650 Elo haben.” Aber nach einer kurzen Pause konnte er sich dann nicht mehr beherrschen und fügte hinzu: “Aber Anand kommt mit Sicherheit auf 2750!” Nun, was soll ich sagen, seine Vorhersage war ziemlich genau.
Die zweite Geschichte ereignete sich ein paar Jahre später, 1992. Vishy war in Moskau zu Besuch und Evgeny Bareev lud ihn für einen Tag in unser Trainingslager in einem Vorort von Moskau ein. Wenn etliche Großmeister im gleichen Raum sind, dann führt das oft zu einem Blitzturnier und genau das geschah auch hier.
Vishy war in brillanter Form und versohlte Evgeny und mich nach Strich und Faden. Ich war ein ganz guter Blitzspieler, doch das war eine peinliche und schockierende Erfahrung, die ich bis heute nicht vergessen habe. Als Vishy beim Abendessen sah, wie geknickt wir aussahen, meinte er lächelnd: “Macht euch nicht zu viele Gedanken, Jungs, was ich heute mit euch im Blitzen gemacht habe, macht Chucky (Vassily Ivanchuk) normalerweise mit mir.” Das Seltsame ist, ich glaube nicht, dass er gescherzt hat!
SS: Wunderbare Anekdoten! Joel, 2003 hast du die Association of Chess Professionals gegründet. Welche Motivation stand dahinter?
JL: Wir erlebten die Nachwirkungen des Zusammenbruchs von der GMA und der PCA. Es gab eine Art Lücke und mit der ECU und der FIDE liefen die Dinge nicht gut. Manche Spieler waren es Leid, dass ihre Meinung zu bestimmten Themen nie beachtet wurde. Auslöser war irgendeine Europameisterschaft, die schlecht organisiert war. Die Unzufriedenheit war groß. Wir haben uns gefragt, ob man nicht etwas tun kann und haben die Association of Chess Professionals gegründet.
Damals war die Schachwelt noch gespalten. Es gab zwei Versionen des Weltmeistertitels. Das könnte auch der Grund gewesen sein, warum Kramnik so sehr daran interessiert war, bei der Gründung der ACP dabei zu sein. Im Prinzip brauchte er einen sicheren Hafen, den er anlaufen konnte. Er stand nicht auf Seiten der FIDE und die Zukunft der Organisation, die den Wettkampf mit Garry möglich gemacht hatte, war unklar. All diese Gründe kamen zusammen und wir haben einfach angefangen.
Offizielles Meeting der ACP 2004: Lautier mit Tregubov, Kramnik und Svidler (Foto: Frederic Friedel)
Allmählich nahm die Organisation dann Formen an. Ich wurde zum Präsidenten gewählt und das war eine sehr interessante Erfahrung, die mich auf meine spätere Arbeit, die nichts mit Schach zu tun hatte, vorbereitet hat - mich um Probleme der Leute kümmern und alle möglichen organisatorischen Fragen lösen. In gewisser Weise ist das Leben als Schachprofi sehr einfach. Man hat volle Kontrolle über das eigene Leben und gibt sein Bestes, aber man muss niemandem Rechenschaft ablegen. Doch sobald man Teil einer Gruppe wird, ändern sich die Dinge grundlegend. Dann hat man eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen und für diese Aufgabe ist man verantwortlich. Für Schachspieler ist das Neuland.
Ich glaube, viele Schachspieler begreifen nicht immer, dass sie nicht in einem Vakuum leben. Sie müssen das in ihr Denken integrieren, und zwar so, dass sie die anderen Interessenvertreter des Spiels besser unterstützen: natürlich die Organisatoren und Sponsoren, aber auch die Journalisten und das Publikum, das sie manchmal vernachlässigen. Ich habe das Schachgeschehen in der letzten Zeit nicht verfolgt, aber hoffe, die Dinge haben sich zum Besseren entwickelt. Aber in der Vergangenheit gab es Konflikte, bei denen ein Teil der Probleme meiner Ansicht nach auch durch die Spieler verursacht wurde. Sie haben nicht immer verstanden, was es mit sich bringt, ein Schachturnier zu organisieren und Sponsoren zu gewinnen. So war meine Arbeit als ACP-Präsident eine nützliche Erfahrung.
Einer der Höhepunkte dieser Periode war vielleicht, dass der nächste WM-Kampf - Kramnik gegen Leko - mit Hilfe der ACP organisiert wurde und man Sponsoren fand. Eine gute Leistung. Ein anderer entscheidender Moment kam, als der World Cup in Lybien organisiert wurde. Ich war Präsident der ACP und hatte eine klare Haltung: solche Turniere dürfen nie an Orten stattfinden, wo manche Spieler wegen ihrer Nationalität daran gehindert werden, teilzunehmen.
Das betraf die israelischen Spieler. Sie konnten nicht nach Lybien fahren. Gaddafi als Sponsor zu haben, ist nicht das Beste, was dem Schach passieren kann. Ich brachte meine Haltung sehr klar und deutlich zum Ausdruck. Ich habe viele offene Briefe an die FIDE und vor allem an Ilyumzhinov geschrieben. Ich habe auf die Teilnahme verzichtet, obwohl ich mich qualifiziert hatte, und eine Reihe von Spielern haben uns unterstützt, weil wir die Association of Chess Professionals gegründet hatten, und sie das Gefühl hatten, sie hätten die Pflicht, ihren Kollegen zu helfen. Dies waren die wichtigen Turniere, bei denen die Organisation mehr Gewicht bekam. Als ich mit dem Schach aufhörte, verließ ich auch die ACP, aber ich bin froh, dass es die ACP noch gibt, und dass sie in der Schachwelt eine Rolle spielt.
SS: Man könnte sagen, du bist einer der Hauptgründe, warum es die ACP heute gibt!
JL: Ja, aber ich war nicht der Einzige. Wenn ich mich recht erinnere, dann hatten wir am Anfang ein Gremium, das aus fast zehn Leuten bestand. Wir haben ein ganzes System entwickelt, das in vielen Fällen vom Tennis inspiriert war, wo man Punkte in Qualifikationsturnieren, die den Auftakt für Hauptturniere bilden, gewinnt. Die Einzelheiten haben wir selber entwickelt. Pavel Tregubov war die treibende Kraft dabei. Der ACP-Zyklus gipfelte in einem Masters-Turnier, in dem alle, die Punkte in einer ganzen Reihe von Turnieren gewonnen hatten, zur Teilnahme berechtigt waren. Und unser erstes Turnier dieser Art wurde Dank der Unterstützung von Vadim Morokhovsky (er war Besitzer einer ukrainischen Bank) in Odessa gespielt.
In diesen beiden Jahren, in denen ich Präsident war, haben wir teilweise hervorragende Arbeit geleistet, vor allem, wenn man bedenkt, dass all dies freiwillig war und keiner von den Mitgliedern des ACP-Boards auch nur einen einzigen Cent für seine Anstrengungen bekommen hat. Ich bin froh, dass die ACP jetzt von Emil Sutovsky geleitet wird und weiter eine Rolle im Spitzenschach spielt.
SS: Glaubst du nicht, dass dich die Arbeit für die ACP vom Schach abgehalten hat, dass du mehr Zeit gehabt hättest, um dein Schach zu verbessern anstatt für die Organsiation zu arbeiten?
JL: Natürlich hat das viel Zeit gekostet. Ich habe viel Zeit mit der Arbeit für die ACP verbracht und in dieser Zeit hätte ich auch spielen oder trainieren können. Andererseits habe ich viele nützliche Erfahrungen gemacht: wie es ist, Organisator zu sein, mit anderen Menschen zu verhandeln, Menschen zu führen, Probleme zu lösen, Kompromisse zu finden, die die Dinge voran bringen, etc. Später, in der Geschäftswelt, war ich sehr froh, diese Erfahrungen gemacht zu haben.
SS: Was genau hat dich dazu gebracht, 2006 mit dem Schach aufzuhören?
JL: Eine Reihe von Faktoren. Zunächst einmal habe ich seit meinem dritten Lebensjahr Schach gespielt. Ich hatte fast alles schon erlebt und gesehen - ich hatte in Spitzenturnieren gespielt, ich kannte alle Spitzenspieler und hatte die meisten von ihnen mindestens einmal geschlagen.
Außerdem hatte ich fast alle Rollen ausprobiert, die das Schach bietet: Ich war Journalist, Trainer, Turnierorganisator, Vize-Präsident des Französischen Schachverbands, Mitbegründer und Präsident der ACP, usw. Ich hatte den Wunsch, etwas Neues zu entdecken. Ich wollte die nächsten zwanzig Jahre nicht immer zu den gleichen Orten fahren und die gleichen Dinge tun. Außerdem habe ich an meine Zukunft gedacht.
Schach ist nicht besonders gut bezahlt. Ich hatte ein ordentliches Einkommen, aber Schach ist eine dieser Tätigkeiten, bei der das Einkommen sinkt, wenn man älter wird, und das ist keine wirklich schöne Vorstellung. Ich wollte Familie und Kinder haben, wie eine ganz normale Person. Und ich dachte, ich sollte ihnen mehr Sicherheiten bieten. Aber in erster Linie wollte ich etwas Anderes ausprobieren und sehen, ob ich auch dort Erfolg haben würde. Als ich mit dem Schach aufgehört habe, war ich 33 Jahre alt, und mir war klar, dass ich nicht den Luxus haben würde, noch ein paar Jahre zu warten, um mir dann einen anderen Beruf zu suchen. Dieser wichtige Zug musste schnell gemacht werden. Wie man im Blitz sagt: "Mein Fähnchen hing bereits!”
SS: Was genau machst du jetzt beruflich?
JL: Ich bin Investmentbanker. 2009 habe ich meine eigene Firma gegründet und wir machen Finanzberatungen für Unternehmen. Wir beraten bei Fusionen und Übernahmen, bei der Kapitalaufnahme, der Durchführung von Joint Ventures, beim Anlagevermögen und all diesen Dingen. Und wir arbeiten mit russischen und ausländischen Firmen. Unsere Hauptgeschäftsfelder sind in Russland und in Europa.
SS: Du hast gesagt, dass du die Schule abgebrochen hast. War das nie ein Problem bei einer so technischen Sache wie Fusionen und Übernahmen und solchen Dingen?
JL: Das wäre mit Sicherheit ein Hemmschuh gewesen, wenn ich in Frankreich geblieben wäre. Denn Frankreich ist ein altmodisches Land, und wenn man nicht die "richtige" Schule besucht hat, dann will niemand ein Risiko eingehen und dir eine Chance geben. Vielleicht sind sie von deiner Schachkarriere beeindruckt, aber das heißt nicht, dass sie dir einen Job geben, beileibe nicht. In dieser Hinsicht ist das moderne Russland ein junges Land. Hier gibt es viel Energie und die Leute wollen neue Dinge ausprobieren. Natürlich hatte ich hier viel bessere Chancen, noch einmal neu anzufangen. Aber ich muss sagen, dass die Übergangsperiode ziemlich hart war.
Eine russische Consulting-Firma namens Strategy Partners, die Strategieberatung wie Boston Consulting oder McKinsey macht, bot mir einen Job an. Ich hatte ein Abkommen mit dem Gründer der Firma, Alexander Idrisov, der mir schnelles Vorwärtskommen versprach, wenn ich mich bewähren sollte und meine Arbeit gut machen würde.
Damals kannte ich mich in der Geschäftswelt noch nicht besonders gut aus. Ich hatte gerade mit dem Schach aufgehört, nicht wahr? Etwa zwei Jahre lang musste ich arbeiten wie verrückt, mehr als je zuvor in meinem Leben. Auch psychologisch war das nicht immer leicht. Ich war 33 Jahre alt und musste 25-jährigen berichten, die in der Hierarchie weit über mir standen. Aber ich habe immer schnell gelernt und fand mich auch dieses Mal zurecht.
Nach ungefähr zwei Jahren war ich bereits in einer Position, in der ich interessante Dinge tun konnte. Nach zweieinhalb Jahren übernahm ich Fusionen und Übernahmen in meiner Firma und wir einigten uns mit den Partnern, dass wir diese Abteilung auslagern und ein eigenständiges Unternehmen gründen sollten. Das nannten wir “RGG Capital”, denn unser Slogan lautete damals “Russia Goes Global”. Den Partnern gefiel das und sie überließen mir die Leitung. Und das Unternehmen hatte Erfolg. Nach einer Weile war ich so eng mit dem Unternehmen verbunden und sie waren mit anderen Dingen so beschäftigt, dass wir uns darauf einigten, dass ich ihre Anteile aufkaufen konnte. Das habe ich gemacht und bin jetzt der alleinige Eigentümer meiner Firma. Aber ich den Partnern der Firma sehr dankbar, vor allem Alexander Idrisov, der mir diese Chance zu Beginn meines neuen Berufslebens gegeben hat.
SS: Eine erstaunliche Karriere! Aber vermisst du das Schach nicht?
JL: Nun, ich vermisse es, aber auf gute Art. Ich habe all diese schönen Souvenirs von den Reisen, die ich gemacht habe. Es ist schön, sich an diese Momente zu erinnern. Aber mir gefällt die Arbeit, die ich jetzt mache, und ich bedaure den Wechsel nicht eine Minute. Schach war eine phantastische Erfahrung und ich bin glücklich, all die Leute getroffen zu haben, die ich im Schach getroffen haben, und ich freue mich, dieses Leben gelebt zu haben, aber ich glaube ich, dass es absolut in Ordnung ist, in seinem Leben etwas Neues zu tun.
SS: Hältst du Kontakt zu deinen Schachfreunden?
JL: Ja. ich versuche mit dem Schach und meinen Freunden so gut in Verbindung zu bleiben, wie es geht. Natürlich gehe ich nicht mehr zu Turnieren, es sei denn, sie finden genau hier in Moskau statt. Mit einigen Spielern habe ich über die Jahre Kontakt gehalten, aber meine Eröffnungen sind vollkommen veraltet!
SS: Hast du Pläne, zum Schach zurückzukehren?
JL: Nein, nicht ernsthaft! Aber vielleicht spiele ich ein Turnier in schöner Umgebung, in der Nähe von Strand und Meer, einfach aus Spaß.
SS: Also keine Pläne, die Schachkarriere noch einmal ernsthaft wiederzubeleben?
JL: Nein, auf keinen Fall!
SS: Joel, verrat uns etwas über dein Privatleben.
JL: Meine Frau Alissa ist Russin und spielt überhaupt kein Schach. Ich habe sie in Moskau getroffen, ein gemeinsamer Freund hat uns miteinander bekannt gemacht. Ich war damals gerade auf dem Weg zum World Cup in Khanty Mansiysk 2005. So fing alles an. Etwa anderthalb Jahre später, 2007, haben wir geheiratet. Jetzt haben wir einen Sohn und eine Tochter. Unsere Tochter Naomi ist fast fünf Jahre alt und unserer Sohn David ist etwas über ein Jahr alt. Er macht schon jetzt gerne Witze und Scherze, und das passt, denn er wurde am 1. April geboren!
Joel mit seiner Frau Alissa
Joel und Alissa mit ihrer kleinen Tochter Naomi
Die fünf-jährige Naomi
Alissa mit David, der ein Jahr und vier Monate alt ist.
SS: Du bist Großmeister, hast eine ganze Reihe von Turnieren gewonnen, warst ACP-Präsident und leitest jetzt ein eigenes Unternehmen. Eine Sache sollten wir jedoch nicht vergessen: du bist auch FIDE Senior Trainer. Wie kam es dazu?
JL: Ich habe ja bereits gesagt, dass ich das Vergnügen hatte, fast alle mögliche Berufe auszuprobieren, die das Schach zu bieten hat [lacht]. Als ich 17 war, habe ich als Journalist aus New York über den WM-Kampf 1990 zwischen Kasparov und Karpov berichtet. Damals hatten wir in Frankreich etwas namens Minitel, eine Vorläufer des Internets, und dort gab es eine Schachseite, auf der über Turniere berichtet wurde. Die haben mich nach New York geschickt.
Ich habe als Schachkommentator gearbeitet. Ich war Kapitän der Französischen Nationalmannschaft. Und ja, ich habe eine Urkunde, die mir bescheinigt, FIDE Senior Trainer zu sein. Ich glaube, die habe ich bekommen, weil ich Vladimir geholfen habe, Garry zu schlagen. Ein anderer Grund fällt mir nicht ein, denn Vladimir ist der einzige Spieler, dem ich je als persönlicher Trainer geholfen habe! Nachdem Vladimir Weltmeister geworden ist, hat mich ein Journalist einmal gefragt, wie man ein guter Trainer wird. Ich sagte ihm: "Ganz einfach. Man sucht sich den richtigen Spieler aus!"
Joel Lautier unterstützt das ChessBase Team (Frederic Friedel und Mig Greengard) bei der Internetkommentierung des Wettkampfs zwischen Kasparov und X3D Fritz in New York 2004
SS: Gibt es noch einen Rat oder etwas, was du jungen Schachspielern abschließend mit auf den Weg geben möchtest?
JL: Ich glaube, man sollte sich im Klaren darüber sein, was man vom Schach will. Und ich glaube, darüber sollte man sich so früh wie möglich im Klaren sein. Entweder man betreibt das Schach ernsthaft und dann sollte man sich wirklich anstrengen, um zu sehen, wie weit man kommt. Oder Schach ist einfach ein unterhaltsames Hobby, eine schöne Art, seine Zeit zu verbringen, aber nicht wirklich etwas, das einen lohnenswerten Zielen näherbringt. Mein Rat lautet, sich nicht einfach treiben zu lassen, sondern zu wissen, wohin die Reise geht.
SS: Man sollte sich also stets im Klaren darüber sein, ob man Schachprofi werden will oder nicht?
JL: Auch wenn man sich dafür entschieden hat, Profi zu werden, dann sollte man die eigene Situation regelmäßig überprüfen. Man sollte sich immer wieder Fragen stellen: mache ich Fortschritte, habe ich noch Spaß am Schach, usw.
SS: Viele Leute machen einfach so weiter, weil sie träge sind...
JL: Ja, genau. Das meine ich. Und Trägheit aus ist schlecht. Denn 20 Jahre später wacht man auf und für Änderungen ist es zu spät. Tief im Inneren kennt man die Antwort immer. Mache ich etwas, das ich wirklich machen will? Kann ich mir vorstellen, das für den Rest meines Lebens zu machen? Und wenn, wie Steve Jobs einmal gesagt hat, die Antwort an zu vielen Tagen hintereinander "Nein" lautet, dann weiß man, dass man etwas ändern muss.
SS: Und sagt dein Geist "Ja" zu deinem aktuellen Beruf?
JL: Ich bleibe definitiv im Finanzgeschäft. Vielleicht mache ich da etwas anderes. Oder ziehe sogar an einen anderen Ort! [lacht].
SS: Wenn man sich deinen bisherigen Lebensweg anschaut, kann man nur sagen, die Wahrscheinlichkeit dafür ist groß! Vielen Dank für deine Zeit und das Interview!
Joel Lautier - Schulabbrecher, Spitzenspieler und erfolgreicher Geschäftsmann