Schweizer Käse oder Caro-Kann á la Lasker

von Stephan Oliver Platz
07.02.2018 – Emanuel Lasker war 27 Jahre lang Weltmeister, länger als jeder andere Spieler vor oder nach ihm. Er veröffentlichte im Laufe seiner Karriere zahlreiche Bücher und Artikel über Schach und andere Themen, aber im Schach war er vor allem Praktiker und weniger Theoretiker. Wie auch sein Verhältnis zur Caro-Kann Verteidigung zeigt. (Foto: Cleveland Public Library)

Master Class Band 5: Emanuel Lasker Master Class Band 5: Emanuel Lasker

Auf dieser DVD zeigen unsere Autoren alle Facetten des Spiels von Emanuel Lasker, der von 1884 bis 1921 Weltmeister war, länger als jeder andere vor oder nach ihm: Eröffnungen, Strategie, Taktik und Endspiele!

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Theorie und Praxis: Laskers Empfehlungen gegen Caro-Kann

Der Schweizer Käse ist bekannt für seine Löcher. Löcher gibt es auch in zahlreichen Eröffnungsvarianten, sogar wenn sie von Groß- oder gar Weltmeistern stammen. Ein hübsches Beispiel dafür fand ich in einer von Dr. Emanuel Lasker angegebenen Variante der Caro-Kann-Verteidigung. In anderen Fällen traf der legendäre Steinitz-Bezwinger (WM 1894 und 1896) aber genau das Richtige, wenn er selbst gegen diese Eröffnung spielte.

Laskers zweifelhafte Empfehlung gegen 3.f2-f3

Dr. Emanuel Lasker (1868 – 1941) war 27 Jahre lang Weltmeister, so lange wie kein anderer vor oder nach ihm. 1925 schrieb er sein berühmtes „Lehrbuch des Schachspiels“, das viel Interessantes und Lehrreiches enthält und auch heute noch aufstrebenden Schachtalenten zum Studium empfohlen werden kann. (a) Als ich mir vor etlichen Jahren darin den Abschnitt über die Caro-Kann-Verteidigung ansah, dachte ich mir beim Nachspielen der von Lasker gegen 3.f2-f3 empfohlenen Variante: Warum spielt Weiß nicht einfach 9.c2-c3? Das gewinnt einen Bauern, ohne dass Schwarz irgendeine Kompensation dafür bekommt! Ich probierte eine Variante nach der anderen aus, ohne zu einem günstigeren Ergebnis für Schwarz zu kommen und wunderte mich, dass der große Lasker diesen naheliegenden Zug nicht gesehen hatte:

 

Übrigens wurde Laskers Variante in ihrer Urform (mit 7. … Lc5:) bis einschließlich 2002 offenbar nie angewandt. Jedenfalls findet sich in der Mega Database von ChessBase bis dahin keine einzige Partie mit dieser Stellung. Erst in einem Regionalligakampf aus dem Jahre 2003 (Robert Bauer – Armin Zepke) kam sie aufs Brett, wobei Weiß allerdings schwächer mit 8.Lb5+ fortsetzte:

 

Was lernen wir aus der ganzen Geschichte? Erstens wäre zu empfehlen, Eugène Snosko-Borowskys Rat zu beherzigen, der da lautet: „Nimm nichts auf Treu und Glauben hin, sondern prüfe und überlege selbst!“ (b) Und zweitens sollten wir schachlichen „Normalverbraucher“ uns nicht allzusehr über unsere eigenen Fehler und Übersehen ärgern. Fehler passieren nun mal, oder, um es philosophischer auszudrücken: „Irren ist menschlich!“.

Caro-Kann – eine seltene Eröffnung in Laskers Schachkarriere

Eine mögliche Erklärung für Laskers löchrige Variante besteht vielleicht darin, dass er während seiner Schachkarriere, die im wesentlichen 1925 endete, extrem selten mit der Caro-Kann-Verteidigung konfrontiert wurde. In der Mega Database von ChessBase fand ich im Zeitraum von 1889 bis 1925 fast 1000 von Lasker gespielte Partien. Doch darunter sind nur 5 Turnierpartien, in denen die Caro-Kann-Verteidigung angewandt wurde. Ein einziges Mal hatte Lasker darin Schwarz, und nur viermal hatte er sich als Weißer mit ihr auseinanderzusetzen. In keiner einzigen dieser Partien wurde 3.f3 gespielt. Warum also hätte er sich ausführlicher mit dieser Eröffnung beschäftigen sollen?

Laskers Beitrag zur Behandlung der Zweispringervariante

Und doch hat sich Lasker Verdienste um die Theorie der Caro-Kann-Verteidigung  erworben, denn er hat zwei schöne Siege mit der sogenannten Zweispringervariante gegen sie herausgespielt. Die erste Partie fand bereits 1908 im Rahmen einer Simultanveranstaltung des Weltmeisters in den Niederlanden statt:

 

Die zweite Partie wurde 1934 gespielt. Lasker hatte Deutschland noch vor der Machtergreifung der Nationalsozialisten verlassen und musste sich wieder als Schachprofi durchschlagen. So kam es zur Teilnahme an vier großen internationalen Turnieren, von denen vor allem Moskau 1935 in bester Erinnerung geblieben ist, denn dort wurde Lasker in einem 20er-Feld mit 12 ½ Punkten aus 19 Partien Dritter hinter Botwinnik und Flohr (je 13), aber vor Capablanca (12) und Spielmann (11). Er gewann sechs Partien (u. a. gegen Capablanca), verlor keine einzige (!) und spielte 13mal remis.

Emanuel Lasker

In Zürich 1934 wurde Lasker unter 16 Teilnehmern Fünfter mit 10 aus 15. Der österreichische IM Hans Müller (1896 – 1971), Verfasser des bekannten Werkes „Angriff und Verteidigung“, spielte in diesem Turnier mit Schwarz dieselbe ungünstige Variante wie Laskers Simultangegner von 1908, und Lasker ließ sich die günstige Gelegenheit nicht entgehen:

 

11x Caro-Kann auf DVD

Auch wenn Schwarz in diesen beiden Lasker-Partien fürchterlich unter die Räder kam, so muss doch klar gesagt werden, dass es nicht an 1. … c6 lag! Caro-Kann gilt nach wie vor als eine verlässliche Verteidigung gegen 1.e2-e4. Wer sie anwenden möchte, findet in den Eröffnungs-DVD's von ChessBase eine wertvolle Hilfe (https://shop.chessbase.com/de/openings/caro-kann).

Mythos Emanuel Lasker

Wer sich mit Emanuel Laskers Spielgeheimnissen beschäftigen möchte, der sei auf die Lasker-DVD von Dr. Müller, Marin, Reeh und Huschenbeth hingewiesen (https://shop.chessbase.com/de/products/master_class_band5_lasker-deutsch). Sie enthält alle Lasker-Partien, eine Kurzbiographie, sachkundige Analysen von Laskers Spielstil und insgesamt 6 Stunden Videospielzeit.

Quellen und Anmerkungen:

(a) Emanuel Lasker, Lehrbuch des Schachspiels, 4. Auflage (unveränderter Nachdruck), Hamburg 1977, S. 77 ff.

Eine überarbeitete englische Ausgabe erschien 1932 unter dem Titel Lasker's Manual of Chess. Eine Neuauflage mit einem Vorwort von Fred Reinfeld wurde in New York 1946 veröffentlicht, vgl. dort S. 91-92.

(b) Eugéne Snosko-Borowsky, So darfst Du nicht Schach spielen, S. 17

(c) J. Estrin & W. Panow, Grundzüge der Schacheröffnungen, Band 2, Heidelberg 1980, S. 44


Stephan Oliver Platz (Jahrgang 1963) ist ein leidenschaftlicher Sammler von Schachbüchern und spielt seit Jahrzehnten erfolgreich in der mittelfränkischen Bezirksliga. Der ehemalige Musiker und Kabarettist arbeitet als freier Journalist und Autor in Hilpoltstein und Berlin.

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