Der slowenische und zu Zeiten der Habsburger kaiserliche Kurort Rogaska Slatina kämpft darum, wieder ein Zentrum des europäischen Schachs zu werden. Seit Anfang der 90er Jahre fanden dort u.a. das Vidmar-Gedenkturnier, die slowenischen Mannschaftsmeisterschaften und die Landesjugendmeisterschaften statt. Letztes Jahr wurde hier der Europapokal gespielt. Die Spieler begriffen sehr schnell, welche phantastischen Möglichkeiten ihnen dieser wunderbare Ort bot –Bergluft, Thermalquellen, phantastisches Essen und, am wichtigsten, das bekannte Mineralwasser DONAT mit seiner heilenden Wirkung! Zur Zeit ist der Kurort völlig ausgebucht, die meisten Besucher sind Italiener und Russen.
Vor 100 Jahren waren Kaiser Franz Josef II, der Herrscher über Österreich-Ungarn, und der ungarische Großmeister Geza Maroczy Gäste im Kurort. Mit einem Wort: alle Voraussetzungen für ideale Spielbedingungen waren erfüllt und die Schachveteranen fühlten sich wie zu Hause. Die Organisatoren hatten ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt, inklusive Ausflügen, Vorträgen des Vorsitzenden der FIDE-Trainingskommission, GM Adrian Mikhalchishin, eine Weinverkostung der berühmten slowenischen Weißweine, Quizwettbewerbe sowie ein Besuch der berühmten Glasfabrik von Rogaska Slatina, die den Organisatoren die wunderbaren Kristallgläser für die Sieger zur Verfügung gestellt hatte. Die Teilnehmer genossen die wunderbare Umgebung und erkundeten diverse Orte in der Nähe. So war GM Hans-Joachim Hecht oft mit dem Auto unterwegs und besuchte kleine, historisch bedeutsame Ortschaften, wie zum Beispiel Ptuj, eine 2000 Jahre alte Stadt, die den Römern als Stützpunkt gedient hatte.
Gespielt wurde im wunderschönen Kristallsaal, wo der große Akiba Rubinstein 1927 seinen letzten Sieg in einem internationalen Turnier feierte!
Vor ein paar Jahren fanden hier auch die Einzeleuropameisterschaften für Senioren statt, die allerdings nicht besonders gut besucht waren. Sieger wurde damals der bereits verstorbene, legendäre russische GM Vitaly Tseshkovsky.
Dieses Mal waren 46 Mannschaften am Start, darunter das russische Frauenteam mit der amtierenden Frauenseniorenmeisterin Galina Strutinskaya und der legendären WGM Elena Fatalibekova, der Tochter von Ex-Weltmeisterin Olga Rubzova.
Insgesamt gingen 220 Spieler an den Start und unter ihnen waren Stars wie Viktor Kortschnoi, Wolfgang Uhlmann, die Ex-Fernschachweltmeister Joern Sloth und Fritz Baumbach sowie eine Reihe von Großmeistern wie Evgeny Vasjukov, Heikki Westerinen, Stefano Tatai, Rodriguez, Sergio Mariotti und viele, viele mehr. Vor ein paar Jahren hatte es GM Bozidar Ivanovic aus Montenegro zum Sportsminister seines Landes gebracht – kaum ein Großmeister hatte je eine ähnlich hohe Position im bürgerlichen Leben inne! Ältester Teilnehmer war der 85-jährige österreichische IM Andreas Dückstein, der vor 60 Jahren einmal gegen Mikhail Botvinnik gewann! Aus irgendwelchen politischen Gründen schickten Slowenien, Kroatien, Serbien, Ungarn, Tschechien und Polen keine Mannschaften ins Rennen.
Doch warum sind Seniorenmeisterschaften so wichtig? Ältere Spieler sind unglaubliche Schachliebhaber – oft analysieren sie ihre Partien nach der Runde noch stundenlang, oft sogar bis Mitternacht. Für die Vorbereitung benutzen sie keine Computer und haben so auf eine phantastisch-altmodische Weise Spaß am Schach.
Die Seele des europäischen Seniorenverbands ist IM Per Ofstad aus Norwegen. In den skandinavischen Ländern wird das Seniorenschach stark unterstützt und es gibt dort sogar eine eigene Seniorenmeisterschaft.
Schach ist für Senioren sehr wichtig – vor allem aus sozialen Gründen, aber wie vor kurzem veröffentliche medizinische Studien zeigen, ist Schach auch sehr gut geeignet, um einer Parkinson-Erkrankung vorzubeugen. Es scheint, als ob die gesamte Schachgemeinde es nicht geschafft hat, den Verantwortlichen deutlich zu machen, wie wichtig das Schach nicht nur für die Jugend, sondern auch für die Senioren ist.
Deshalb setzt sich die FIDE-Trainerkommission dafür ein, Seniorenwettbewerben größere Bedeutung zu verleihen und eine gesonderte Altersklasse der 50- bis 60-jährigen einzuführen, um so größere Anreize für ehemalige Spitzen-GMs zu schaffen, doch an den Meisterschaften teilzunehmen. Geplant ist auch die Einführung einer Superseniorenkategorie – 70 Jahre und älter.
Auf dem Papier waren die Russen, bei denen auch der Vorsitzende der Seniorenkommission GM Evgeny Vasiukov spielte, klarer Favorit, aber wie sich zeigte, machten eine Reihe von Mannschaften wie z.B. St. Petersburg, Montenegro und Deutschland den Favoriten das Leben bis zum Schluss schwer.
Doch am Ende konnten die Favoriten doch noch triumphieren.
... 46 Mannschaften
Der Preis für das beste Ergebnis am ersten Brett ging am Ende mit 7,5 aus 9 an Schachlegende Viktor Kortschnoi.
Zweitbester Spieler am ersten Brett war GM Evgeny Vasiukov, der 6,5 aus 8 erzielte und dabei eine wichtige Partie gegen Kortschnoi gewann.
Ein phantastisches Ergebnis am ersten Brett erzielte auch Frauenweltmeisterin WGM Galina Strutinskaya: sie holte 6 aus 8.
Natürlich kam es während des Turniers zu einer Reihe von lustigen Geschichten, zum Beispiel, als einer der Teilnehmer die Partie eines anderen beobachtete und sein Gebiss dabei aufs Brett fiel und wie im Computerspiel damit begann, Bauern zu verschlucken!
Doch während des gesamten Turniers tauschten sich die Senioren rege mit alten Freunden aus und so waren alle Senioren mit dem Kurort Rogaska Slatina äußerst zufrieden.
Partien