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"+8!" "Ich habe +7,2", ergänzt der Zweite und deutet auf seinen Nachbarn am Tisch, "er hat nur +5,2!" Beim Turnier in Hamburg könnte sich das Trio abseits des Schachbretts Computer-Bewertungen ihrer vorherigen Stellungen zuwerfen. Im Biergarten bei "Schweinske" im Stadtteil Bergedorf weichen jedoch am Abend Diskussionen über die Neuerungen im Franzosen oder Sizilianisch-Paulsen anderen Themen. Stattdessen dominiert zum Beispiel angesichts der Hitze mit 33, 34 Grad über die ganze Woche hinweg die Frage, warum es im Spielsaal keine ausreichend starke Klimaanlage gibt.
Im Tischtennis hatte ich mich stets geweigert, die Senioren-Meisterschaften mitzuspielen. "So ein Quatsch, ich fühle mich doch viel jünger", soufflierte der Kopf. Doch als im Frühjahr die ersten grauen Haare sprießen, heißt es in den Spiegel zu schauen und sich angesichts der Falten, auch wenn es glücklicherweise nur Lachfältchen sind (befinden die schwach gewordenen Augen), zu gestehen: Es ist soweit, wirf Deine Hemmungen in Hamburg über Bord! Zumal die Altersgrenze den Vorgaben der FIDE angepasst wurde, die Spieler ab 50 Jahren auch an die Senioren-Bretter bittet. Willkommen im Club, willkommen bei den deutschen Senioren-Meisterschaften! Die Ziffern von +5,2 bis +8 entpuppen sich bis zum zweiten Alster als die Blutzuckerwerte der Beteiligten, die alle aus dem Lot geraten sind. Auch wenn ich mich mit einer Grönland-Kreuzfahrt im Juli des Vorjahres – Altersschnitt auf der "MS Astor" stolze 70 Jahre! - schon etwas an die Krankenakten-Übertrumpfereien gewöhnt hatte, wirkten die Themen doch aufs Neue wie böhmische Dörfer. Pudelwohl fühlt man sich dabei nicht. Um genau zu ein: So alt habe ich mich bisher noch nie gefühlt – obwohl ich zum ersten Mal seit Jahrzehnten beim Turnier wie einer der Jüngsten aussehe.
Eröffnung mit dem Bergerdofer Männerchor
"Dr. Google" erhöht das herrschende Missbehagen mit Werbung für Hörgeräte, nur weil ich mehrfach nach der Webseite der Senioren-Meisterschaften gesucht hatte. Angekommen im Turnier war ich dann auch just nach dem Vorfall im Ü50-Turnier: In lausiger Stellung und Zeitnot offerierte ich Dr. Gerhard Schmidt ein Remis, das Schwarz ablehnte. Ein paar Züge später vernahm ich einen dumpfen Laut. "Boten Sie Remis an?", erkundigte ich mich beim Gegenüber, das leise etwas zu murmeln schien. Wohl doch nicht, dachte ich mir und wollte ihn nicht weiter mit meiner "akustischen Fata Morgana" in der Konzentration stören. Nach einem verpassten Doppelschlag mit Springer und Läufer bereitete Schmidt mit nur einem Springeropfer dem weißen Monarchen gekonnt den Garaus. Später stellte sich heraus, dass er tatsächlich einen Friedensschluss offeriert hatte! Schön für mich, dass ich den Besuch beim Hörakustiker auf später verschieben konnte – und schlecht für ihn, weil er fortan nach seinen 3/3 alles verlor bis auf zwei Remis … Ich startete hingegen durch mit 5,5/6. Doch dazu später mehr.
Freitags fanden die ersten deutschen Blitzmeisterschaften der Ü50 und Ü65 ihren Abschluss. Den ersten Titel schnappte sich – wie auch die weiteren Medaillen – ein extra angereister IM: Bernd Schneider. Der Bochumer deklassierte mit 9,5/11 die Konkurrenz, obwohl er dem richtigen Turnierschach mittlerweile abgeschworen hat. Nur Blitz macht ihm noch "Spaß". Auf den Plätzen folgten Berthold Engel (BG Buchen) und Dirk Paulsen (SC Kreuzberg) mit jeweils acht Zählern. Im spärlich besetzten Feld der vier Frauen gewann DDR-Legende Annett Wagner-Michel (Rotation Pankow) den Titel mit 5,5 Punkten im Männerfeld einen halben Zähler vor Britta Leib (Holstein Quickborn). Bei der Ü65 gab es wie vor fünf Jahren in Oberhof einen Triumph der Familie Schumacher! FM Gottfried Schumacher (HTC Bad Neuenahr) gewann den Wettbewerb dank der besten Buchholz-Wertung vor Hans Werner Ackermann (Hansa Dortmund) und Mihail Nekrasov (SV Hockenheim) mit 8/11. Ursula Schumacher reichten drei Zähler und ein halber Buchholz Vorsprung vor der Hannoveranerin Gudrun Girod.
Die Nestoren spielten in Bergedorf bei der Ü65 mit. Das Katernberger Urgestein Willy Rosen blieb dank 6,5/9 vor einem Pulk von acht Nestoren über 75: Hans Petzold (USV TU Dresden) und Dieter Villing (SK Ludwigshafen) hatten die beste Buchholz unter den Verfolgern. Rosen bekam bei der Siegerehrung eine der 200 Lasker-Medaillen, die im Jubiläumsjahr des deutschen Schach-Weltmeisters verliehen werden. Rosen nahm an 25 der 30 deutschen Senioren-Meisterschaften teil. Peter Jürgens bekam ebenfalls eine, weil er sich seit rund einem Jahrzehnt als Präsident des Seniorenförderkreises engagiert, Turnier-Organisator Martin Bierwald heimste eine dritte ein.
In der Ü65 traten 198 Spieler an. Mit neun Spielern über 2200 Elo war sie in der Breite besser besetzt als die Ü50. Seine erste Meisterschaft sicherte sich Gerhard Kiefer. Der Emmendinger, der früher mit Freiburg-Zähringen einige Jahre in der Bundesliga antrat, spielte sehr souverän und gab nur drei Remis ab. "Ich habe noch nie einen Titel gewonnen, nicht mal auf Vereinsebene", freute sich Kiefer. Lokalmatador Christian Mathias Hess (FC St. Pauli) wurde mit ebenfalls 7,5/9 Vizemeister. Haarscharf an der Medaille schrammte Ulrich Dresen (SF Gerresheim) an der Medaille vorbei, trotz sieben Punkten. Friedbert Prüfer (TSG Taucha) hatte hier die bessere Feinwertung. Zehn Ü65er folgten mit 6,5 Punkten im Schlepptau. Barbara Borries (SC Taufkirchen) lag bei den Frauen ebenso dank der Buchholz-Wertung vor Barbara Jacob (SK Ochtrup/beide 4,5). In der Ü50 schnappte Mira Kierzek (SC Fulda) der favorisierten Wagner-Michel (je 5) deren zweiten Titel in Hamburg vor der Nase weg. Dagmar Knobel (Bille SC/4) sicherte sich Bronze.
Vorne: Pirrot-Reddmann
Spannend bis zur letzten Runde blieb es bei den Männern. Dieter Pirrot zog bis zur siebten Runde einsam seine Kreise, bevor ihn der Autor, Hartmut Metz (Rochade Kuppenheim), ausbremste - in einem langen Endspiel. Der Hofheimer IM konnte jedoch wieder aufschließen, weil sich der Biberacher Holger Namyslo und Metz in der Vorschlussrunde im direkten Duell friedlich zeigten. Namyslo büßte dann zwar sogar seinen Nimbus mit der Niederlage gegen den einheimischen Hauke Reddmann (SK Wilhelmsburg) ein, blieb indes dank der besten Buchholz vor diesem. Christoph Schroeder (SK Johanneum Eppendorf) und Marcus Dehn (SV KS Braunschweig) horteten ebenfalls 6,5/9. Im sechsstündigen Ringen um die Ehre, erster deutscher Ü50-Meister zu werden, hievten sich Pirrot wie Metz auf 7,5 Punkte. Der gebürtige Saarländer, der auch gerne Gambits auspackt und von der neuen Chessbase-DVD zum Morra-Gambit begeistert war, überrannte so manchen Gegner. Metz und sein danach unglücklicher Bezwinger Schmidt wünschten sich dagegen, weniger "taub" gewesen zu sein bei dem Senioren-Turnier ...
Zum umfänglichen wie beliebten Beiprogramm für die Ehefrauen gesellte sich ein ChessBase-Kurs für Interessierte. Zudem war Martin Fischer mit einem Stand der Hamburger Software-Schmiede im H4 Hotel in Bergedorf vertreten.
Martin Fischer
ChessBase spendete auch zahlreiche Preise für die Turniere. Ulkig verlief die Verlosung des wertvollen ChessBase-14-Pakets unter allen Anwesenden bei der Siegerehrung: Erst als das fünfte Namensschildchen eines Teilnehmers gezogen wurde, meldete sich einer. Bei den weiteren DVDs ging es schneller.
Alle Meister mit Boris Bruhn (li.) und Ullrich Krause (mitte).
Die Siegerehrung am Sonntag machte dem neuen DSB-Präsident Ullrich Krause sichtlich mehr Spaß als sein erster Besuch zwei Tage zuvor. Sowohl im Schiedsrichter-Team als auch unter den Teilnehmern hatte es im Vorfeld rumort. Anlass war die Trennung des Deutschen Schachbunds (DSB) von Dirk Jordan, die Knall auf Fall am Tag nach der Gala der Deutschen Schach-Amateurmeisterschaft (DSAM) in Leipzig mit einer dürren Pressemitteilung erfolgt war.
Diese nährte Spekulationen – und die Sympathien waren eindeutig pro Jordan verteilt. Schließlich hatte der Dresdner 17 Jahre lang die DSAM perfekt organisiert und zu einem Erfolgsmodell gemacht. Die Juli-Ausgabe des "Schach-Magazins 64", das sich dem DSAM-Geschehen ausgiebig gewidmet hatte, war in Hamburg am Hauptbahnhof ausverkauft, Anhänger der DSAM verteilten Kopien des Artikels unter den Senioren und Teilnehmern der Amateur-Meisterschaft. Nachdem sich der DSB wie Jordan bedeckt hielten und mittlerweile die Anwälte das Geschehen bestimmen, ging Krause nun in die Offensive und deckte den Hauptgrund für den Zwist auf: Jordan, der als angekündigter Turnierdirektor in Hamburg-Bergedorf nicht mehr vor Ort war, habe zum Beispiel mit einer "Nebenabrede" mit dem Hotel "zwölf Prozent" der Zimmerpreise für seinen Schachförderverein "64 Felder e.V." abgezwackt (siehe auch den bereits veröffentlichten Bericht auf unserer Webseite).
Da diese "Nebenabreden" wohl über Jahre geschahen, so der Verdacht, seien erhebliche Summen zusammengekommen. Den Teilnehmern bot der DSB daher vor Ort auf Antrag an, die zwölf Prozent des Hotelpreises zurückzuüberweisen (70 Euro fürs Einzelzimmer pro Nacht; 95 Euro für ein Doppelzimmer) – wahlweise konnte man den Betrag auf dem Formular auch dem Seniorenförderverein spenden.
Ü50-Bronze-Sieger Namyslo, der auch im Schach-Magazin 64 einen offenen Brief veröffentlicht hatte und ohne Jordan um die Zukunft der DSAM bangt, wies auf dem Formular die Zahlung an den Ausgebooteten an … Die Zukunft der geplanten Super-Deutschen-Meisterschaften in Radebeul von 2019 bis 2021, die Jordan mit der nationalen Meisterschaft, dem deutschen Pokal und der Senioren-Meisterschaften koppeln wollte, ist nun in der Schwebe. Meiwald hofft, dass es ein Einlenken gibt, um das Projekt, für "das ich Feuer und Flamme bin", zu retten. Für den DSB-Seniorenreferenten wie auch andere schien es ein "offenes Geheimnis", dass Jordan mit der Turnierserie Geld verdiente und trotz gegenteiliger Beteuerung angesichts des enormen Zeitaufwands nicht nur alles "ehrenamtlich" laufen konnte. Die Organisatoren-Riege bei der Senioren-Meisterschaft fühlte sich weiterhin übergangen, freute sich überschwänglich über den Artikel im Schach-Magazin 64 ("Das hat uns aus der Seele gesprochen") und weiß in der Mehrzahl noch immer nicht, ob sie bei der DSAM weitermacht. Mit Jordan an der Spitze würde keiner zögern. Ohne Jordan, wonach es momentan aussieht, bleiben bei den Schiedsrichtern wie den Amateuren Zweifel, ob die DSAM-Turnierserie Bestand hat.
DSB-Präsident Krause will das Erfolgsmodell natürlich ebenso behalten.