Senioren-Weltmeisterschaft Bled 2018: Drama, Drama, Drama

von Thorsten Cmiel
03.12.2018 – Bei den Seniorenweltmeisterschaften in Bled wurden Titel in vier Gruppen ausgespielt. Karen Movsziszian gewann bei den Jungsenioren, Vlastimil Jansa in der Gruppe 65+. Die Frauentitel gingen an Nona Gaprindashvili und Elvira Berend. | Foto: Torsten Cmiel

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Vier neue Seniorenweltmeister

Armenien, Tschechien, Luxemburg und Georgien können sich über einen Weltmeistertitel im Seniorenschach freuen. Es wurde in allen Gruppen meist vorbildlich gekämpft und die Erfolgreichsten in dieser Disziplin konnten schließlich die Trophäen davon tragen.

Über die Turniere

In Bled 2018 wurden diesmal etwa 2000 Partien gespielt und fast jeder Spieler bei einem der vier Turniere hatte seine persönlichen Höhen und Tiefen. Ihr Berichterstatter beispielsweise begann das Turnier mit einem zügigen Damenfang und sein letzter gespielter Zug war zugleich sein Schlechtester im Turnier und kostete einzügig die eigene Dame.

Es gab natürlich in allen Gruppen viele schöne Kombinationen, interessante Endspiele und kleinere bis grobe Fehler. Die Turniersieger wurden in allen Turnieren irgendwie anders ermittelt: Erst der letzte Zug bei den älteren Senioren (65+) und in Bled insgesamt entschied über den Titel. In der Partie von Mehrfach-WM Anatoli Vaisser gegen Vlastimil Jansa erreichte der tschechische Großmeister letztlich ein gewonnenes Springerendspiel und konnte den entscheidenden Punkt einfahren.

 

Vlastimil Jansa gewann den Titel mit 9,5 Punkten aus elf Partien wegen seiner um einen Punkt besseren Buchholzwertung vor dem punktgleichen Russen Yuri Balashov. Jansa gewann das Turnier erstmals nach mehreren Anläufen: 2006 lag der Tscheche in Arvier (Italien) noch hinter Viktor Kortschnoi.

Vlastimil Jansa

Einige spannende Partien aus dem Turnier:

 

 

 

 

Endstand 65 plus

Rk. Name Pts.  TB1 
1 Jansa Vlastimil 9,5 0,5
2 Balashov Yuri S 9,5 0,5
3 Rashkovsky Nukhim N 8,5 0,0
4 Renman Nils-Gustaf 8,0 0,0
5 Wahlbom Magnus 8,0 0,0
6 Lederman Leon 8,0 0,0
7 Boehnisch Manfred 7,5 0,0
8 Maryasin Boris 7,5 0,0
9 Pritchett Craig W 7,5 0,0
10 Vogt Lothar 7,5 0,0
11 Rooze Jan 7,5 0,0
12 Shevelev Arkady 7,5 0,0
13 Werner Clemens 7,5 0,0
14 Karasev Vladimir I 7,5 0,0
15 Haubt Georg 7,5 0,0
16 Sveshnikov Evgeny 7,0 0,0
17 Vaisser Anatoli 7,0 0,0

180 Spieler

 

Bei den älteren Frauen gewann in Bled die inzwischen 77 Jahre alte Favoritin Nona Gaprindashvili ihren sechsten Seniorentitel und übernahm dadurch die Führung auch in dieser Zählwertung.

Nona Gaprindashvili

Dabei hatte Nona, die Legende, gegen die spätere Zweitplatzierte den direkten Vergleich gewonnen und verkürzte nach einem Fehlstart ihren Rückstand auf die 80jährige Valentina Kozlovskaya aus Russland, die letztlich nach einer weiteren Niederlage gegen die amtierende georgische Weltmeisterin Tamar Khmiadashvili einen halben Punkt hinter der Georgierin landete.

Endstand Frauen 65 plus

Rk. Name Pts.  TB1 
1 Gaprindashvili Nona 8,5 0,0
2 Kozlovskaya Valentina 8,0 0,0
3 Tsifanskaya Ludmila A 7,5 0,5
4 Titorenko Natalia I 7,5 0,5
5 Sorokina Tamara 7,0 0,5

20 Spielerinnen

 

Wie im Vorjahr dominierte Elvira Berend die Gruppe der jüngeren Seniorinnen und ging mit einem halben Punkt Vorsprung und 8,5 Zählern durchs Ziel. 

Elvira Berend

 

Endstand Frauen 50 plus

Rk. Name Pts.  TB1 
1 Berend Elvira 8,5 0,0
2 Grabuzova Tatiana 8,0 0,5
3 Strutinskaia Galina 8,0 0,5
4 Makropoulou Marina 7,5 0,0
5 Ankudinova Yelena 6,5 0,0
6 Kasoshvili Tsiala 6,5 0,0
7 Lauterbach Ingrid 6,0 0,0
8 Bogumil Tatiana 6,0 0,0
9 Birkholz Olga 6,0 0,0

24 Spielerinnen

 

Mehr Spannung gab es bei den jüngeren Senioren (50+): Letztlich entschied hier der direkte Vergleich über die Reihenfolge zweier punktgleicher Spieler: Karen Movsziszian aus Armenien gewann vor dem Georgier Giorgi Bagaturov mit 8,5 Punkten.

Karen Movsziszian

Es folgten vier Spieler mit acht Punkten, wobei Klaus Bischoff auf dem Blechplatz hinter Zurab Sturua landete. Die zweitbeste deutsche Platzierung gelang Manfred Böhnisch, genau wie Nona Jahrgang 1941, bei den älteren Senioren. Er erzielte 7,5 Punkte und ging bei einem Startplatz 27 als beachtlicher Siebter durchs Ziel.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Endstand 50 plus

k. SNo     Name FED Rtg Pts.  TB1   TB2   TB3 
1 2
 
GM Movsziszian Karen ARM 2513 8,5 1,0 72,0 77,5
2 9
 
GM Bagaturov Giorgi GEO 2417 8,5 0,0 74,0 79,5
3 1
 
GM Sturua Zurab GEO 2529 8,0 0,0 72,5 78,0
4 3
 
GM Bischoff Klaus GER 2507 8,0 0,0 72,0 76,5
5 6
 
GM Soffer Ram ISR 2472 8,0 0,0 70,5 76,0
6 12
 
IM Van Der Werf Mark NED 2402 8,0 0,0 67,0 72,5
7 10
 
IM Kalegin Evgenij RUS 2413 7,5 0,0 72,0 77,0
8 14
 
GM Arakhamia-Grant Ketevan SCO 2373 7,5 0,0 68,0 73,0
9 7
 
GM Arkell Keith C ENG 2443 7,5 0,0 67,5 72,5
10 8
 
IM Vareille Francois FRA 2432 7,5 0,0 63,0 67,5
11 43
 
FM Haessel Dale R. CAN 2155 7,5 0,0 60,5 64,5
12 35
 
IM Biro Sandor ROU 2191 7,5 0,0 59,0 63,5
13 5
 
GM Prie Eric FRA 2482 7,0 0,0 69,0 74,5
14 17
 
IM Cummings David H. CAN 2331 7,0 0,0 69,0 73,5
15 13
 
IM Porper Edward CAN 2377 7,0 0,0 68,0 71,5
16 20
 
IM Mannion Stephen R SCO 2286 7,0 0,0 64,5 69,5
17 39
 
FM Chapman Terry P D ENG 2172 7,0 0,0 62,0 65,0
18 25
 
  Mukanov Saltanat KAZ 2250 7,0 0,0 56,5 60,5
19 4
 
GM Danielsen Henrik ISL 2504 6,5 0,0 73,5 78,5
20 15
 
IM Berend Fred LUX 2369 6,5 0,0 71,0 76,0
21 34
 
  Grant Jonathan I M SCO 2192 6,5 0,0 69,0 73,5
22 42
 
FM Dougherty Michael CAN 2155 6,5 0,0 67,5 72,5
23 24
 
FM Namyslo Holger GER 2254 6,5 0,0 63,5 68,0
24 18
 
FM Plotkin Victor CAN 2307 6,5 0,0 63,0 67,5
25 27
 
FM Kastelic Marian SLO 2241 6,5 0,0 63,0 67,0
26 19
 
FM Metz Hartmut GER 2296 6,5 0,0 62,5 67,5

106 Spieler

 

Schönheitspreis

Per Ofstad, 84, aus Norwegen erhielt die neue jährliche Kupreitschik-Auszeichnung für die schönste Partie im Stile eines Taktikers bei der Seniorenweltmeisterschaft über 65 Jahren. Den Preis überreichte Anastasia Sorokina, eine Nichte des vor etwas mehr als einem Jahr verstorbenen weißrussischen Großmeisters. Sorokina ist Vizepräsidentin des Weltschachbundes FIDE und überbrachte die Grüße des neuen Präsidenten, der am Tag zuvor noch in London den Sieger Magnus Carlsen ausgezeichnet hatte.

 

 

Neue Theorie um den mysteriösen Tod von Alexander Aljechin

Bled November 2018. Bekannt ist: Schachweltmeister Alexander Aljechin starb am 23. abends oder am 24. März 1946 in einem Hotel in Estoril, Portugal. Morgens fand der Portugiese Francisco Lupi den Weltmeister halb liegend und tot in einem Sessel in seinem Hotelzimmer. Aljechin war der erste und bislang einzige amtierende Schachweltmeister, der während seiner Herrschaftsperiode verstorben ist. Die Todesursache ist umstritten: Aljechin, geboren 1892 in Moskau, der inzwischen in Frankreich mit seiner dritten Ehefrau lebte, soll an Herzversagen gestorben sein. Aber: Hatte Aljechin, der zum Zeitpunkt seines Todes 54 Jahre alt war, vielleicht Selbstmord begangen? Einen Abschiedsbrief gab es allerdings nicht und so war diese Theorie schnell wieder aus der Welt, zumal der Weltmeister mit einem Stück Fleisch in der Hand gestorben sein soll.

Jetzt wurde in Bled eine neue Theorie zum mysteriösen Tod von Aljechin aufgestellt: Bislang unbekannt war, dass 1946 eine Konferenz von Freimaurern stattfand. Schließlich musste man die Welt nach dem Krieg neu ordnen und die Kräfteverhältnisse weltweit neu sortieren. In Estoril trafen sich spätere Geheimdienstler aus aller Welt zu einer Konferenz und möglicherweise waren diese in den Tod von Aljechin zumindest verwickelt.

Artikel bei Chesshistory von Edward Winter...

 

Partien 50 plus

 

Partien 65 plus

 

Partien 50 plus Frauen

 

Partien 65 plus Frauen

 

 

Rahmenprogramm

In Bled wurde natürlich nicht nur über die Umstände des Todes von Alexander Aljechin gerätselt, sondern auch Sudoku gespielt in ganz speziellen Varianten (Diagonal, Ungerade/Gerade). Die klare Gewinnerin kam aus Irland. Zudem gab es verschiedene Ausflüge und Verköstigungen. Adrian Mikhalchishin, der tatkräftig bei der Organisation half und zusammen mit Yuri Balashov den Gewinner des Schönheitspreises aussuchte mit zwei Schachlektionen dabei. Für das Sudoku-Turnier und die Enthüllungsgeschichte um den Tod von Alexander Aljechin war Rade Goljovic aus Belgrad verantwortlich. Er ist nicht nur aktiver Turnierleiter, sondern er hatte im Bridge-Zimmer im Hotel Toplice einen „Escape-Raum“ eingerichtet. Dahinter steckte ein interessantes Spiel in dem man unter Zeitdruck im Team einige Rätsel lösen sollte, um den Fragen der portugiesischen Polizei, die in einer Stunde erscheinen und vermutlich unangenehme Fragen zum toten Schachweltmeister stellen würden, zu entgehen. Ein deutsches Team verstärkt um einen deutschsprachigen Hilfssheriff aus dem Turnierleiter-Team stellte sich vermutlich am ungeschicktesten an und benötigte anderthalb Stunden, wohingegen das beste Team nach 53 Minuten aus dem Raum entfliehen konnte. Zum Rätsel selbst: Es war diesmal nicht der Gärtner, sondern ein serbischer Geheimer in Kooperation mit einem Kubaner, die den Schachweltmeister mutmaßlich getötet hatten.

Das Turnier fand nicht nur in einem der schönsten Turniersäle der Welt statt, sondern es handelte sich auch um ein bestens organisiertes Turnier. Kritik am Weltschachbund gab es diesmal vermutlich wegen der ansonsten vorbildlichen Bedingungen nur am Rande: So mussten die Teilnehmer bei ihrer Buchung Vollpension im gewählten Hotel akzeptieren und das war nach fast zwei Wochen natürlich nicht jedermanns Sache. Der slowenische Verbandspräsident deutete bei seinen Grußworten zum Schluss des Turniers an, dass wegen der FIDE die Kosten hoch waren. Im nächsten Jahr hat man das Turnier nach Rumänien vergeben. Etwas überraschend ist zu diesem Turnier bislang nur der Veranstaltungszeitpunkt und -ort bekannt: 11. bis 24. November ist Oradea der Turnierort. Es bleibt zu hoffen, dass die Ausrichter die Organisation des Turniers hinbekommen, ansonsten würden vermutlich die meisten Teilnehmer gerne erneut nach Bled reisen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Oradea

 


Thorsten Cmiel ist Fide-Meister lebt in Köln und Milano und arbeitet als freier Finanzjournalist.

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