SG Trier sagt Goodbye: Rückzug aus der Bundesliga

von André Schulz
01.05.2017 – Eine Runde vor Abschluss der Saison 2016/17 gibt die SG Trier ihren Rückzug aus der Bundesliga bekannt. In einer Presseerklärung gibt Mannschaftsführer Stefan Müllenbruck organisatorische Probleme bei den Heimkämpfen in Trier an und fehlende Kooperationsbereitschaft der Bundesliga und des Deutschen Schachbundes bei der Bewältigung zu helfen. Das Team wird stattdessen nun in der britischen Four Nations League mitspielen.

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Pressemitteilung

Trierer Bundesligateam zieht um nach Großbritannien

Die Mannschaft der SG Trier wird in der nächsten Saison nicht mehr in der Schachbundesliga spielen. Normalerweise ist der Grund für einen Rückzug, dass die Verantwortlichen keine Lust mehr haben oder die erforderlichen Mittel nicht mehr aufbringen können. Das ist hier nicht der Fall. Die Mannschaft würde gerne weiterspielen und auch die Finanzierung wäre gesichert, allerdings machen es die Umstände unmöglich.

Stattdessen wird das Team in der kommenden Saison mit der großen Mehrheit der gegenwärtigen Spieler in die britische Four Nations Chess League (4NCL) wechseln. Dort wird sie mittelfristig in der 1. Division spielen und wäre dort nach heutigem Maßstab unter den besten fünf Mannschaften.
 
Die Steilvorlage für diese Idee lieferte Arkadij Naiditsch, der bekanntlich den Deutschen Schachbund verlassen hat, um für Aserbaidschan zu spielen. Einer der Gründe war, dass der Topspieler nicht mehr nach der Pfeife des DSB tanzen wollte. Obwohl das Trierer Team im Vergleich zum Weltklassespieler Naiditsch in der Bundesliga nicht mehr als Mittelmaß repräsentiert, gilt für diese Entscheidung das gleiche Prinzip, nämlich mit den Füßen abzustimmen, wenn seitens der Funktionäre kein ausreichendes Interesse an Leistungssport besteht.
 
Der Trierer Verein hat seit dem krankheitsbedingten Ausscheiden des mittlerweile leider verstorbenen Vorsitzenden Kurt Lellinger, der sich mit vorbildlichem Engagement auch für die Schachbundesliga eingesetzt hatte, erhebliche Probleme. Die Bestandszusage, die 2008 bei der Fusion des Bundesligisten SG Turm Trier mit dem SC Trier-Süd gemacht wurde, war seitdem nichts mehr wert.
 
Die Organisation von Heimspielen in Trier wurde in den letzten vier Jahren zum Dauerproblem. So wurde der Teamleitung in der Saison 2015/16 nur wenige Wochen vor dem Austragungstermin vom Verein mitgeteilt, dass das zugesagte Spiellokal nicht zur Verfügung stehe und man auch keine Alternative anbieten könne.
 
Es bedurfte erheblicher Anstrengungen der Teamleitung, das Heimspiel in Eigenregie doch noch durchzuführen. Seitens des Vereinsvorstandes wurde bereits zu diesem Zeitpunkt klargemacht, dass man kein Interesse an der Bundesliga mehr habe. Daraufhin wollte das Bundesligateam den Verein geschlossen wieder verlassen, wobei der Vereinsvorstand diesem Wunsch sofort entsprochen hätte.
 
Auf mehreren Mitgliederversammlungen der Schachbundesliga e.V. wurden Anträge gestellt, die zum Ziel hatten, dem Team ein Weiterspielen in der Schachbundesliga mit denselben Spielern, aber unter anderem Namen zu ermöglichen. Alle Vorschläge wurden vom Vorstand der Schachbundesliga e.V. und dem Vertreter des Deutschen Schachbundes aus formalen Gründen abgeblockt.
 
Im Dezember 2015 gab es ein Telefonat zwischen dem Hauptsponsor des Trierer Teams und dem Präsidenten des Deutschen Schachbundes, Herbert Bastian. Dabei wurde deutlich, dass der Zweck der bestehenden Lizenztransferregelung ist, einen Lizenztransfer praktisch unmöglich zu machen. Der Präsident des Schachbundes Rheinland-Pfalz, Achim Schmitt, wurde ebenfalls vergeblich um Hilfe gebeten.
 
Auch wenn man sich gern mit dem Etikett „Stärkste Liga der Welt“ schmückt, ist dem DSB das schachliche Niveau der Bundesliga letztlich egal. So wäre es beispielsweise völlig regelkonform gewesen, wenn die SG Trier alle Bundesligaspieler aus dem Verein entfernt hätte und in der nächsten Saison spaßeshalber mit einer Kindermannschaft angetreten wäre.
 
Der Platz des sportlich qualifizierten Teams aus Trier wird nun mit einem der Dauerabsteiger oder einem Zweitligisten aufgefüllt werden müssen. Für einige Teams aus der unteren Tabellenhälfte mag das eine gute Nachricht sein, weil man dadurch einen unliebsamen Konkurrenten los wird. Es wird sich aber die Frage stellen, welches Interesse die Top-Teams der Liga haben, sich mit einer weiteren Mannschaft zu messen, die klar schwächer als Trier ist.
 
Die Teamleitung der SG Trier sagt also nach zehn Spielzeiten „Goodbye“ und freut sich auf den Wechsel nach Großbritannien. Zwar ist es richtig, dass die 4NCL etwas weniger attraktiv besetzt ist als die Schachbundesliga. Aber die Leidenschaft für Mannschaftsschach scheint bei den britischen Organisatoren um einiges höher zu sein als bei den deutschen Funktionären. In Großbritannien sind alle Runden zentral organisiert, so dass sich das Team auf das konzentrieren kann, worum es eigentlich geht: Möglichst gut Schach spielen!

Stefan Müllenbruck, Mannschaftsführer der SG Trier


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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jochen21075 jochen21075 03.05.2017 08:30
In Anlehnung an den Vorschlag von "Mario1962": Vielleicht kann man die Mannschaften/Wettkämpfe noch attraktiver machen, indem eine Mannschaft auch aus 65+/50+, Frauen/Mädchen-Brett, U??-Bretter neben den "normalen" nationalen und internationalen Stars besteht? Also eher Aufstockung und Alters-Geschlechts-Diversifikation!?
flachspieler flachspieler 02.05.2017 10:55
Sturmaske schrieb:
> Den frei gewordenen Platz sollte man allerdings
> an einen Play-off Sieger aus den Vizemeistern
> der 2.SBL vergeben.
> Da würde auch für kommende Jahre die Mannschaften
> etwas mehr motivieren.

Die Idee gefällt mir. Ich würde aber etwas konkreter
schreiben:
"Play-Off" unter den aufstiegswilligen Vizemeistern ...

Auf unsere Bundesliga!
Sturmaske Sturmaske 02.05.2017 10:21
Wer interessiert sich schon für Trier einer Mannschaft mit zum Teil fast nur unbedeutenden Spielern?
Reisende sollte man ohnehin nicht aufhalten. Das kann für die 1.SBL aber nur gut sein, denn es gibt gewiss attraktivere
Mannschaften. Den frei gewordenen Platz sollte man allerdings an einen Play-off Sieger aus den Vizemeistern der 2.SBL vergeben.
Da würde auch für kommende Jahre die Mannschaften etwas mehr motivieren.
Gargantua Gargantua 01.05.2017 09:55
Die Begründung für den Rückzug ist ein Witz! Hier soll das Versagen eines Vereins (oder der Mannschaftsleitung?), der nicht in der Lage ist, ein adäquates Spiellokal zu organisieren, dem DSB in die Schuhe geschoben werden. Was hat dieser damit zu tun? Andere Vereine schaffen das (auch ohne 'Hauptsponsor') doch auch, aber da steht ja auch noch der Verein hinter seiner Mannschaft. Die Gründe, weshalb das in Trier anders ist, sollten die Verantwortlichen in erster Linie bei sich selbst suchen!
Walter Rädler Walter Rädler 01.05.2017 09:16
Gratulation an beide Münchner Teams von Zugzwang und wieder einmal die Unabsteigbaren vom FC Bayern zum Klassenerhalt mit netten Spielern aus der Region ohne allzugroße finanziellen Belastungen.
Das Wettrüsten mit Weltklassespielern stört mich nicht, die Bundesligaschlussrunde in Berlin war ein Traum doch die Frage lautet: Wie hilft man dem Schachsport nachhaltig?
Meiner Meinung nach ist dies:
Lasst local heroes spielen!
Bietet den Mitgliedern ein attraktives Clubleben mit zahlreichen Events!
Seid in der Nachwuchsarabeit und im Schulschach aktiv!
Dies wird von beiden Bundesligaclubs aus München praktiziert und deswegen mein Dank und mein Lob an beide Vereine.
In Trier waren scheinbar wenige traurig, als das Team abgemeldet wurde, weil das Team keine Basis in der Stadt hatte.
Die Bundesliga und der Deutsche Schachbund kann nicht gegen seine eigenen Statuten verstoßen, deswegen war ein Franchise-Wechsel des Vereins nicht möglich. Ich freue mich sehr für die Bayern (obwohl ich ein Sechziger bin) und hoffe, dass andere Vereine von den Fehlern der Trierer lernen.
flachspieler flachspieler 01.05.2017 07:13
Trier hat auch schon in früheren Jahren intensiv gejammert und nach verschiedenen Schlupflöchern für die BL-Teilnahme gesucht, z.B. Start unter anderem Namen. Für die BL ist der Weggang von Trier eher ein Schritt zur Beruhigung als ein Problem.
Randläufer Randläufer 01.05.2017 06:38
In der Bundesliga spielen Vereine, nicht Mannschaften. Das ist in Deutschland in (fast) jedem Sport so. Ausnahmen z.B. im Eishockey oder im Handball haben dazu geführt, dass sich Vereine mit großem Namen oder ausländische Brausehersteller die Mannschaften gekauft haben.
MARIO1962 MARIO1962 01.05.2017 04:10
es ist ja nicht das erste Mal, dass sich eine Mannschaft zurückzieht. Der ganze Abstiegs "kampf " ist dann doch ein schlechter Witz. Und ob die Dominanz von Baden-Baden der Liga letztlich schadet.............ist zu beobachten beim Fussball. da kümmert die x-te Meisterschaft der Bayern auch keinen mehr.
mein Vorschlag : 6er -Teams , 2 davon Jugendbretter , mehrere zentral organisierte Runden, das wäre was.
jochen21075 jochen21075 01.05.2017 12:36
Lieber Stefan Müllenbruck,

wen soll es zukünftig interessieren, wenn eine "namentlich deutsche Mannschaft" aus Trier
-> derzeit untere Hälfte der 1. Bundesliga,
-> lediglich an den Positionen 8., 14. und 15. mit deutschen Spielern nominiert
in Großbritannien in der 4NCL spielt ? Mich jedenfalls nicht, und welchen deutschen Sponsor? Da können Sie auch gleich eine Kreisklasse wählen ...
Alternativen für den frei gewordenen Platz gibt es sicherlich reichlich.
Freundliche Grüße
Jochen Schöttker
Hamburg/Kalefeld-Willershausen
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