ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
No shake hands in Wijk
- Wenn Bobby das wüsste…
Von Dagobert Kohlmeyer
Schachspieler sind manchmal eigenartige Menschen. Nicht immer konzentrieren sie sich auf ihre Partien, sondern sorgen dafür lieber für Ärger außerhalb des Bretts. Mitunter machen sie überhaupt keinen Zug. Arbeitsverweigerungen gab es auch früher schon, man denke nur an Bobby Fischers spektakuläre Abreise beim Interzonenturnier 1967 in Sousse. Auch in Wijk aan Zee wollte am Sonntag ein Großmeister nicht spielen. Die Gründe waren allerdings andere als damals beim Amerikaner.
Kaum hat sich hier im Corus Turnier die Aufregung um Bobby Fischers Tod gelegt, gibt es seit heute neue Unruhe. Im B-Turnier verweigerte Veselin Topalovs Sekundant Iwan Cheparinov dem Engländer Nigel Short den üblichen Handschlag vor dem Spiel und wurde daraufhin vom Hauptschiedsrichter genullt. Laut Turnierleiter Jeroen van den Berg folgte der Referee damit einer neuen FIDE-Regel, die da besagt, dass der Handschlag vor einer Turnierpartie obligatorisch ist.
Wer ihn verweigert, läuft Gefahr, eine Null zu kassieren. Was dann auch mit Cheparinov geschah. „Eine Tatsachenentscheidung wie beim Fußball, wenn der Schiedsrichter ein Tor gibt“, sagte van den Berg zu uns.
Ist die Regel schon angenommen oder nicht, war die Frage des Tages.
Nigel Short kam nach der Entscheidung aufgeregt ins Pressezentrum und erzählte uns die Geschichte. „Ich wollte Cheparinow die Hand geben. Er tat so, als sieht er es nicht. Bei meinem zweiten Versuch reagierte er wiederum nicht, schüttelte nur kaum merklich den Kopf. Da realisierte ich, er will den Handschlag nicht. Ich ging zum Schiedsrichter und reklamierte auf Gewinn der Partie“.
Dem Anliegen des Engländers wurde entsprochen.
Flugs wurden Shorts Erklärungen auf Video aufgenommen und sein Statement auf diversen Webseiten weltweit verbreitet. Ich fragte Nigel, ob ihm schon jemals in seiner langen Karriere ein Gegner den Handschlag verweigerte. „Never!“ war die Antwort. Nicht einmal bei seinem WM-Kandidatenmatch gegen Gata Kamsky 1994 kam das vor. (Dort hatte Kamskys Vater Rustam Short mit den Worten „I kill you“ mehr als ernsthaft bedroht.)
Jede Medaille hat zwei Seiten. Uns interessierte auch die Meinung der anderen. Dass es zwischen Nigel Short und dem Topalov-Team Differenzen gibt, wissen wir seit langem. Aber hatte Cheparinov auf Anweisung von Manager Silvio Danailow gehandelt? „Nein“, wehrte Letzterer auf meine Frage hin ab, „es war Iwans eigene Entscheidung, aber ich unterstütze sie natürlich.“ Der Manager erinnerte daran, dass der Streit mit Short schon zwei Jahre schwelt. „Bei der WM 2005 in San Luis haben wir mit dem Engländer gemeinsam Mittag gegessen, und er hat erklärt, unser Freund zu sein. Wenige Monate später haut er uns weltweit in allen Medien (auch bei ChessBase) die Betrugsgeschichte um die Ohren, dass Veselin während des Turniers fremde Hilfe in Anspruch genommen hat. Damit hat er unser ganzes Team und auch die Arbeit Cheparinovs als Trainer verunglimpft“.
Was würde Bobby Fischer dazu sagen? Dem Amerikaner wurde trotz aller Eigenheiten von seinen früheren Gegnern große Korrektheit am Brett bescheinigt. Lajos Portisch, einer der Veteranen beim hiesigen Ehrenturnier, schüttelte über den heutigen Vorfall seinen grauen Kopf. „Ich verstehe die jungen Schachspieler nicht. So etwas ist zu meiner großen Zeit nicht vorgekommen“.
Schachveranstalter Hans Walter Schmitt, Vater der Chess Classic, ereiferte sich: „Das ist Antiwerbung für Schach. Im Tennis gibt es auch kein Match ohne Handschlag.“ (Dort allerdings nach dem Spiel).
Hans-Walter Schmitt, Vlastimil Hort
Die Danailov-Seite, seit der Toilettenaffäre von Elista im Formulieren von Protesten mehr als geübt, verfasste flugs einen solchen, in dem darauf gepocht wird, dass besagte Regel noch nicht vom FIDE-Kongress angenommen wurde, sondern nur eine Empfehlung sei. Leicht zurückrudernd, wird vorgeschlagen, dass Cheparinov bereit wäre, Short doch noch die Hand zu schütteln und die Partie gegen ihn an einem Ruhetag nachzuspielen.
Nun muss das Appellationskomitee entscheiden. Es besteht hier in Wijk aus Michael Adams, Wladimir Kramnik und Judit Polgar. Werden Sie dem Antrag der Bulgaren entsprechen oder ihn ablehnen? Pikanterweise ist Kramnik Mitglied des Komitees -und seine Partie gegen Topalow steht noch bevor. Beide Erzrivalen spielen laut Auslosung am Dienstag nach dem morgigen Ruhetag. Im vorigen Jahr hatten sie sich beide in Wijk nicht die Hand gegeben. (Die Vorfälle von Elista waren noch ganz frisch.) Keiner wurde dafür gescholten bzw. bestraft. Wenn es dieses Jahr auch so sein wird, läuft keiner Gefahr, die Partie zu verlieren“, meint Turnierdirektor Jeroen van den Berg. Streckt aber Kramnik beispielsweise die Hand aus, und Topalow ergreift sie nicht, wird er genullt. Absurdes Theater…
Wir fragten Nigel Short noch, ob er seine Partie gegen Cheparinov am morgigen Ruhetag nachspielen würde, wenn das Komitee es so festlegt: „Dazu habe ich keine Lust“, sagte der Engländer mit Wohnsitz in Athen.
Ach so, Schach wurde heute doch noch gespielt.
Ivanchuk liest das Bulletin
Es war ein schlechter Tag für Bulgarien. Im A-Turnier verlor Veselin Topalow seine Partie gegen Vishy Anand. Mit dem zweiten Sieg in Folge hat der Weltmeister aus Indien hier den Turbo aufgedreht und einen großen Sprung in der Tabelle nach vorn gemacht.
Tagessieger
Es war die einzige Gewinnpartie des Tages. Kramnik remisierte trotz Mehrbauern gegen Judit Polgar. Magnus Carlsen, der mit Boris Gelfand den Punkt teilte, bleibt Spitzenreiter.
Spitzenreiter Carlsen
Text und Fotos: Dagobert Kohlmeyer
Anlage:
Behavioural norms of players in chess events. PB decision |
|
Behavioural norms of players in chess events Having discussed several
recent cases in different chess tournaments where the attitude of players
toward their opponent or officials, journalists etc. was not acceptable
under conventional social behaviour, the FIDE Presidential Board –at the
suggestion of President Ilyumzhinov- decided on setting up strict rules
regarding such behaviour. Read full Press release. in pdf format. |
To the Appeal Committee January
20th,2008
|