Skandinavisch - aus allen Blickwinkeln betrachtet - eine Rezension

von Christian Hoethe
02.11.2023 – Die Skandinavische Verteidigung wurde lange unterschätzt. Heute haben viele Spitzenspieler diese Verteidigung im Repertoire, nicht zuletzt Magnus Carlsen. Und zudem bietet die Eröffnung dem Schwarzspieler eine ganze Reihe von unterschiedlichen Systemen und Ideen. Christian Höthe hat sich aktuelle Fritztrainer zu diesem Thema angesehen.

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Die Skandinavische Verteidigung - aus allen Blickwinkeln betrachtet

Skandinavisch ist definitiv eine der unterschätzten Eröffnungen! Das änderte sich
spürbar im Jahr 1997 als Großmeister Matthias Wahls sein bahnbrechendes Werk "Modernes Skandinavisch" veröffentlichte, das sich dem Da5-Skandinavier widmete
und 9 Jahre später einen Nachfolgeband nach sich zog.

Es ist längst keine Überraschung mehr, dass Magnus Carlsen gerne Skandinavisch in Blitz- und Rapidpartien spielt. So auch Vachier-Lagrave, Nakamura, Grischuk, Rapport und Mamedyarov.

Von den Spielern der älteren Generation ist der große Däne Bent Larsen zu nennen, der mit Skandinavisch niemand Geringeres als Weltmeister Karpov besiegte.
Viswanathan Anand wandte sie an und ihm gelang, was sonst kaum jemanden mit den schwarzen Figuren gegen Kasparov je gelang: er stand nach nur 14 Zügen besser, auch wenn er letztlich die Partie verlor. Gata Kamsky spielte des Öfteren die skandinavische Verteidigung und ihm gelangen damit wichtige Siege, wie beispielsweise 1994 gegen Viswanathan Anand.

Einen besonderen Platz unter diesen prominenten Namen nimmt dabei Sergey Tiviakov
ein, der als Vorreiter den Skandinavier mit 3. ...Dd6 konsequent seit 2005 in sein
Repertoire aufnahm und damit eine Vielzahl beeindruckender Siege errang. Wenn mich
meine Datenbank nicht täuscht, liegt seine Verlustquote im Skandinavier bei nur knapp
10 Prozent, bei  etwa 42 Prozent die Remis- und gar 47 Prozent die Gewinnquote!
Wie er dies schafft, erfahren Interessierte in Matthew Sadlers "Chess for Life" oder auf dem Fritztrainer des Meisters selbst.


Dabei wird ein wesentlicher Vorteil des Skandinaviers gegenüber anderen Eröffnungen deutlich: nach 1. e4 ist "der Skandi" offenkundig nicht mehr zu verhindern und Schwarz erreicht zeitnah seine angestrebte Struktur! Dem Nachziehenden kommt dabei
zugute, dass sich Weiß nur selten mit allen Feinheiten der möglichen Varianten
- sowohl nach 2. ...Sf6 als auch nach 2. ...Dxd5, 3. Sc3 Da5, 3. ...Dd6, 3. ...Dd8 und sogar 3. ...De5+ ist spielbar - auskennt; Schwarz dafür jedoch schon!

Bemerkenswert ist ebenfalls, dass alle 4 Damenzüge mit etwa 45 Prozent gleichfalls gut punkten und auch der Skandinavier mit 2. ...Sf6 dem in nichts nachsteht!

Bei Chessbase finden sich gleich mehrere gute Eröffnungstrainer zum Skandinavier,
bei denen sich bemerkenswerterweise kaum Überlappungen finden:

Großmeister Christian Bauer zeigt und erklärt in "Skandinavisch - solide und schlagkräftig gegen 1.e4" die Entwicklungen des Da5-Skandinaviers seit Wahls. Dafür nimmt er sich dafür satte 5 Stunden Zeit für Sie! Bauer ist sich dabei sicher: Skandinavisch ist eine vernünftige und vielfach unterschätzte Eröffnung, die dem Schwarzen die Wahl überlässt zwischen zweischneidigen oder und eher ruhigen Stellungstypen zu wählen. Beispielsweise kann der Tausch des Läufers b4 gegen den Springer auf c3 zu einer langfristigen Kontrolle über die weißen Felder führen.

Natürlich vergisst Bauer dabei auch nicht, frühe Abweichungen von Weiß wie 2. Sc3 oder 2. exd5 Dxd5, 3. Sf3 bzw. 3. d4 zu thematisieren!

Skandinavisch - solide und schlagkräftig gegen 1.e4

Die Skandinavische Eröffnung (1.e4 d5) führt den Gegner auf ein weniger vertrautes Terrain als z.B. Sizilianisch, Französisch oder 1.e4 e5-Systeme. Bereits mit dem ersten Zug kämpft Schwarz um die Initiative.

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Ganze siebeneinhalb Stunden Spielzeit beträgt "Die skandinavische Verteidigung mit 3. ...Dd6" des internationalen Meisters Martin Breutigam. Ich schätze IM Breutigam
schon lange ob seiner ruhigen, sachlichen Darstellung auch komplexer Sachverhalte.
Im Mittelpunkt "seines" Skandinaviers stehen moderne Entwicklungen der Tiviakov-Variante 3.Sc3 Dd6 als auch Nebenvarianten wie z.B. 3.Sf3 oder 3.d4. Frühe Abweichungen wie 2.Sc3 oder 2.d4 werden ebenso diskutiert wie strategische Mittel- und Endspieltypen, die sich aus der typischen skandinavischen Bauernstruktur ergeben. Ein Bonus-Kapitel befasst sich zudem mit der interessanten Variante 1. e4 d5, 2. exd5 Dxd5, 3. Sc3 Dd6, 4. d4 Sf6, 5. Sf3 g6!? 

Skandinavische Verteidigung mit 3...Dd6

Das unorthodoxe Konzept 1.e4 d5 2.exd5 Dxd5 widersteht auch in digitalen Zeiten allen Angriffen. Skandinavisch hat sich als solide, flexibel und vergleichsweise theoriearm erwiesen.

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Die internationalen Meister Robert Ris und Andrew Martin befassen sich in ihren jeweiligen Eröffnungstrainern mit dem 3. ...Dd8-Skandinavier, der Waffe, die Ex-Weltmeister Magnus Carlsen auf höchstem Niveau salonfähig gemacht hat. Nach 1.e4 d5 2.exd5 Dxd5 3.Sc3 führt 3...Dd8 zu einer soliden Stellung. Schwarz plant, seinen  weißfeldrigen Läufer nach g4 zu bringen und dann die Bauern auf c6 sowie e6 zu stellen. Anschließend wird der Bd4 unter Druck gesetzt und das Feld d5 als Vorposten für eine seiner Figuren genutzt.

Während Ris´ "The smooth Scandinavian Defence with 3...Qd8" in 7 Stunden Videolaufzeit detailliert auf alle Feinheiten und auch Abweichungen im 2. und 3. Zug eingeht, fasst Martins "A solid Scandinavian Surprise" in 60 Minuten Spielzeit die wesentlichen Aspekte dieser interessanten Variante gut nachvollziehbar und auf den Punkt gebracht zusammen.

A solid Scandinavian Surprise

Schauen Sie sich an, was FIDE Senior Trainer und IM Andrew Martin auf diesem 60 Minuten Video vorschlägt. In 60 Minuten lernen Sie ein neues Eröffnungssystem kennen und können es noch am gleichen Tag ausprobieren!

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The smooth Scandinavian Defence with 3...Qd8

Dieser Videokurs bietet Ihnen ein komplettes Schwarz-Repertoire mit 1.e4 d5. Er deckt alle kritischen Versuche von Weiß ab, den provokativen Ansatz von Schwarz zu bestrafen, sowie alle relevanten Nebenvarianten im 2. und 3.Zug für Weiß.

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Wer sich mit der Dame auf d5 im zweiten Zug unwohl fühlt oder einfach etwas skandinavische Abwechslung sucht, der findet in Nico Zwirs "The fianchetto Scandinavian" eine hervorragende Alternative! Der sympathische internationale Meister aus Holland präsentiert Ihnen dabei in viereinhalb Stunden Laufzeit ein kämpferisches Repertoire rund um die Hauptvariante nach 2. ....Sf6, 3. d4 Sxd5, 4. c4 Sb6, 5. Sf3 g6, 6. Sc3 Lg7. Warum er sich bei seiner Repertoire-Auswahl insbesondere gegen das populäre portugiesische Gambit 3. d4 Lg4 entschieden hat, unterstreicht er durch stichhaltige Analysen. Abweichungen auf dem Weg zur Hauptvariante wie 2. Sc3, 2. e5, 2. d3, 2. Sf3 oder das Blackmar-Diemer-Gambit bleiben dabei selbstverständlich nicht unberücksichtigt.  

The Fianchetto Scandinavian

The mainline from the repertoire will start with 1.e4 d5 2.exd5 Nf6 3.d4 Nxd5 4.c4 Nb6 5.Nf3 g6. From there on, the repertoire will be worked out backwards till the second move options for White.

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Fazit: Skandinavisch ist eine vernünftige und vor allem vielfach unterschätzte Eröffnung! Sie sind auf der Suche nach einem einfachen, leicht zu erlernenden Repertoire gegen 1.e4? Dann ist Skandinavisch genau das Richtige für Sie - suchen Sie sich einfach Ihren Lieblings-Skandinavier heraus und starten Sie durch! 


Christian Hoethe ist Jahrgang 1975, Vater zweier Töchter und eines Sohnes, wohnt in Braunschweig und erlernte die Gangart der Figuren relativ spät mit 13 von seinem Vater. Ein Jahr später spielte in der Schach-AG seines damaligen Erdkundelehrers, mit dem er auch heute noch ab und zu eine Partie spielt. Mit 15 landete er Dank seines Mathe-Nachhilfelehrers (!) endlich in einem Verein. Er brachte es zu seinen besten Zeiten auf eine Elo-Zahl von 2247 und spielt für den SC Wolfsburg.