Von Dagobert Kohlmeyer

Azad Rahimov und Silvio Danailow
Während Gata Kamsky beim
M-tel Masters in Sofia zur Überraschung aller voll durchzieht und mit 3,5
Punkten aus 4 Partien führt, passiert auch hinter den Kulissen einiges. Seit
Freitagabend weilt der Minister für Jugend und Sport Aserbaidschans, Azad
Rahimov, zu Verhandlungen in Sofia. Der Mann mit der Statur eines Schwerathleten
ist erst drei Monate im Amt und voller Tatendrang. Auf der Seite von ChessBase
News war vorige Woche schon zu lesen, dass es Pläne für ein Match zwischen
Weselin Topalow und der aserbaidschanischen Nr. 1,Teimur Radjabov, gibt. Wir
gingen der Sache nach, befragten den Minister und fanden offenen Ohren.
Herr
Rahimov, welcher Anlass führte Sie in die bulgarische Hauptstadt?
Wir führen hier Gespräche
mit der bulgarischen Regierung, vor allem mit unserem Partnerministerium. Dabei
erörtern wir die weiteren Pläne zur Entwicklung der Jugend- und Sportbeziehungen
zwischen unseren beiden befreundeten Staaten.
Gibt
es vielleicht noch einen anderen Grund Ihres Hierseins? Ich meine das Match
zwischen Weselin Topalow und Teimur Radjabov. Oder ist das vorerst eine
Illusion?
Es ist nicht richtig,
einen so bedeutenden internationalen Schach-Wettbewerb als Illusion zu
bezeichnen. Ob er stattfindet, hängt immer vom Willen beider Seiten ab. Wir
haben die Verhandlungen darüber aber noch nicht abgeschlossen.
Konkret gefragt: Ist der Wille vorhanden?
Es gibt nicht nur den
Wunsch, sondern auch den festen Willen. Darüber hinaus verfügen wir auch über
die entsprechenden Möglichkeiten, dieses Match durchzuführen.
Sie
meinen damit sicher das Finanzielle. Die Hauptsache bei der ganzen Angelegenheit
sind doch die Sponsoren?
Ja, natürlich.
Glücklicherweise ist diese Frage als eine der ersten von uns entschieden worden.
Ich habe langsam den Eindruck, Sie verhandeln bereits mit mir (lacht).
Nein,
ich stelle nur ein paar Fragen: Das Erdöl, über das Ihr Land reichlich verfügt,
dürfte bei der ganzen Sache eine gewichtige Rolle spielen.
Eine große Rolle spielt in
erster Linie das Geld. Und die Quelle des Geldes ist in der Tat unser Erdöl.
Ihr
Land verkörpert beste Schachtraditionen. Kasparow beherrschte mehr als 20 Jahre
die Schachwelt.
Ja, aber auch vor ihm gab
es bei uns schon starke Spieler. Immer hat die Regierung das Schach unterstützt.
Mit Radjabow, Mamedjarow, Guseinow und Gashimow haben wir junge ehrgeizige
Großmeister, die schon viel erreichten und noch mehr wollen. Bei der Olympiade
in Turin werden wir aber leider nicht in voller Stärke antreten.
Warum
das?
Weil einige Spielerinnen
und Spieler einen Konflikt mit unserem Schachverband haben. Aber wir werden dort
Ordnung schaffen.
(Anmerkung zu Kasparow: Er
sponserte Mitte der 90er Jahre in seiner Heimatstadt Baku einige Male einen nach
ihm benannten Cup für Nachwuchsspieler. Neben Grischuk und Radjabow spielte dort
auch Arkadi Naiditsch mit. – D.K.)
Treiben Sie selbst irgendeinen Sport, Herr Minister?
In meiner Jugend spielte
ich aktiv Handball. Meine größte Leistung war, dass ich es bis in die
Jugend-Nationalmannschaft schaffte.
Und
wie steht es mit dem Schach?
Es ist ein
hochinteressanter Sport und deshalb wert, unterstützt zu werden. Ich selbst
komme leider viel zu selten zum Schachspielen. Hin und wieder spiele ich mit
meinem Berater. Ich kenne nicht nur die Züge, sondern auch die Eröffnungen.
Während des Gesprächs lief die vierte Runde des M-tel Masters. Wie zur
Bestätigung seiner Worte sah der Minister in diesem Moment im VIP-Raum auf den
Monitor und sagte den nächsten Zug Ponomarjows voraus. Der ukrainische
Exweltmeister wählte fünf Minuten später tatsächlich diesen Zug.
Zu Beginn des vierten
Spieltages im Sofioter Grand Hotel hatte sich der Staatsgast auch nicht lange
von Silvio Danailow bitten lassen, den ersten Zug in der Partie Bacrot – Topalow
auszuführen.

Azad Rahimov

Der erste Zug
Was einen möglichen Termin
für das Duell Topalow – Radjabov angeht, so war von vornherein klar, das es in
diesem Jahr nicht mehr über die Bühne gehen kann. Einmal findet sich vor dem
WM-Kampf in Elista kein Zeitfenster mehr, und zum anderen hat Topalow natürlich
nicht die geringste Lust, seinen Titel vorher zur Disposition zu stellen.
„Und was passiert, wenn
Weselin Topalow in Elista gegen Wladimir Kramnik verliert?“, fragte ich Zurab
Asmaiparaschwili. „Dies ziehen beiden Seiten nicht in Betracht,“ erklärte der
georgische Großmeister und FIDE-Vizepräsident kurz.

Kein anderer als Asmai war
es, der mit Topalows Manager Silvio Danailow die Idee ausheckte, dass jeder
Schachspieler mit einer ELO-Zahl von über 2700 Weselin Topalow zum WM-Kampf
herausfordern kann, wenn er „nur“ eine Million Dollar aufbringt. Man fühlt sich
in Laskers Zeiten zurückversetzt, als die Schachkönige lange auf ihrem Thron
saßen und erst dann zur Titelverteidigung antraten, wenn ein Herausforderer
einen betuchten Mäzen beschaffen konnte oder selbst bereit war, entsprechend
viel Geld auf den Tisch zu legen.

Kurz nachdem Rahimov am Sonntag in Begleitung
von Silvio Danailow den Verhandlungsraum im Grand Hotel verließ, teilten beide
uns noch mit, dass sie ein Memorandum über das Match Topalow – Radjabow
unterzeichnet und als möglichen Termin den April 2007 ins Auge gefasst haben.
Die vierte Runde:


Text und Fotos: Dagobert Kohlmeyer
